(Titelbild: naturnaher subalpiner Zirbenwald- der Winter dauert in dieser Höhenstufe viele Monate)
Gebirge weisen verschiedene Höhenstufen auf und die obersten Stufen in den Alpen sind die nivale, alpine und subalpine Stufe. Die alpinen und subalpinen Landschaften Südtirols sind teilweise natürlich und die Arten dieser Stufe stehen wie keine andere für die Natur und Biodiversität der Alpen. Steinbock, Murmeltier und Alpenrose sind charakteristische Arten dieser Lebensräume und Naturräume.
Der alpine Raum ist auch Natur und Wildnis, doch ist diese Natur gefährdet, durch die Intensivierung der Landwirtschaft (z.B. Überweidung), den Massentourismus und den Klimawandel.
Einige Zahlen:
- 39% der Landesfläche Südtirols liegen über 2000m
- 34% der Landesfläche sind Almen, Fläche von 109.823 ha
- 14% der Landesfläche sind reine Weideflächen (u.a. Borstgrasrasen), Fläche von 69.823 ha
Die subalpine Stufe umfasst die subalpinen Wälder und Gebüsche und landwirschaftlich genutzte Almen. Die alpine Stufe umfasst die gehölzfreien alpinen Matten und mit spärlich Vegetation bedeckte alpine Fels- und Schuttgesellschaften auf Kalk oder Silikat. Die nivale Stufe umfasst die Stufe der Gletscher, mit Permafrostböden und ebenfalls Blockhalden, Schutthängen, Felsen usw.
Charakteristische Gehölze der subalpinen Wälder und Gebüsche sind die Latsche (Pinus mugo), Alpenrosen (Rhododendron sp.), die Grünerle (Alnus viridis), die Zirbe (Pinus cembra) und die Lärche (Larix decidua). Die Fichte dominiert subalpine Fichtenwälder und lebt mit subalpinen Arten wie Alpenrosen vergesellschaftet. Die Fichten der subalpinen Stufe unterscheiden sich von den Fichten der montanen Stufe häufig in der Wuchsform. 25 % der Waldfläche Südtirols (subalpine Fichten- Lärchen- und Zirbenwälder) wächst über 2000 m Höhe. Die natürliche Waldverjüngung in den subalpinen Waldtypen wird häufig durch Verbiss von Weide- und Schalenwild beeinträchtigt. Es gibt auch Waldtypen, in denen es keine natürliche Verjüngung mehr gibt (Waldtypisierung Südtirol). Diese Wälder sind meist Schutzwälder und weniger Wirtschaftsforste. Schützwälder schützen vor Naturgefahren wie Lawinen, Erdrutschen, Steinschlägen usw.
Latschengebüsche sind ein Lebensraum, welcher durch die FFH- Richtlinie geschützt ist (Kode 4070). Die Latschengebüsche in Südtirol sind meist sehr gut erhalten, da keine Nutzung erfolgt. Auch unzugänliche oder schwer erreichbare subalpine Zirbenwälder, in denen keine forstwirtschaftliche Nutzung erfolgt, sind durchwegs sehr gut erhalten. In subalpinen Fichtenwäldern fehlt oft ein notwendiger Alt- und Totholzbestand, sodass diese den sehr guten Zustand nicht erreichen.
Durch die Anlage von Almen wurde die Waldgrenze in vielen Gebieten um ca. 200 bis 300 m nach unten verschoben. Verheerende Lawinenkatastrophen im 20. Jahrhundert brachten lokal auch ein Umbenken und Almflächen wurden aufgelassen und mit Bäumen aufgeforstet. Ganze Berghänge wurden und werden jedoch auch mit Lawinenverbauungen verunstaltet.
Almen
Für einige Monate im Sommer, ab Mitte Juni bis Anfang September, werden Tausende Schafe, Kühe, Ziegen und Pferde auf die Berge hinaufgefahren und dort weiden diese Haustiere auf subalpinen und auch alpinen, natürlich waldfreien Flächen. In Südtirol werden selten Milchkühe und fast ausschließlich Jungrinder (Galtvieh) aufgetrieben, da die Milchkühe in den technisch gut ausgerüsteten Ställen zur Milchproduktion genutzt werden.
Im Sommer 2019 wurden insgesamt 86.477 Nutztiere auf Almen
in Südtirol gebracht, davon
• 44.777 Rinder
• 27.455 Schafe
• 12.379 Ziegen
• 1.498 Pferde
• 155 Esel / Mulis
• 79 Lamas
• 134 Schweine
Zum Vergleich: es gibt nur ca. 2000 Steinböcke in Südtirols Bergwelt und von den Murmeltiere, welche in hohen Dichten in Gebieten vorkommen können gibt es in Südtirol nur 57.000 oder auch nur 5.500 Schneehühner. In Südtirols Bergwelt sind Wildtiere daher viel seltener zu sehen als Weidetiere im Sommer.
Nicht alle Weidetiere überleben den Almsommer. Im alpinen und subalpinen Bereich kommt es oft zu heftigen Gewittern mit Blitzen und Weidetiere können etwa von Blitzen getroffen werden oder auch bestimmten Situationen in Panik geraten und einfach irgendwo abstürzen. Almabtriebe werden aus dem einfachen Grund gefeiert, weil es eben nicht selbstvertständlich ist, dass alle Tiere wieder lebendig herunterkommen.
Die Almweiden werden häufig vom Borstgras dominiert. Bortstgrasrasen sind charakteristisch für Almen, welche extensiv genutzt werden. Das Borstgras ist ein Gras, welches von Weidetieren nicht bevorzugt gefressen wird. Durch das selektive Auswählen der Weidetiere von nahrhaften Kräutern wird das Borstgras gefördert. Borstgrasrasen sind häufig artenarm, jedoch gibt es auch artenreiche Borstgrasrasen, welche auch ein FFH- Lebensraumtyp sind (Code 6230). Der Erhaltungszustand artenreicher Borstgrasrasen in Italien ist schlecht (Nationale Angaben für den Berichtszeitraum 2007–2012 entsprechend Artikel 17 der FFH-Richtlinie). Arten wie Arnika (Arnika montana- Bild 1 unten), Halbkugelige Teufelskralle (Phyteuma hemisphaericum- Bild 2 unten) oder Bärtige Glockenblume (Campanula barbata- Bild 3 unten) kommen in Borstgrasrasen vor.
Almweiden und Mähwiesen auf Almen werden landwirtschaftlich genutzt, mit Weidetieren im Sommer beweidet oder gemäht. Die traditionelle Hochlagen-Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch massiv gewandelt und vor allem hat die Biodiversität abgenommen, Arten verschwanden aus den Mähwiesen und wertvolle Lebensräume wie Moore wurden zerstört (z.B. Villanderer Alm).
Der Verlust der Artenvielfalt durch Intensivierung der Landwirtschaft ist auf Almen Südtirols unübersehbar, z.B. auf der Seiser Alm. Die heutigen Mähwiesen der Seiser Alm sind nicht mehr von Alpenblumen übersäte, bunte Blumenwiesen, sondern häufig gewöhnliche Fettwiesen. „Auf der Seiseralm in Südtirol lag die Diversität von ungedüngten Mähweiden bei mehr als 40 Pflanzenarten, in gedüngten bei weniger als 15. Attraktive Arten wie Enzian oder Orchideen waren auf gedüngten Flächen nicht mehr vorhanden. Insgesamt verlor die Seiseralm seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ca. 6.000.000 Enziane durch Düngung (GRABHERR et al. 1985).“ Georg Grabherr, im Artikel Biodiversitätsverlust durch moderne Hochlagen-Landwirtschaft.
„Starker Weidedruck dürfte mit eine Ursache für die geringen Bienendichten in den alpinen Lagen am Plateu sein,“ wurde auch in den Dolomiten bei Untersuchungen zum Habiat Schlern (inklusive Seiser Alm) festgestellt. Extensiv genutzte Wiesen und Weiden waren dagegen artenreich.
Überweidung führt etwa in Niedermooren, Feuchtwiesen und generell auf wechselfeuchten Flächen in der subalpinen Stufe zur Ausbreitung der Rasenschmiele (Daeschampsia caespitosa). Das Gras wird von Weidetieren sehr ungern gefressen und ist eine „Problempfanze“ für die Almwirtschaftaft.
Auf Feuchtwiesen und Niedermooren dringt auf Almen auch häufiger die Rossminze ein, welche ebenfalls von den Weidetieren nicht gefressen wird und die Almen verlieren als Weide an Wert. Wo vorher zu viele Kühe weideten finden nachher die Weidetiere kein Futter mehr.
Überweidung kann zur vollkommenen Degradierung einer Almweide als Weide führen, wenn etwa Alpenampfer (Rumex alpinus) und andere Stickstoffzeiger eine Almweide einnehmen. Der Alpenampfer ist eine Art, die früher recht selten war und als Arzneipflanze begehrt war. Sie wuchs meist in der Nähe von Ställen, da dort viel Kuhmist anfiel. Diese Fluren werden als Lägerfluren bezeichnet (https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/laegerflur/4518). Durch die Überweidung, also zu viele Kühe auf einer Almweide, nimmt der Alpenampfer und auch die Brennessel riesige Flächen ein, wie etwa in den Bildern unten am Almenwanderweg in Proveis. Lägerfluren sind artenarm, reine Alpenampferfluren können auch Reinbestände sein und aus nur einer Art bestehen.
Bergmähwiesen (Kode 6520) sind ein geschützter Lebensraum entsprechend der FFH- Richtlinie. In Südtirol sind diese Wiesen nur innerhalb von ausgewiesenen Natura 2000 geschützt. Weder Bergmähwiesen noch magere artenreiche Flachlandwiesen unterliegen in Südtirol einem Schutz durch das Naturschutzgesetz.
Bergmähwiesen können in Südtirol noch als artenreiche Lebensräume gefunden werden. Sie können sehr artenreich sein, auch über 60 Arten und die bunte Blumenpracht der Wiesen sticht dem Wanderer in die Augen. Setene und geschützte Arten, von Paradieslilien bis Feuerlilien, vielen Orchideen- bis Korbblütlerarten, wachsen in solchen Wiesen. Heute sind artenreiche Bergmähwiesen jedoch nur noch sehr selten zu finden.
Durch die Erschließung der Almen mit Zufahrten werden ehemals ungedüngte Almwiesen heute auch mit Mist oder sagar Gülle gedüngt und die Nutzung intensiviert. Auf vielen gemähten Almen, etwa auch der Vöraner Alm, werden riesige Mengen an Heu produziert und die Blütenpflanzenvielfalt in den Mähwiesen ist gering. Die charakteristischen Pflanzenarten der subalpinen Stufe gingen verloren und machten Allerweltsarten Platz.
Die Intensivierung der Almbeweidung (Überweidung) kann zur Überdüngung führen, wodurch sich stickstoffliebende Almunkräuter durchsetzten, welche von Weidetieren nicht gefressen werden. Gräser und Kräuter verschwinden und Ampfer und Brennessel dominieren Almflächen. Solche Almweiden sind auch als Weiden für Almtiere nicht mehr brauchbar und wurden nicht nachhaltig bewirtschaftet.
Feuchtlebensräume, wie Niedermoore oder Quellfluren, leiden sehr unter Viehtritt und diese eigentlich geschützten Lebensräume werden durch Viehtritt auch zerstört.
Selten findet man noch in Südtirol Almen mit vielen Orchiedeen. Alle Orchideenarten sind in Südtirol geschützt. Mit Beweidung würden solche Feuchtwiesen mit Orchideen zerstört. Die Bewirtschaftungsänderung, von Mähen zu Beweiden oder die Bewirtschaftungsintensivierung, also Dünung und häufigere Mahd, führen zum Verschwinden der Artenvielfalt, Degradierung des Lebensraum bis hin zum Vollkommenen Verlust des Lebensraums.
Das Gewicht der Kühe und Schafe hat in den vergangenen Jahrzehnten immer zugenommen und auf vielen Almen weiden zu viele Tiere. Zu schwere Weidetiere verursachen auf feuchten und nassen Böden Trittschäden. Seltene und auch geschützte Lebensräume, wie Moore, Quellfluren und Feuchtwiesen werden durch Viehtritt beeinträchtigt und auch zerstört. Die Trittgänge der Kühe haben die natürliche Bodenoberfläche verändert und der Boden wird destabilisiert. Ganze Hänge können abrutschen und Almweiden gehen dabei verloren. Dies ist ein Beispiel einer nicht- nachhaltig betriebenen Landwirtschaft.
„Initativen wie beispielsweise die „Wiesenmeisterschaft“ und der „Tag der Artenvielfalt“ können nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Südtiroler Almwiesen mit Nährstoffen völlig überlastet und dadurch sehr artenarm sind. Hinzu kommen Erosionsschäden durch nicht nachhatlige Grünlandnutzung.“
Stefan Zerbe, Professor für Ökosystemrenaturierung und Landschaftsökologie an der Universität Bozen, ff No. 34.2020
Die Nutzungsintensivierung und auch die Nutzungsaufgabe haben zum Verlust von artenreichen Mähdern und Weiden geführt. Almen wuchsen in Südtirol auch zu und sind verfallen. Die wenigsten Almhütten werden heute in Südtirol noch genutzt wie früher, Heustädel wurden überflüssig und viele Wohnhütten für Hirten sind seit Jahrzehnten unbewohnt. Aufgelassene und verfallene Almhütten haben ihren eigenen Charm und auf Dächern oder durch den Boden der Hütten, welche aus natürlichen Materialien (Holz und Stein) gebaut wurden, wachsen Bäume. Eine Almhütte renaturiert sich so von selbst mit der Zeit.
Die EU gewährt Beiträge und subventioniert die Landwirtschaft. Die Tageszeitung berichtet (https://www.tageszeitung.it/2018/08/20/diese-schweinerei-muss-beendet-werden/), dass in Südtirol 23 Almen mit insgesamt 3.300 Hektar Fläche an Nicht-Provinzansässige – zumeist norditalienische Milchviehbetriebe – verpachtet wurden. Drei Jahren zuvor waren es erst 1.150 Hektar. Die Pächter brauchen die Fläche nur auf dem Papier, um hohe EU-Beiträge zu kassieren welche flächenbezogen sind. Die Prämien belaufen sich auf 250 bis über 1.000 Euro pro Hektar.
Gregor Klaus und Daniela Pauli, Geschäftsleiterin Forum Biodiversität Schweiz zum wachsenden Druck auf den Biodiversitätshotspot Alpen:
„Wachsender Druck: Lange Zeit war der Druck auf die Lebensräume in den Alpen im Vergleich zum dicht besiedelten und intensiv genutzten Mittelland weniger stark. Der Anteil gefährdeter Arten auf der Roten Liste ist deshalb in sämtlichen Regionen der Alpen kleiner als im Mittelland. Doch die Nutzungsintensität steigt. So haben Walter et al. (2012) festgestellt, dass der Anteil der Fläche mit ökologischer Qualität nur in den steileren und abgelegeneren Bergzonen III und IV sowie im Sömmerungsgebiet dem Soll-Anteil entspricht, der nötig wäre, um die Biodiversität zu erhalten. In den günstiger gelegenen Bergzonen I und II hingegen ist der Anteil an Flächen mit ökologischer Qualität viel zu gering: In der Bergzone I müsste er verdreifacht, in der Bergzone II verdoppelt werden. Die einst positive Situation für die Biodiversität in den Alpen verändert sich.“
In der scheinbaren Natur und Idylle des Hochgebirges ist die Biodiversität in Gefahr, wie etwa durch Überweidung.
Der Artenreichtum des Hochgebirges mit bunten Blumenwiesen, wie im Bild oben mit Küchenschelle, Arnika, Klappertopf, Türkenbundlilie und den vielen anderen Gräsern und Kräutern zeugen vom Wert dieser Flächen für den Erhalt der Artenvielfalt.
Die Biodiversität der Alpen ist herausragend, das subalpine und alpine Gelände beherbergt Tier- und Pflanzenarten, die dort ihren Verbreitungschwerpunkt haben oder nur dort vorkommen (z.B. Endemiten der Dolomiten wie Schopfige Teufelskralle). Die Tierwelt der Alpen, vom Alpensalamander bis zum Murmeltier, dem Steinadler bis zu den Gämsen, machen die Alpen unverkennbar und zu einem herausragenden Naturraum.
Ist die subalpine Stufe und ihre Tier- und Pflanzenwelt weitgehend natürlich, so trifft dies weniger für die Fische der Gewässer zu. Stehende Gewässer in subalpinen Lagen Südtirols beherbergen keine ursprünglichen und natürlichen Seesaiblingpopulationen (mehr zu Seesaibling http://biodiversitaet.bz.it/tag/seesaibling/). Infolge von Besatzmaßnahmen durch Hobbyfischer (Regenbogenforelle, Bachforelle, Bachsaibling, Seesaibling) schwimmen in Hochgebirgsseen viele Fischarten. In den bekannten Spronser Seen schwimmen Neozoen, Fische aus Amerika (Regenbogenforelle und Bachsaibling). Die Bäche, die oberhalb der Waldgrenze in den Alpen fließen und von Gletscherwasser gespeist werden (Kryal) sind extreme Lebensräume, mit einer Durchschnittstemperatur um die 0 °C., sehr bewegt, mit Änderungen der Wasserführung innerhalb eines Tages und im Winter gefroren. Hier können nur wenige Spezialisten (stenotherme Insekten) überleben, wie Zuckmückenarten.
Die fließenden Gewässer der subalpinen und alpinen Stufe sind damit meist fischfrei. Bachforellen, welche nicht zu den heimischen Fischarten in Südtirol gerechnet werden können, finden sich durch Besatz in einigen Fließgewässern (siehe http://biodiversitaet.bz.it/2017/11/29/fische/ ).
Die Gewässer der subalpinen Stufe und alpinen Stufe sind naturgemäß nährstoffarm/ dystrohph. Einige Fließgewässer sind natürlich und Bergseen sind meist klare saubere Gewässer. Wertvolle Feuchtgebiete, wie Niedermoore und Quellfluren, bedecken die nassen Standorte.
Das Wasser der Quellen und Gletscher der Alpen ist für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung der Alpen und weit darüber hinaus von großer Wichtigkeit. Diese Wasserversorgung ist eine Ökosystemleistung.
Der Schutz der Biodiversität in der alpinen Landschaft ist durch großflächige Natura 2000 Gebiete, die Alpenkonvention, die Biodiversitätskonvention, durch das Weltnaturerbe Dolomiten usw. geregelt.
Viele Natura 2000 Gebiete bzw. Naturparks in Südtirol umfassen die höheren Lagen, alpine und subalpine Flächen. Für diese großen Schutzgebiete gibt es verbindliche Managementpläne.
Der Nutzungsdruck durch die Erschließung mit touristischen Einrichtungen (z.B. Wintersport) ist jedoch enorm und subalpine Wälder fallen Skipisten und auch Wasserspeicherbecken zum Opfer.
Negativ auf die Artenvielfalt und das Ökosystem wirkt sich der Wintersport aus, welcher seit 1960 Naturlandschaften bzw. naturnahe Kulturlandschaften verändert hat.
Der Skipistenbau und die damit verbundenen Baggerarbeiten und Planierungen führt häufig zu folgenden negativen Auswirkungen:
- Zerstörung von Feuchtgebieten (z.B. Mooren)
- Zerstörung von subalpinen naturnahen Wäldern
- Zerschneidung von Lebensräumen der alpinen Fauna
- Störung der Wildtiere im Umland
- Erosion von Böden
- Veränderung des Wasserhaushaltes
Neben der direkten Zerstörung von Waldlebensräumen kommt es zur Störung von Wildtieren in höheren Lagen durch Wanderer, Tourengeher, Bergsteiger, Paragleiter, Jäger usw. Gerade in Wintermonaten sind Störungen für Wildtiere im alpinen Bereich lebensbedrohlich, da das Futter im Winter knapp ist und die durch Störung ausgelöste Flucht den Wildtieren viel Energie kostet.
Die Fähigkeit der Natur sich zu regenerieren, ist im alpinen Bereich aber gegeben. Die Vegetationsstufen verschieben sich nach oben. Inwieweit die Arten dieser „Wanderung nach Oben“ folgen können, wird die Zukunft zeigen.
Die alpine Stufe beginnt oberhalb der Baumgrenze. Alpine Rasen, die den Boden noch weitgehend geschlossen bedecken, sind Lebensraum für Schneehasen, Murmeltiere, Steinböcke, Gämsen, Schneehühner, den lebendgebärenden Alpensalamander, Alpenhummeln usw. Durch die Jagd kommen in Südtirol Schneehasen und Schneehühner alljährlich um (im Jahr 2016 gab es 337 tote Schneehasen zu beklagen und 205 tote Schneehühner).
Auch Steinhühner werden geschossen. Die Steinhühner leben im Hochgebirge meist auf sonnenseitigen Hängen auf denen der Schnee früh schmilzt. Das Steinhuhn war bis etwa 1910 dar am häufigsten vorkommende Hühnervogel in den Alpen (ausgenommen Haushühner). Es ist eine Art in schlechtem Erhaltungszustand (SPEC 2 Art: http://www.lipu.it/index.php?option=com_k2&view=item&layout=item&id=44&Itemid=196) und ist durch die Jagd gefährdet.
Obwohl in ganz Italien die Jagd auf Murmeltieren verboten ist, werden in Südtirol Murmeltiere geschossen, da es „gefährliche“ Murmeltiere geben soll. Ein Film geht der Frage nach, warum tausende Murmeltiere in Südtirol sterben müssen (https://www.youtube.com/watch?v=OZtG0epPKOQ). Murmeltiere sind die bevorzugte Nahrung des Steinadlers, dem Wappentier des Nationalparks Stilfser Joch und des Landes Südtirol. Steinadler gibt es jedoch relativ selten etwa im Nationalpark Stilfser Joch. Zählungen in den Jahren 2003 bis 2005 (Der Steinadler in den Ostalpen, N. Winding und R. Lindner) ergaben nur 8 Brutpaare im Nationalpark Stilfser Joch und für den Nationalpark Hohe Tauern in Österreich hingegen 42 bis 43 Paare. Die lückige Verbreitung und das geringe Murmeltiervorkommen in Südtirol dürften die Ursache für die geringe Anzahl an Steinadlern sein, die Hauptnahrung des Steinadlers sind nämlich Murmeltiere. Manchmal werden Steinadler in Südtirol auch gewildert (https://www.suedtirolnews.it/chronik/gais-steinadler-im-horst-abgeschossen).
Nach ihrer Ausrottung sind Bartgeier nach Südtirol zurückgekehrt und 2015 glückte die erste Naturbrut eines Bartgeiers in Südtirol seit circa 100 Jahren in Hintermartell. Zwischen 2015 und 2018 schlüpften fünf Junggeier in Südtirol. (mehr zu Vögeln http://biodiversitaet.bz.it/2018/07/14/voegel/)
Die Rasen der alpinen Stufe werden in verschiedene Rasengesellschaften eingeteilt und sind in den Kalkalpen und den Zentralalpen unterschiedlich zusammengesetzt:
Kalkalpen: Rostseggenrasen (Caricetum ferrugineae), auf tiefgründigen Böden, Blaugras-Horstseggen-Rasen (Seslerio-Caricetum sempervirentis) auf flachgründigeren Böden, auf Felsen das Caricetum firmae. Besonders die auf Kalkböden ausgebildeten Rasen zeichnen sich durch Artenreichtum und Blumenreichtum aus.
Zentralalpen: Krummseggenrasen (Caricetum curvulae) und auf durch Beweidung entstandene Borstgrasrasen (Nardetum).
Lebensräume der alpinen und subalpinen Stufe sind geschützt durch die FFH-Richtlinie: z.B. 81 Geröll und Schutthalden, 8110 Silikatschutthalden der montanen bis nivalen Stufe (Androsacetalia alpinae und Galeopsietalia ladani), 8120 Kalk- und Kalkschieferschutthalden der montanen bis alpinen Stufe (Thlaspietea rotundifolii), 4070 Buschvegetation mit Pinus mugo und Rhododendron hirsutum (Mugo-Rhododendretum hirsuti), 6150 Boreo-alpines Grasland auf Silikatsubstraten, 6170 alpine und subalpine Kalkrasen
In der alpinen Stufe, welche sich von der subalpinen vor allem dadurch unterscheidet, dass holzige Arten wie Bäume und Büsche fehlen, ist von alpinen Matten (Grasland) charakterisiert. Block- und Schutthalden und Felswände wechseln sich mit grünen alpinen Matten ab.
In kalten Mulden, in denen der Schnee lange liegen bleibt, kommt es zur Ausbildung von Schneetälchen und auf dem Wind ausgesetzten Kanten wächst die charakteristische Gamsheide (Loiseloirea procumbens). Schneetälchen mit Weiden wie Krautweiden sind ein Lebensraum, der durch die FFH- Richtlinie geschützt ist (Kode 4080, Subarktisches Weidengebüsch). Auch diese sind leider in Südtirol auch die vielen Weidetiere oft gefährdet (Subarktisches Weidengebüsch)
Kalkfelsen der Alpen sind Lebensraum zahlreicher Endemiten. In den Dolomiten kommt z.B. die Moretti Glockenblume (Campanula morettiana) vor. Der Verband Potentillion caulescentis (Natura 2000 Lebensraum: Natürliche und naturnahe Kalkfelsen und ihre Felsspaltvegetation, Code 8210) umfasst mehrere Pflanzengesellschften. Auf besonnten Felsen, welche häufig reich an Endemiten sind, kommt etwa die Schopfteufelskralle (Physoplexis comosa) vor. Planzenarten der Kalkfelsen sind auch gefährdet, die Moretti Glockenblume ist in Südtirol stark gefährdet.
Auf die alpine Stufe folgt die nivale Stufe mit Gletschern und nur wenigen Arten, wie den Alpenmohn, welche unter diesen Umweltbedingungen überleben können. Gletscher spielen eine wichtige Rolle als Wasserspeicher und versorgen Bäche in heißen und trockenen Sommern mit Wasser. Der Gletscherfloh ist einer der wenigen hoch spezialisierten Überlebenskünstler der Gletscher. Der Klimawandel hat sich im Rückzug und Verschwinden von Gletschern bereits bemerkbar gemacht.
In der alpinen und nivalen Stufe ist die Biodiversität auch durch den Klimawandel in Gefahr. Der Rückgang der Gletscher, das Auftauen der Permafrostböden und die Veränderung der Vegetation im alpinen Bereich sind Veränderungen, welche feststellbar sind. Die Höhenstufen verschieben sich nach oben und für Wildtiere, wie z.B. dem Schneehasen, bedeutet dies dass sich sein Lebensraum verkleinert und fragmentiert. Modellrechnungen (Rehnus M. et al, 2018) ergaben einen Lebensraumverlust von 26% bei einem mittleren und 45% bei einem starken Erwärmungsszenario. Der Lebensraumverlust des Schneehasen durch den Klimawandel ist in den südlichen und nördlichen Voralpen am größten. In den Zentralalpen hingegen ist er geringer, aber auch hier schrumpft die Anzahl geeigneter Gebiete deutlich. Dies trifft so auch auf andere Wildtierarten zu, wie Schneehühner.
Beim Projekt Gloria wurden die Krautweidenflur (Schneetälchen mit der Weidenart Krautweide, Salix herbacea) als Verlierer des Klimawandels identifiziert: Diese, an die extreme Kälte angepasste und nur dort konkurrenzfähige Pflanzengesellschaft, nimmt durch die Klimaerwärmung ab, da gewöhnliche weniger spezialisierte Hochgebirgsarten ihren Standort einnehmen. Auch der pionierhafte Polsterseggenrasen mit Arten der kühlen und offenen Standorte nimmt ab. Felsspaltenarten, zu denen auch viele Endemiten gehören und Weidenarten sind negativ vom Klimawandel betroffen (Salix reticulata, Salix serpyllifolia). Die typische Flora und die charakteristischen Lebensräume des Hochgebirges, welche an die kalten Standorte angewiesen sind, leiden werden durch den Klimawandel abnehmen und im schlimmsten Fall auch aussterben.
Invasive Neobiota spielen in der subalpinen und alpinen Stufe praktisch keine Rolle, abgesehen Fischneozoen, welche in Gewässer eingesetzt wurden und Ökosysteme verändern.
Mehr zum Klimawandel http://biodiversitaet.bz.it/klimawandel/
Mehr zu Wäldern http://biodiversitaet.bz.it/waelder/