(Titelbild: Etschufer mit angeschwemmten Treibholz, Äpfeln und Plastik)
Viele Tier- und Pflanzenarten und viele Lebensräume sind untrennbar mit dem Element Wasser verbunden. Nicht nur Fische brauchen Gewässer zum Leben, auch Tiere wie der Feuersalamander, der Grasfrosch oder Wasseramseln sind auf Gewässer angewiesen. Die verschiedenen Tiere und Pflanzen siedeln sich an Gewässern an, in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren, wie der Struktur (Gewässermorphologie) eines Gewässers, der Höhenlage, der biogeographischen Region oder der Natürlichkeit eines Gewässers.
Die Wasserkörper der Bäche und Flüsse Europas sind einem hohen Druck und Beeinträchtigungen ausgesetzt, die Veränderungen der Gewässermorphologie und diffuse Einträge von Stoffen aus der Landwirtschaft und der Atmosphäre sind die größten Bedrohungen. „The main significant pressures on surface water bodies are hydromorphological pressures (40 %), diffuse sources (38 %), particularly from agriculture, and atmospheric deposition (38 %), particularly of mercury, followed by point sources (18 %) and water abstraction (7 %).“ European waters Assessment of status and pressures No 7/2018
Fließgewässer und ihr Wasserkörper wurden und werden massiv verändert und beeinträchtigt. Mit Ausnahme von Fließgewässern Osteuropas gibt es natürliche, unverbaute, von der Quelle bis ins Meer fließende Bäche und Flüsse in Europa nicht mehr.
Weniger als 10% der Gesamtstrecke der knapp 10000 km an Alpen-Hauptflüssen befinden sich noch in einem natürlichen Zustand. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kam schon eine Studie im Jahr 1990, welche die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA erstellen ließ. National bewegten sich die Ergebnisse zwischen 2 und 7%, lediglich in Frankreich konnten noch 18% der Alpenflüsse als ungestört eingestuft werden. Weniger als 10 Alpenflüsse hatten noch einen ungestörten Verlauf auf mehr als 15 – 20 Kilometern.
Doch nicht nur die Wasserkörper wurden verändert, auch die Artenvielfalt der Fische in den Gewässern Europas und speziell auch in Südtirol wurde erheblich verändert und die einzige heimische Forellenart, nämlich die Marmorierte Forelle ist stark gefährdet (Rote Liste Tierarten Südtirol). „Die teilweise dramatischen Veränderungen der Fischfauna in Tirol und Südtirol reichen vom lokalen Rückgang einzelner Populationen bis zur aktuellen Bedrohung der Bestände und im Einzelfall sogar bis zum Verschwinden von Arten. Eine weitere Bedrohung liegt in der genetischen Verunreinigung der ursprünglichen Arten durch Fehlbesatz. Durch diese Fehlbewirtschaftung kann es zum Verschwinden autochthoner Arten kommen.“ INTERREG Italien-Österreich (ITAT1041 ALFFA). Südtirols Fischfauna ist einem hohen Nutzungsdruck ausgesetzt, wie Ergebnisse des Projektes ALFFA zeigen: die durchschnittliche Besatzmenge in Südtirol liegt mehr als vier Mal so hoch (ca. 16 kg/ha) als im Bundesland Tirol (ca. 3,5 kg/ha). Auch die mittlere Entnahmemenge liegt mit 9 kg/ha in Südtirol liegt weit über der in Tirol (1,1, kg/ha).
geangelte Bachforelle- die Bachforelle ist in Südtirol keine heimische Fischart und gefährdet die vom Aussterben bedrohte Marmorierte Forelle
Nicht weniger als 17.292 Fischer haben in Südtirol eine Fischereilizenz und 60.357 Fische wurden 2016 von gefangen (Agrar- und Forstbereicht 2017). Nicht heimische Bachforellen sind die häufigsten Fische in Südtirol, daneben Mühlkoppen und die invasive Regenbogenforelle. Bachforellen und Regenbogenforellen gehen in Südtirol auf Fehlbesatz zurück und durch Fehlbesatz ist die Biodiversität in Gefahr, Arten sterben aus (mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/2017/11/29/fische/.) Allgemeine Regelungen zur Fischerei in Südtirol sind im Wassernutzungsplan vorhanden, im Gewässerschutzplan spielt der Schutz von autochthonen Fischarten und der Gewässerschutz, der Schutz der Ökosysteme vor Fehlbesatz, keine Rolle.
Auf Europäischer Ebene gibt die Wasserrahmenrichtlinie der EU aus dem Jahr 2000 vor, dass es zu keiner Verschlechterung des ökologischen Zustand der Gewässer kommen darf und die Richtlinie floss ins Gewässerschutzgesetz Südtirols ein.
„In Europa wurden zahlreiche einst dynamische Flüsse zu intensiv bewirtschafteten, monotonen und von ihren Auen getrennten Läufen. Bei ungestörten Bedingungen jedoch können Flussläufe in Überschwemmungsgebieten des Flachlands zu einem Komplex von Biotopen verwoben sein und das gesamte Flussökosystem ausmachen… Diese können ein Mosaik von Kleinstbiotopen („Habitat-Patches“), Randbiotopen und Sukzessionsstufen bilden, die durch unterschiedliche Gesellschaften charakterisiert sind und durch natürliche Störungen verbessert werden.
Durch die physische Veränderung von Flüssen wird die Bildung solch komplexer Auen-Ökosysteme im Allgemeinen verhindert.
Unter völlig ungestörten Bedingungen wäre ein Flachland-Flusswasserkörper unreguliert, intakt und in Verbindung stehend und würde die ganze Breite von Sukzessionsstadien umfassen. Abschnitte der polnischen Biebrza veranschaulichen dies. Der Fluss mäandert 164 km durch eine weite Schwemmebene aus Torfmooren und Marschen. Obwohl seine größeren Zuflüsse wegen der Landwirtschaft kanalisiert wurden, ist die Biebrza selbst noch unreguliert. Große Mäander werden durch mineralische Inseln unterteilt, ein komplexes Netz von Gewässern wie Alt- und Stauwasserseen sowie Altarmen durchzieht die Auenlandschaft. Das Frühjahrshochwasser lässt den Fluss flachseenartig zu einer Breite von 1 km anschwellen. Dieser heterogene Feuchtgebietskomplex weist eine große Artenvielfalt auf – 186 Brutvogelarten wurden hier verzeichnet, darunter 21 bedrohte Arten; es kommen mehr als 60 Pflanzengesellschaften vor, die nahezu alle Wasser-, Marsch- und Torfmoor-Pflanzengesellschaften Polens umfassen.
Die Abgrenzung des Flusswasserkörpers und das Verständnis der Dimension der hydromorphologischen Qualitätskomponente des Flussuferbereichs sollte die dynamische Natur des Flusses und die dadurch bedingte ökologische Vielfalt zum Ausdruck bringen.“ Wasserrahmenrichtlinie, Übergreifender Leitfaden Feuchtgebiete, Mitgliedsstaaten der EU und WWF.
Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) schreibt für die Mitgliedsstaaten vor, einen guten ökologischen Zustand für die Gewässer zu erreichen:
- nur 37 % der Fließgewässer Österreichs sind offiziell in einem „Gutem und sehr gutem“ Zustand.
- nur 7% der Fließgewässer Deutschands sind offiziell in einem „Gutem und sehr gutem“ Zustand.
- unglaubliche 94% der Fließgewässer Südtirols sind in einem „gutem und sehr gutem“ Zustand
Bäche über 10km² Einzugsgebiet wurden in Südtirol (Stand 2015) charakterisiert und der Zustand bewertet: sehr gut 57, gut 221, mäßig 15, unbefriedigend 3 und schlecht 0.
Da bei der Charakterisierung und Typisierung der Fließgewässer in der Provinz Bozen viele negative Einflüsse auf das Gewässerökosystem, wie die physikalische Veränderung des Wasserkörpers durch die Wildbachverbauung mit Querbauwerken und Seitenbauwerken und die Speicherstauseen, nicht weiter berücksichtigt wurden, sind offiziell 94% der Fließgewässer Südtirols in einem „Guten und sehr gutem“ Zustand und die Flüsse mit den Stauseen sind nicht als veränderte Gewässer charakterisiert und gelten als natürlich. Die Verbauungen haben die Veränderung der Hydromorphologie zur Folge und das Ökosystem der Fließgewässer wurde grundlegend geändert. Die Hydromorpholgie wird lediglich zur Bestätigung des sehr guten Zustandes herangezogen. (http://www.alpiorientali.it/files/typisierung_zustand_ziele_Sparber.pdf)
Die Lebensräume und Ökosysteme der Fließgewässer sind Belastungen ausgesetzt:
-
chemisch-physikalische Belastungen: Diffuse Stoffeinträge aus der Luft und Umland; Eintrag von Nährstoffen ( z.B. Gülle), Abdrift von Pestiziden, ungeklärte Abwässer usw. beeinträchtigen die Wasserqualität und führen zur Verschmutzung des Wassers
-
Durch den Hochwasserschutz und Stauseen ist die Dynamik und der Stofftransport eingeschränkt. Zahlreiche Dämme, Seitenverbauungen, Querbauwerke und Staussen halten Geschiebe zurück. Stauseen stauen das Wasser der Fließgewässer auf und der Wasserhaushalt der Fließgewässer wird erheblich verändert. Der Stofftransport (Sand zur Ausbildung von Sandbänken, Totholz usw.) kommt durch Stauseen und Hochwasserschutzbauten zum Erliegen und es können sich keine dynamischen Lebensräume am Gewässer mehr bilden. Dies wirkt sich auf die Morpholgie (Struktur) der Bäche aus. Die Verbauungen verhindern die Dynamik des Gewässers (Hochwässer, Niedrigwasser, Stofftransport) und Auen und Auwälder wurden von der Dynamik der Fließgewässer abgetrennt.
Der fehlende Stofftransport in den Gewässern wirkt sich negativ auf die Bildung von dynamischen Au- und Flusslebensräumen, wie Sand-, Schotter- und Kiesbänken aus.
Darüberhinaus wirkt er sich bis ins Meer aus, denn der Sand an den Stränden der Meere stammt aus den Bächen und Flüssen.
Die Fließgewässer Südtirols werden intensiv genutzt. In Südtirol gibt es 936 Elektrizitätswerke. 29 von ihnen sind Großwasserkraftwerke; diese allein produzieren 86,25 % des gesamten in Südtirol verbrauchten Stroms. Stauraumspülungen führen auch zur direkten Mortalität von Fischen und Saugbagger sollen ab 2020 die Spülungen der Südtiroler Stauseen ersetzen.
Die Landwirtschaft zweigt den Bächen Wasser ab und bewässert Wiesen und Obstplantagen. Über 8500 Konzessionen zur Beregnung, 448 zur Bewässerung und 351 zum Frostschutz wurden ausgestellt (Zahlen aus Broschüre „Lebensadern in der Landschaft“). In vielen Fließgewässerabschnitten fließt nur noch spärlich Restwasser der verschiedenen Nuztungen. Im Wassernutzungplan der Provinz Bozen wird auf die vielfältigen Nutzungen eingegangen.
Morphologie Fließgewässer Südtirol
Was die Struktur/Morphologie des Gewässers (Gewässermorphologie, Hydromorpholgie, Ökomorphologie) betrifft, wurde für Südtirols Fließgewässer im Landschaftsleitbild der Provinz Bozen festgestellt:
Die Ergebnisse der ökomorphologischen Erhebung der Fließgewässer in Südtirol (Autonome Provinz Bozen/Südtirol. Ressort für Natur und Umwelt.Raumordnung.Informatik. Wasser und Energie 2002) belegen, dass es nur mehr wenige natürliche bzw. naturnahe Fließgewässerabschnitte in Südtirol gibt.
Der Wasserkörper der Bäche Südtirols wurde erheblich verändert und es werden immer neue Verbauungen errichtet und ganze Bachläufe mit zahlreichen Sperren versehen, wie der Colzbach in Abtei (http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=619069) oder in Ulten.
Unverbaute und naturnahe Wasserläufe werden verbaut, neue Quer- und Seitenverbauungen errichtet und dynamische Gewässer mit ihrer Biodiversität gehen weiter verloren.
Eine neuere Bewertung der Etsch (Hydromorphologie Projekt Spatium Etsch) zwischen Meran und Salurn ergab für den gesamten Lauf schlecht, ungenügend und mäßig. Der Großteil ist ungenügend, obwohl viele Renaturierungen und Revitalisierungen an der Etsch durchgeführt wurden, die nur auf Kosten des Auwaldes/ Ufergehölze an der Etsch gingen. Der Zustand des Gewässers hat sich nicht verbessert.
In der Studie zur Fluss- und Auenrenaturierung in Südtirol 2012 wurde klar gefordert, die Gewässerstruktur, wie sie in der Gewässerstrukturkartierung für Südtirol vorliegt, bei Renaturierungen als Zustandserfassung mit zu berücksichtigen. Einige Umweltschutzvereine in Südtirol sehen darin keine Notwendigkeit (https://www.pz-media.it/inhalt/wirtschaftumwelt/1317-umweltverb%C3%A4nde-ziehen-an-einem-strick-ja-zur-revitalisierung-ausg-06_2016.html).
Zahlreiche Fließgewässer Südtirols sind auch in Form von Künetten verbaut (Bild Brandisbach Lana, ökologischer Zustand offiziell gut). Sowohl die Bachsohle als auch die Ufer sind hart verbaut und der Bach bietet dadurch keinen Lebensraum für Fische, Köcherfliegen, Enten oder Pflanzen. Auch die ökologische Funktionsfähigkeit, wie die Selbstreinigungskraft des Gewässers, ist gestört. Bäche wurden durch den Hochwasserschutz zu Abflusskanälen. Der Hirschbrunnbach in St. Georgen war in einer Künette verbaut und wurde 2009 aus dem Korsett befreit. Dadurch wurde auch die Gefahr für Menschen gebannt, welche hinunterfallen könnten (http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=314356). 2015 wurde im oberen Teil des Hirschbrunnbaches ein Wasserkraftwerk errichtet, wodurch der kleine Bach wieder ökologisch degradiert wurde.
Der WWF Bozen sprach 2015 von einer misslungen Revitalisierung, da nicht hart verbaute Bäche revitalisiert bzw. renaturiert wurden und einige Umweltschutzvereine sehen dies anders.
In Südtirol sind nur solche Bäche und Fließgewässerabschnitte natürlich bzw. in einem sehr guten ökologischen Zustand, welche z.B. in alpinen und subalpinen Lagen oder in unzugänglichen Schluchten liegen. Im Gewässerschutzplan (2015 Fokus auf hydroelektrische Nutzung) der Provinz Bozen sind Fließgewässer mit sehr gutem ökologischen Zustand eingetragen, nur 92 Gewässer bzw. Gewässerabschnitte weisen noch einen sehr guten ökologischen Zustand bzw. ein sehr gutes ökologisches Ziel auf. Nur bei der Bewertung des sehr guten Zustands wird auch die Gewässermorpholgie berücksichtigt. Sowohl im Gewässerschutzplan von 2015 auch als im Gewässerschutzplan von 2020 bleibt die Biodiversität der Oberflächengewässer (Seen und Flüsse) und die abhängigen Landökosysteme, wie von der Wasserrahmenrichtlinie gefordert, unberücksichtigt. Die vorhandene Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten und die Vielfalt der Gewässerlebensräume findet in den Gewässerschutzplänen keine große Beachtung, obwohl zahlreiche Arten und Lebensräume direkt vom Wasserkörper abhängig sind (siehe z.B. S 52 http://www.wrrl-info.de/docs/Feuchtgebiete_WRRL_Endfassung_deutsch.pdf). Nicht überraschend ist von einer Verbesserung des ökologischen Zustands der Gewässer durch Revitalisierungen und Renaturierungen im Gewässerschutzplan von 2020 ebenfalls nichts zu finden.
Wasserqualitiät und Gewässerqualität
Offiziell nach der Wasserrahmenrichtlinie sind fast alle Gewässer Südtirols in einem gutem ökologischen Zustand (von 296 bewerteten Fließgewässern mit Einzugsgebiet größer als 10km² sind 75% gut, 19% sehr gut, 5% mäßig, 1% schlecht). ( Einstufung Gewässer nach Wasserrahmenrichtlinie siehe auch http://biodiversitaet.bz.it/revitalisierung-wasserrahmenrichtlinie/). Zur Bestimmung der Wasserqualität wurden Kieselalgen, Fische und Makrozoobenthos herangezogen (biologische Komponenten) und chemische Stoffe herangezogen. Die Ufervegetation, die Gewässermorpholgie usw. floss nicht in die Bewertung ein. Kieselalgen sind mikroskopisch kleine Algen und Makrozoobenthos sind kleine Insekten, die am Gewässergrund oder unter Steinen mit freiem Auge sichtbar sind. Diese Insekten bilden auch die Nahrungsgrundlage für andere Tierarten, wie z.B. Wasseramseln oder Marmorierten Forellen. Der Naifbach in Meran ist ein Gewässer mit sehr wenigen Insekten, nur 15 Individuen pro m² konnten beim Projekt ALFFA festgestellt werden, Die Ahr im Ahrntal hingegegen weist 1180 Tiere pro m2 auf und bietet so zahlreichen anderen Arten eine Lebensgrundlage. Obwohl der Naifbach einen extrem niedrigen Wert hat, ist die Wasserqualität des Baches offiziell sehr gut (Prov. Bozen, LIMeco 2017).
Lebensräume an und in Gewässern
Natur und Artenvielfalt an Gewässern ist in ganz Europa und in Südtirol nur noch in wenigen Resten vorhanden. Der Nationalpark Donauauen in Niederösterreich, das Rhone Delta in Frankreich, der Tagliamento in Venetien oder der Ticino in der Poebene sind bedeutende Auen- und Flusslandschaften, welche trotz der intensiven Nutzung der Flüsse herausragende Lebensräume für die Biodivesität der Auen und Flüsse darstellen. Solche bedeutende Lebensräume in Südtirol sind z.B. die Sandbänke des Prader Sand im Vinschgau und auch die dortigen Schwarzerlenauwälder oder die Grauerlenauwälder an der Ahr. Im Prader Sand konnten 120 Vogelarten nachgewiesen werden, darunter 9 stark gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Brutvogelarten. Die Ahr ist einer der wenigen Bäche in den Tälern Südtirols, die nicht massiv hart verbaut wurden. Laut ff 14/2018 und Erklärungen von Klaus Graber (Naturtreff Eisvogel) soll die Ahr durch Revitalisierungen nicht mehr in einem engen Kanal gezwängt sein. Die Ahr im Unteren Ahrntal war jedoch nie kanalisiert und ausgedehnte Auwälder begleiten die Ahr, wobei viel Auwald weggebaggert wurde (http://biodiversitaet.bz.it/2017/07/18/bilder-ahrauen/).
Fließgewässer beherbergen zahlreich für die Artenvielfalt bedeutende Lebensräume: Auwälder bzw. Ufergehölze, Röhrichte, Hochstaudenfluren, untergetauchte Wasserpflanzengesellschaften, Sand- und Kiesbänke usw.
Untergetauchte Wasserpflanzengesellschaften sind in Südtirols Flüssen und Bächen so gut wie verschwunden, jedoch häufig in den Entwässerungsgräben des Etschtales zu finden. Die Gräben sind Ersatzlebenräume für viele seltene Wasserpflanzen ( Pflanzenarten in den Entwässerungsgräben: https://www.zobodat.at/pdf/Gredleriana_006_0199-0230.pdf).
Die Lebensräume an Gewässern bieten verschiedenen Tierarten Lebensraum, vom Eisvogel, der Steilwände an Gewässern braucht und von den Ästen der Auwaldbäume aus in das Wasser taucht, um Fische zu fangen über Heuschreckenarten, welche auf Kiesbänke und Schlammufer der Bäche spezialisiert sind, bis zu Würfelnattern, welche in klaren Bächen nach kleinen Fischen und Insekten unter Wasser jagen. Die Gewässerlebensräume beherbergen eine Vielzahl an biotopspezifischen Tier- und Pflanzenarten.
Vom Artensterben besonders betroffen sind die Tierarten, welche an Ufer von Gewässern gebunden sind. Spitzenreiter in Südtirol sind die Tierarten der Kies- und Schlammfluren mit mehr als 140 Arten, welche gefährdet oder schon ausgestorben sind, gefolgt von Trockenrasen mit mehr als 80 Arten. Auwälder, Röhrichte, Flutrasen und Staudenfluren an Schlamm- und Kiesufern sind Lebensräume mit den höchsten Anteil an gefährdeten und regional ausgestorbenen Arten.
Gewässerlebensräume beherbergen zahlreiche gefährdete Arten der Roten Liste
Viele charakteristische Arten, welche auf dynamische Gewässerlebensräume mit Kiesbänken angewiesen sind, sind gefährdet: der Kiesbankgrashüpfer ist vom Aussterben bedroht (CR), der Flussuferläufer ist vom Aussterben bedroht (CR) und auch der Flussregenpfeifer ist vom Aussterben bedroht (CR). Auch viele charakteristischen Pflanzenarten sind gefährdet.
Der Krebsbach in Lana wurde nach den dort vorkommenden Krebsen benannt. In Südtirol sind jedoch viele Krebspopulationen ausgestorben, mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/tag/dohlenkrebs/–
Gefährdete Arten der Roten Liste Südtirols in Wasserlebensräumen (C. Lasen 2017):
Untergetauchte Wasserpflanzengesellschaften | ||
Potamogeton alpinus | Alpen-Laichkraut | EN |
Potamogeton crispus | Krauses Laichkraut | NT |
Potamogeton lucens | Glanz-Laichkraut | EN |
Potamogeton pusillus agg. | Artengruppe Zwerg-Laichkraut | NT |
Potamogeton pectinatus | Kamm-Laichkraut | VU |
Myriophyllum spicatum | Ähren-Tausendblatt | NT |
Elodea canadensis | Kanadische Wasserpest | |
Najas marina | Großes Nixenkraut | EN |
Groenlandia densa | Fischkraut, Dichtes Laichkraut | EN |
Ranunculus trichophyllus | Schlaffer Wasserhahnenfuß | NT |
Potamogeton filiformis | Faden-Laichkraut | VU |
Zannichelia palustris | Sumpf-Teichfaden | EN |
Dystrophe Weiher und kleine Seen (Utricularietea intermedio-minoris) | ||
Utricularia bremii | Zierlicher Wasserschlauch | CR |
Utricularia minor | Kleiner Wasserschlauch | EN |
Utricularia stygia | Nordischer Wasserschlauch | CR |
Im Boden wurzelnde Schwimmpflanzenbestände (Nymphaeion albae) | ||
Nymphaea alba | Große Seerose | NT |
Nuphar lutea | Gelbe Teichrose | EN |
Potamogeton natans | Schwimmendes Laichkraut | NT |
Callitriche palustris | Sumpf-Wasserstern | DD |
Myriophyllum verticillatum | Quirl-Tausendblatt | VU |
Potamogeton lucens | Glanz-Laichkraut | EN |
Frei schwimmende Wasserpflanzengesellschaften (Lemnetea minoris) | ||
Lemna minor | Kleine Wasserlinse | |
Spirodela polyrhiza | Vielwurzlige Teichlinse | CR |
Utricularia australis | Südlicher Wasserschlauch | EN |
Hydrocharis morsus-ranae | Froschbiss | VU |
Lemna gibba | Buckel-Wasserlinse | CR |
Frei schwimmende Wasserpflanzengesellschaften (Lemnetea minoris) | ||
Lemna minor | Kleine Wasserlinse | |
Spirodela polyrhiza | Vielwurzlige Teichlinse | CR |
Utricularia australis | Südlicher Wasserschlauch | EN |
Hydrocharis morsus-ranae | Froschbiss | VU |
Lemna gibba | Buckel-Wasserlinse | CR |
Gebirgsbäche mit vorherrschender Moosvegetation | ||
Dermatocarpon rivulorum | ||
Fontinalis antipyretica | Gewöhnliches Quellmoos | |
Scapania undulata | Bach-Spatenmoos | |
Berula erecta | Gewöhnliche Berle | NT |
Sparganium emersum | Astloser Igelkolben | EN |
Auwälder
Auwälder sind prioritär zu schützende Lebensräume entsprechend der FFH Richtlinie der EU und in Südtirol durch das Naturschutzgesetz geschützt. Auenwälder mit Schwarzerlen und Gemeiner Esche (FFH Kode 91E0) sind überschwemmte Wälder, Uferwälder oder sumpfige Wälder. Sie sind längs der Gewässer ausgebildet und nicht unbedingt mit der Flussdynamik verbunden. Die Auenwälder mit Schwarzerle und Gemeiner Esche gedeihen von der planeren bis in die montane Stufe. Sie umfassen die Pflanzengesellschaften aus den Verbänden Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae.
(Umweltministerium: Foreste alluviali, ripariali e paludose presenti lungo i corsi d’acqua sia nei tratti montani e collinari sia planiziali o sulle rive dei bacini lacustri e in aree con ristagni non necessariamente collegati alla dinamica fluviale. https://www.minambiente.it/sites/default/files/archivio/allegati/rete_natura_2000/Manuale_habitat_2016.pdf)
Auwälder und Ufergehölze entlang von Bächen erbringen Leistungen und erfüllen Funktionen:
- Hochwasserschutz (Auwälder dienen als Retentionsflächen und halten Hochwässer zurück, sie dienen dem Hochwasserrückhalt. Bei Hochwässern transportiertes Holz und Material wird in Auwäldern und Ufergehölzen abgelagert, sie halten Material zurück)
- Stabilistation von Boden (Auwälder und Ufergehölze stabilisieren den Boden)
- Lebensraum für Tiere und Pflanzen
- Schutz vor Einträgen (Schadstoffe, Giftstoffe, Pestizide, Gülle usw) aus dem Umland der Gewässer
- Reinigung von Wasser (Waldboden filtert Wasser, Schilfröhricht an Ufern filtert ebenfalls große Mengen an Wasser)
- Beschattung (besonnte seichte Gewässer können sich stark erwärmen und hohe Temperaturen führen zum Tod von Wasserinsekten und Fischen)
Auwälder in Südtirol nehmen nur 0,6% der gesamten Waldfläche Südtirols ein und sind schützenswert. Auwälder haben positive Auswirkung auf die Uferstabilisierung und den Hochwasserrückhalt. Auwälder sind sehr seltene Waldtypen und unterliegen dem gesetzlichen Schutz (Naturschutzgesetz).
Es gibt verschiedene Auwaldtypen/ Waldgesellschaften
Auwälder umfassen Pflanzengesellschaften aus den Verbänden Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae. Weidenauwälder werden auch als Weichholzauen bezeichnet, das Holz von Pappeln und Weiden ist weich. Weichholzauen bilden sich unterhalb der Hochwasserlinie aus. Oberhalb der Hochwasserlinie, auf Flächen die von Hochwässern nicht mehr überflutet werden, bilden sich Hartholzauwälder ( FFH- Lebensraum 91F0, Verband Ulmenion). Großflächige Hartholzauwälder gibt es in Südtirol und anderen Ländern der Alpen keine mehr. Die typischen Baumarten dieser Wälder sind Esche, Ulme und Eiche (Verband Ulmenion). Die Flatterulme ist ein charakterischer Baum der Hartholzau. Die ehemaligen Standorte der Hartholzauwälder wurden zu landwirtschaftlichen Flächen und Siedlungen. Schematische Darstellung der Abfolge verschiedener Auwälder am Gewässer https://www.spektrum.de/lexika/showpopup.php?lexikon_id=7&art_id=1098&nummer=193
Die verschiedenen Auwälder Südtirols wurden pflanzensoziologisch von Thomas Peer erstmals für ganz Südtirol beschrieben, einer Pflanzengesellschaft zugeordnet und in Karten festgehalten (Karte der Aktuellen Vegetation Südtirols) und die Waldtypisierung Südtirols liefert ebenfalls Informationen zu den Auwäldern Südtirols und auch waldbauliche Empfehlungen.
Die Schwarzerlenauwälder mit der Leitart Schwarzerle gliedern sich ensprechend unterschiedlicher Umweltbingungen in Schwarzerlenauwälder und Schwarzerlenbruchwälder, zu diesen Wäldern mehr auf (http://biodiversitaet.bz.it/2019/11/04/schwarzerlenauwaelder-und-schwarzerlenbrueche/)
Die Schwarzerlenauwälder sind in der Burgstaller Au und großflächiger im Vinschgau (Schludernser Au und Eyerser Au) vorhanden. 39 ha umfasst der Schwarzerlenauwald in der Eyrser Au und 33 ha Grauerlenau sind an der Ahr bei Gais und St. Georgen erhalten. Einst bedeckten diese Wälder die ganzen Talböden- Sie wurden aber in den letzten 200 Jahren systematisch gerodet und zu landwirtschaftlich genutzten Flächen. 1820 gab es im Etschtal noch noch 1332 ha den Talboden und im Jahr 2000 waren es nur mehr 234 ha und diese sind im Oberen Vinschgau erhalten. Im Etschtal zwischen Naturns und Salurn gibt es nur sehr kleine Auwaldreste von einigen Hektar.
Neben den Schwarzerlenauwäldern sind Grauerlenauwälder die häufigsten Auwaldtypen. An der Ahr finden sich große Grauerlenauen, welche jedoch vor allem in der Gatzaue systematisch weggebaggert werden http://biodiversitaet.bz.it/tag/ahrauen/. Auch an anderen Bächen, wie z.B. in Hafling wurde Grauerlenauwald weggebaggert.
Die Silberweidenau ( bei häufigen Überflutungen an flussnahen Streifen) und die Ulmen- Eschen- Hartholzau (höhere Au- seltene Überflutung bzw. nur hoher Grundwasserstand) sind in den Karten der Waldtypisierung in derselben Kategorie eingeschlossen und diese beiden Auwaldtypen sind nicht in großen Flächen ausgebildet. Ulmen- Eschen- Hartholzauen und Silberweidenauen sind in Südtirol extrem selten. Im Unteren Pustertal war ein ausgedehnter Auwald in der Ilstener Au mit vielen Eschen bis 2018 erhalten geblieben. jedoch wurden diese Flächen renaturiert und damit für immer zerstört (http://biodiversitaet.bz.it/tag/ilstener-au/).
Weidenauwälder entwickeln sich auf angeschwemmten Kies- und Schotterbänken. Der Boden der Wälder entwickelt nur langsam eine Humusschicht. In Weidenauen, z.B. Silberweidenauwäldern wird der Wald bei starken Hochwässern immer wieder umgebaut, Boden wird abgetragen oder angelagert. Der Wald ist nicht statisch sondern dynamisch. Grauerlenauwälder hingegen werden nicht so häufig überflutet oder umgebaut, ihre Krautschicht ist sehr üppig mit zahlreichen Pflanzen, die keine Überschwemmungen vertragen.
Lebendige vitale Auen leben von Hochwässern und ihrer Überflutung. Der Transport von Schluff, Sand und Kies ist für die Ausbildung von Auen Vorraussetzung. Hochwässer bilden in Auwäldern Auwaldtümpel und Bäche verlegen auch ihre Läufe immer wieder neu. Auwald kann unterspült werden, Bäume fallen um und der Boden wird dabei abgetragen. Das Bachbett ist der Veränderung unterworfen und auch der Wald kann verändert werden. Starke Hochwasserereignisse können einen Auwald vollkommen umbauen. Leider sind die Fließgewässer ihrer Dynamik weitgehend beraubt worden (Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft siehe oben).
Weidenauwälder, wie z.B. Silberweidenauwälder (z.B. Salicetum albae), Pappelauwälder (Salici- Populetum) oder Lavendelweidengebüsche (Salicetum eleagni) entstehen an Fließgewässern, welche Sand, Kies und Steine transportieren und ablagern. Lavendelweidenauen entstehen auf Schottern der Bäche, Silberweidenauwälder mehr auf Sand und Schluff. Ganz unterschiedliche Auwaldtypen entstehen je nach Höhenlage und Beschaffenheit des Bodens, auch Auen mit Nadelhölzern können entstehen.
Lavendelweidengebüsche (Salicetum eleagni) entlang von Bächen und Lavendelweidenauen sind Auen, die von der Lavendelweide (Salix eleagnos) dominiert werden. Neben dieser Weide kommen noch andere Weidenarten vor (z.B. Salix purpurea, Salix daphnoides) vor.
In der subalpinen Stufe säumen Grünerlengebüsche die Gebirgsbäche. Seltene andere Weidengebüsche sind an Gebirgsbächen in der montanen und subalpinen Stufe ausgebildet (Salicetum waldsteinianae, Salicetum glabrae, Saxifrago- rotundifoliae Salicetum appendiculatae, Salicetum caesio-foedidae).
Auwälder sind Laubwälder. Es gibt aber auch von Hochwässern überflutete und gebildete Nadelwälder, kontinental getönte Kiefernwälder der Kiesbänke gehören zum Verband des Ononido-Pinion, dazu gehören der Wintergrün-Kiefern-Auwald mit Lavendelweide und der Karbonat-Fichten-Trockenauwald mit Lavendelweide (Beschreibung dieser beiden Wälder auf http://biodiversitaet.bz.it/waelder/). Auch solche Auwälder werden nur sehr selten (z.B. bei Extremwetterereignissen) überflutet.
Auch im Zuge der „Revitalisierung von Fluss- und Uferzonen“ und Renaturierungen wurden Teile der Südtiroler Auwälder gerodet, kahlgeschlagen und Durchforstungen durchgeführt. Diese führen zur Degeneration, Artenverarmung, zur Ausbreitung von invasiven Neophyten usw. Mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/revitalisierung-wasserrahmenrichtlinie/
Ufergehölze:
Ufergehölze sind besonders artenreich, als Ökotone verbinden sie die Landlebensräume mit dem Wasserlebensräumen und beherbergen dadurch Arten verschiedener Ökosysteme. Die Ufergehölze bzw. der Auwald entlang der Etsch wurden 2002 bis 2004 mit dem Projekt „Lebensraum Etsch“ untersucht. Dabei wurden insgesamt 1595 Tier- und Pflanzenarten erhoben, darunter z.B. 49 Schmetterlingsarten und 45 Kurzflügelkäferarten der Roten Liste. Insgesamt waren es 249 Arten, welche in der Roten Liste als potentiell gefährdet, gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht aufscheinen. Verschiedene Auwaldtypen wurden nachgewiesen, Grauerlenauwald und Silberweidenauwald.
Im Landschaftsleitbild der Provinz Bozen sind sie ebenfalls erwähnt:
neben den flächig ausgebildeten Waldgesellschaften zählen vor allem Gehölzbestände der Kulturlandschaft bzw. jene mit hohem Altholzanteil zu den bedeutendsten Lebensräumen (Eichen- und Kastanienhaine, Auwälder, Hecken und Waldsäume.
In FFH- Richtlinie sind Ufergehölze erwähnt:“ Die Mitgliedstaaten werden sich dort, wo sie dies im Rahmen ihrer Landnutzungs- und Entwicklungspolitik, insbesondere zur Verbesserung der ökologischen Kohärenz von Natura 2000, für erforderlich halten, bemühen, die Pflege von Landschaftselementen, die von ausschlaggebender Bedeutung für wildlebende Tiere und Pflanzen sind, zu fördern.
Hierbei handelt es sich um Landschaftselemente, die aufgrund ihrer linearen, fortlaufenden Struktur (z. B. Flüsse mit ihren Ufern oder herkömmlichen Feldrainen) oder ihrer Vernetzungsfunktion (z. B. Teiche oder Gehölze) für die Wanderung, die geographische Verbreitung und den genetischen Austausch wildlebender Arten wesentlich sind.“ Ufergehölze vernetzen Lebensräume und sind selbst Lebensraum. Aus Gründen des Hochwasserschutzes, werden aber Rodungen, Kahlschläge und Durchforstungen durchgeführt. Diese führen zum vollkommenen Lebensraumverlust bei der Rodung und zur Degradierung bei Kahlschlägen und Durchforstungen, da es sich um einen vollkommenen Strukturverlust handelt und invasive Neophyten gefördert werden.
Ausbreitung invasiver Neobiota:
„Allein in der Tierwelt der großen Flüsse (Potamon) in Deutschland hat in nur drei Jahrzehnten eine weit größere Umwälzung in der Zusammensetzung der Fauna stattgefunden als in den 10.000 Jahren zuvor seit Ende der Würm- (Weichsel-)Eiszeit. Es ist an der Zeit, sich wissenschaftlich und administrativ dieser Herausforderung zu stellen.“ Bestandsaufnahme und Bewertung von Neozoen in Deutschland
In Gewässern breiten sich invasive Arten aus. Invasive Fisch-, Krebs- und Pflanzenarten sind in den Gewässern und Feuchtgebieten Südtirols vorhanden und viele Ufergehölze an Bächen werden bereits von invasiven Neophyten beherrscht.
(mehr zu invasiven Neobiota (http://biodiversitaet.bz.it/invasive-neobiota/)
Seen, Weiher und Teiche
Bei der Typisierung der Oberflächengewässer (Seen und Flüsse, Beschluss der Landesregierung Nr. 1543 vom 8 Juni 2009) zeigen sich große Defizite in der Bewertung und Erfassung der Wasserkörper in Südtirol, wie sie von der Wasserrahmenrichtlinie der EU vorgesehen sind, sehr deutlich bei den Seen: es wurden nur 8 Seen bewertet und der im Foto abgebildete Montiggler See ist nur einer der vielen Seen, die nicht aufgelistet und charakterisiert wurden.
Es gibt viele verschiedene Arten von stehenden Gewässern: Tümpel sind kleine stehende Gewässer, welche austrocknen können. Solche Gewässer werden temporäre Gewässer genannt. Diese kleinen Gewässer können Lebensraum für seltene Unken und andere Amphibien sein.
Gewässer, die niemals austrocknen sind Seen, Weiher und Teiche. Teiche sind künstlich angelegte stehende Gewässer (Fischteiche, Gartenteiche, Löschteiche usw) und Weiher sind natürliche Gewässer. Weiher und Teiche sind meist weniger als 2 m tief und Licht kann bis zum Gewässergrund vordringen. Dadurch sind sie von starken Pflanzenwachstum (höhere Pflanzen, Algen, Phytoplankton) und Zooplankton gekennzeichnet. Seen weisen eine Tiefenzone auf, sind also tiefer als 2 m und größer als Teiche und Weiher.
Ein See kann limnologisch gegliedert werden:
- Freiwasserzone (Pelegial)
- Grenzzone zwischen Wasser und Luft (Pleustal)
- Bodenzone (Benthal)
Die Bodenzone (Benthal) wird untergliedert in pflanzenbewachsene Uferzone (Litoral) und pflanzenfreier Tiefenzone (Profundal).
Das Litoral weist höchst unterschiedliche Lebensräume auf:
- Röhrichtgürtel oder Seggenriede (Schilfröhrichte, Rohrkolbenröhricht usw)
- Schwimmblattgürtel (gefährdete Pflanzenarten – siehe oben)
- Gürtel der untergetauchten Wasserpflanzen (gefährdete Pflanzenarten – siehe oben)
Die Weisse Seerose ist eine charakteristische Art der im Boden wurzelnden Schwimmpflanzenbestände aus dem Verband Nymphaeion albae. Diese Pfanzengesellschaften sind nicht sehr artenreich, beherbergen jedoch zahlreiche gefährdete Rote Liste Arten: Weisse Seerose (Nynphaea alba) NT, Gelbe Teichrose (Nuphar lutea) EN, Schwimmendes Laichkraut (Potamogeton natans (NT), Myriophyllum verticilliatum (Quirl- Tausendblatt) VU, Glanz- Laichkraut (Potamogeton lucens) EN.
Schwimmpflanzenbestände mit Seerosen sind auch in geschützten Natura 2000 Gebieten verschwunden: im Völser Weiher und in Falschauerbiotop gab es Seerosen. Im Kalterer See ist es fraglich, ob es die gelbe Teichrose noch gibt. Seerosen und andere Wasserpflanzen werden auch von invasiven Fischen (z.B. Graskarpfen) aufgefressen. Graskarpfen gibt es im Kalterer See, im Völser Weiher, in den Montiggler Seen usw. Graskarpfen fressen Pflanzen und können einen Teich mit Seerosen auch leer fressen, sodas es keine Seerosen mehr gibt. Durch Fehlbesatz mit Fischen werden Ökosysteme degradiert und Arten sterben aus (mehr zu Fischen siehe http://biodiversitaet.bz.it/2017/11/29/fische/).
Der Völser Weiher ist im Managementplan als Natura 2000 Lebensraum „Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamions oder Hydrocharitions“ (Code 3150) ausgewiesen. Der Erhaltungszustand ist mittel/schlecht. “ Problematisch ist die Situation an den Weihern und in den Sumpfflächen, welche 10,6 ha oder 5% der Fläche einnehmen. Diese Lebensräume müssen durch geeignete Maßnahmen in ihrem Zustand verbessert werden und einige verbessernde Maßnahmen wurden gesetzt.
Südtirol besitzt nicht viele natürliche Seen. Es gibt einige große Stauseen an welchen aber Lebensräume wie Röhrichte, Schwimmblattgesellschaften oder untergetauchte Wasserpflanzengesellschaften fehlen, da die Stauseen auch entleert werden und der Wasserspiegel stark schwankt.
Libellen
An Seen, Weihern und Teichen können Verlandungszonen mit einer reichhaltigen Flora und Fauna vorhanden sein.
Gerade die Verlandungszonen sind für zahlreiche Tiere ein idealer Lebensraum. Libellen, Molche, Wasserkäfer, Wasserläufer, Frösche und Kröten finden dort einen Lebensraum und Fortpflanzungsstätten. Stehende Gewässer bieten Fröschen und Kröten geeignete Laichgewässer, mehr zu Frösche und Kröten http://biodiversitaet.bz.it/tag/froesche/
Größere natürliche nährstoffreiche (eutrophe) Seen sind in Südtirol der Haidersee und der Kalterersee, welche als Lebensraum für seltene Vogelarten, wie Rohrsänger, Taucher, Rallen usw. von Bedeutung sind. Ausgedehnte Ufer mit Schilfröhricht bietet vielen Vogelarten Lebensraum. Der Kalterer See ist ein Natura 2000 Gebiet, ein Schutzgebiet von gemeinschaflichen Interesse. Im Süden des Sees ist ein großes Röhricht und Auwald ausgebildet, der Kalterer See wurde 2009 bewertet: der ökologische Zustand ist offiziell gut. Ebenfalls bewertet wurde der Haidersee, der Karersee, der Antholzer See und der Pragser Wildsee. Alle anderen stehenden Gewässer wurden 2009 nicht nach der Wasserrahmenrichtlinie bewertet.
Der Fennberger See ist ein mesotropher See, dessen Ufer zoniert sind. Ein Gürtel aus Schwimmblattpflanzen (Nuphar lutea und Nymphaea alba) bedeckt die Wasseroberfläche und in der Flachwasserzone ist ein Teichbinsen-Schilfröhricht (Scirpo-Phragmitetum ) ausgebildet, das in ein Großseggenried (Caricetum elatae) übergeht. Die Flora des Fennberger Sees wurde von Josef Kiem 2002 beschrieben, welcher auf die starke Störung des Westufers durch Fischer hinweist. Für den Fennberger See wird folgende Gefährdung angegeben: „Der rege Badebetrieb im Sommer und der Nährstoffeintrag der umliegenden Wiesen fördern die Eutrophierung des Sees. Durch den Badebetrieb kommt es auch zu einer Aufwirbelung des Faulschlamms aus dem Seeboden und dadurch zu einer Nährstofffreisetzung und Trübung des Wassers.“
Der Pragser Wildsee ist ein oligotropher See, ein nährstoffarmer See. Armleuchteralgen kennzeichnen diesen oligotrophen See.
Belastungen der Gewässer
Die Eutrophierung (Überdüngung) von Feuchtgebieten gefährdet Arten und Lebensräume der Gewässer, denn viele Arten sind auf nährstoffarme Verhältnisse angewiesen. Die Eutrophierung von Gewässern gefährdet auch die Trinkwasserversorgung (Trinkwasser ist oligotroph). Einträge von Nährstoffen aus dem Umland oder in Badegewässern auch durch Badegäste selbst reichern stehende Gewässer mit Nährstoffen an. Die Eutrophierung führt zu Algenblüten von Grünalgen oder auch toxischen Blaualgen. Veralgte Gewässer können kippen und Fischsterben die Folge sein.
Da Seen auch Erholungsfunktion haben, werden sie von vielen Menschen in der Freizeit besucht. Dies wirkt sich negativ auf die Vogelwelt aus, da Wildvögel Ruhe brauchen und Störungen sowohl auf die Nahrungssuche als auch die Fortpflanzung negative Auswirkungen haben.
Der Veränderung von Gewässern durch den Besatz mit Fischen wird ebenfalls wenig Beachtung geschenkt. So ist das Biotop „Schwarze Lacke“ am Vigiljoch durch den Fischbesatz mit Nährstoffen angereichert worden und der Alpenmolch durch Fischbesatz ausgestorben. Auch der Fischbesatz von natürlich fischfreien Hochgebirgsseen kann zum Verlust von Arten (Maktrozoobenthos Arten) führen und wiederspricht EU Richtlinien http://biodiversitaet.bz.it/tag/seesaibling/.
Moorgewässer
Moore sind Lebensräume von spezialisierten Arten, die auf diese Lebensräume angewiesen sind. Neben vielen Pflanzenarten sind zahlreiche Libellenarten auf Moorgewässer angewiesen. Kleine Tümpel in Moorsenken oder größere Weiher oder Seen sind Gewässer, in denen sich die Larven der Libellen entwickeln. Zu den Arten der Moore gehören: Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia), Große Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis), Gefleckte Smaragdlibelle (Somatochlora flavomaculata), Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea), Schwarze Heidelibelle (Sympetrum danae). Daneben können in den fischfreien natürlichen Moorgewässern auch Teichmolche und Frösche leben und sich fortpflanzen.
Moorseen haben eine dunkelbraune bis schwarze Wasserfarbe. Diese Gewässereigenschaft beschreibt auch der Name „Schwarze Lacke“. Moorgewässer sind von Natur aus fischfrei. Durch den Besatz mit Fischen ist die „Schwarze Lacke“ verändert worden und das Jahrtausende alte Gewässer ist nicht mehr natürlich nährstoffarm, sondern heute nährstoffreicher. Fische fressen auch den Laich oder die Jungtiere von Molchen und Fröschen. In einem Buch über das Vigiljoch wird auf das Verschwinden der Bergmolche in der Schwarzen Lacke hingewiesen.