Titelbild: Schwarzviolette Akelei (Aquilegia atrata) in einem Kastanienhain
Artenreiche Blumenwiesen, welche im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind, sind in den letzten Jahrzehnten überall in Europa verloren gegangen. Die Nutzung wurde intensiviert und oft wurden Wiesen auch überdüngt und Stickstoffzeiger und Güllezeiger (z.B. Ampfer- Arten, Löwenzahn, Wiesenkerbel usw.) dominieren die Wiesen. Pflanzen sind Bioindikatoren und zeigen auf, wie es um die Umwelt bestellt ist. Zeigerarten zeigen Umweltdingungen auf, etwa Bodenverhältnisse oder Feuchtigkeit und es gibt auch einige Pflanzen, die Schwermetalle im Boden anzeigen (Metallophyten). Stickstoffzeiger zeigen, dass im Boden viel Stickstoff ist und überdüngte Wiesen können so leicht erkannt werden.
Algenblüten in Gewässern sind ein untrügliches Zeichen für die Eutrophierung (Überdüngung) eines Gewässers und Kieselalgenarten werden zur Bestimmung der Wasserqualität in Fließgewässern herangezogen. 641 Kieselalgenarten wurden in Südtirol bisher festgestellt. Während die Artenvielfalt von Algen vor allem Labore beschäftigt, ist die Artenvielfalt an höheren Pflanzen, also den Bäumen in Wäldern, den Wiesenblumen in Wiesen, den Hochgebirgspflanzen usw. für alle Menschen, ein wesentlicher Teil einer intakten Umwelt, in der die Biodiversität und die Schönheit der Natur auch zum menschlichen Wohlergehen wesentlich beitragen. Diese Artenvielfalt gilt es zu erhalten und zu schützen.
Jedoch sind viele Pflanzenarten gefährdet , im Trentino sind 30,6% gefährdet, in der Provinz Belluno 24% und 38,5% bzw. 55,6% in Nord- und Osttirol. 33,4% in Österreich und in der Schweiz sind 45% gefährdet. In Südtirol sind 27% der Pflanzenarten gefährdet.
Die Flora Südtirols umfasst (Katalog der Gefäßpflanzen Südtirols) 2578 Arten und Unterarten. Einheimisch und alteingebürgert sind 2169 Arten, also 84%. Die restlichen Arten und Unterarten sind Neophyten.
Südtirols Medien sind sich über die Anzahl von Neophyten in Südtirol uneins: Die Tageszeitung gab 400 Neophyten an, das Nachrichtenportal Stol.it hingegen 150. Rechnet man 2578 minus 2169, so ergibt dies 409. Entsprechend der Angaben im Katalog der Gefäßpflanzen Südtirols gibt es 409 Neophyten in Südtirol.
(https://www.tageszeitung.it/2018/03/23/400-neophyten-in-suedtirol/
(https://www.stol.it/Artikel/Wirtschaft/Lokal/Neue-Pflanzen-neue-Sorgen)
„Auch andere, bekannte Arten wie die Robinie oder die Eibe zählen zu den Neophyten“, heißt es bei der Informationsveranstaltung der Bauernbundortsgruppe Villanders. Jedoch ist die Eibe kein Neophyt, sondern ein natürlich vorkommender, seltener und schützenswerter Baum in Südtirol (siehe http://biodiversitaet.bz.it/waelder/).
Neophyten sind Pflanzen, welche nach der Entdeckung Amerikas, in Europa neu dazukamen. Darunter sind viele ruderale Arten, wie der Stechapfel. Alle Nachtschattengewächse in Europa sind Neophyten, da es die Familie der Nachtschattengewächse wie auch jene der Kakteen nur in Amerika gibt. In Südtirol kommen auch Kakteen (Opuntia ssp) als Neophyten vor und sind in der Roten Liste als gefährdet angeführt.
Einige wenige Neophytenarten stellen eine große Gefahr für die Artenvielfalt dar. Invasive Neophyten sind für Ökosysteme und für Arten eine der größten Bedrohungen und von Neophyten wie Robinien beherrschte Waldflächen, sind nicht mehr naturnahe Wälder sondern naturfern. Mehr zu den Invasiven Neobiota auf http://biodiversitaet.bz.it/invasive-neobiota/
Bemerkungen finden sich im Katalog der Gefäßpflanzen Südtirols zu offenen taxonomischen Fragen, wobei bei der Scharzpappel (Populus nigra) angegeben wird, es käme im Gebiet die historische Schwarzpappel, Populus nigra ssp. nigra vor. Doch Pappeln bilden häufig Hybride mit gepflanzten Pappeln und auch in Südtirol ist diese Hybridisierung zu beobachten. Die Pappeln, die einst als Populus nigra ssp. nigra in Südtirol beschrieben wurden, gibt es in dieser Form heute nicht mehr und die Schwarzpappel ist global gefährdet. Die Weltnaturschutzorganisation (IUCN) schreibt zur Schwarzpappel: in Europe the species is becoming increasingly threatened by human activity and genetic introgression with cultivar hybrids. The full scale of the decline and the impact of this threat throughout the species range is unknown…In Europe a decline in population size has been reported; mostly due to habitat conversion and habitat loss. In parts of western Europe the P. nigra is considered close to extinction (de Rigo et al. 2016).
Von den 2361 untersuchten Gefäßpflanzenarten und Unterarten in Südtirol sind rund ein Viertel gefährdet und scheinen in der Roten Liste auf.
Unter den gefährdeten Arten überwiegen jene von Feuchtlebensräumen, gefolgt von Arten der Trockenrasen und der ruderalen Lebensräume (z.B. Ackerunkräuter). Als Hauptursache gilt die Intensivierung der Landwirtschaft.
Gefährdungskategorien Gefäßpflanzen Südtirol:
- 120 (Arten und Unterarten) vom Aussterben bedroht, 4,8%
- 184 stark gefährdet, 7,8%
- 173 gefährdet, 7,8%
- 129 drohende Gefährdung, 5,8%
Einige Pflanzenarten der „Roten Liste der Gefährdeten Gefäßpflanzen Südtirols“ aus dem Jahr 2006:
Bupleurum stellatum (CR): Die einzig bekannte Population befindet sich an einem Touristensteig. Hangsicherungsarbeiten könnten sie ernsthaft gefährden. R: Am Rabbijoch verschwunden, Neufund im Martelltal.
Epilobium fleischeri (NT): Auch wenn die Art in der westlichen Landeshälfte relativ verbreitet ist, wird der Druck auf den Lebensraum durch den Bau von Kleinkraftwerken zunehmend größer.
Geranium palustre (NT): Einst häufig um Sterzing, jetzt dort nur noch sehr spärlich; in Afers verschwunden. V! In Italien lediglich in den Provinzen Bergamo, Turin, Bozen und Udine.
Hieracium antholzense (NE): V!! Endemit Südtirols
Hieracium auranticum (NT): Rückgänge z.B. bei Brixen und auf der Seiser Alm
Myricaria germanica (EN): R: Einst „im Geschiebe der Hauptgewässer und der meisten größeren Nebenbäche“, mittlerweile fehlt die Art in den Haupttälern größtenteils.
Gefährungsursache und Höhenstufen
Die Zahl der gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Pflanzen in der subalpinen und alpinen Stufe ist relativ gering. Im Gegenzug dazu sind vor allem Arten der niederen Stufen gefährdet und ca. ein Viertel der gefährdeten Pflanzen ist in der kollinen Stufe verbreitet. Je unberührter ein Gebiet, desto weniger gefährdete Arten sind zu verzeichnen und die niederen Lagen sind wesentlich stärker vom Menschen verändert als die höheren Lagen.
Was die Lebensräume betrifft, sind die Feuchtlebensräume die Lebensräume, die am meisten gefährtete Arten aufweisen: 33% aller gefährdeten Arten. 43% aller vom Aussterben bedrohten Arten (CR) sind an Feuchtgebiete gebunden und 44% der ausgestorbenen Arten sind Arten der Feuchtgebiete.
Neben den Arten der Feuchtgebiete sind Arten der Trockenrasen am meisten gefährdet. Die Hauptursache für die Gefährdung ist die Intensivierung der Landwirtschaft.
Vieles der Artenvielfalt unserer Zeit ist erst durch die Hand des Menschen, vor allem durch die Landwirtschaft, entstanden.
Einst häufige Ackerunkräuter sind heute vom Aussterben bedroht und viele ruderale und segetale Arten (Ackerbeikräuter) sind in ihrem Bestand gefährdet. Mehr zu ruderalen und segetalen Arten auf http://biodiversitaet.bz.it/2018/12/26/artenvielfalt-im-acker-und-am-wegesrand/
In der Roten Liste von 2006 sind die zahlreichen Neupflanzungen der Deutschen Tameriske nicht enthalten. Die Art wurde auch in tiefen Lagen angepflanzt, obwohl es eine Art der montanen und subalpinen Höhenstufe ist. Die Art hat sich auf den gepflanzten Standorten nur selten etabliert und an der Etsch in Burgstall/Lana (Bild unten) ist sie wieder verschwunden.
Die Deutsche Tamariske ist eine Art, um die sich intensiv gekümmert wird und die überall, wo es nur geht gepflanzt wird. Im Gegenzug dazu fehlen Anpflanzaktionen für fast alle anderen gefährdeten Arten.
Artenvielfalt der Südtiroler Flora:
Südtirols Flora ist artenreich. Die verschiedenen Höhenstufen mit unterschiedlichem Klima bedingen eine hohe Artenvielfalt. Submediterrane Florenelemente finden sich in niederen Lagen neben den borealen und arktischen Florenelementen in den höheren Lagen. Daneben unterscheidet sich auch das Klima in den einzelnen Tälern, der Vinschgau ist Eine Trockeninsel mit kontinental geprägtem Klima und die Flora des Vinschgauer Sonnenberges beherbergt Arten, welche in den weiten Steppen Innerasiens ihre Hauptverbreitung haben (siehe http://biodiversitaet.bz.it/wiesen/trockenrasen/).
Die Artenvielfalt ist auch bedingt, durch die verschiedenen Gesteine. Das Kalkgestein der Südalpen und das Silikatgestein der Zentralalpen weisen teils unterschiedliche Arten (vikariierdende Pflanzenarten) auf. Vikariierdende Arten sind Arten, die nahe miteinander verwandt sind und im gleichen Gebiet, aber an verschiedenen Standorten, vorkommen. Hierzu gehört etwa der Stengellose Enzian (auf Silikat) und der Kalk-Glockenenzian (auf Kalk) oder die Rostrote Alpenrose (auf Silikat) und die Behaarte Alpenrose (auf Kalk). Es gibt Kalk- und Silikatpflanzen.
Stengelloser Enzian (Gentiana acaulis) ist eine Silikatpflanze
Einzigartig ist die Flora und Fauna Südtirols auch deshalb, weil es als Land in den Alpen eine Vielzahl von Endemiten berherbergt. In den Alpen und dem näheren Umkreis gibt es allein ca. 450 endemische Pflanzenarten. Von den ungefähr 5000 Pflanzenarten der Alpen sind etwa 7 bis 8 % Endemiten (subendemisch und endemisch), Arten die es nur hier gibt. Pawlowski (1970) erstellte eine ausführliche Arbeit über endemische Pflanzen in den Alpen. In den Ostalpen gibt es 203 endemische Pflanzenarten und in den Westalpen 165. Panalpisch sind insgesamt 74 Arten endemisch und zentralalpisch 10. Auch Endemiten scheinen in der Roten Liste Südtirols auf und in der Gattung Hieracium (Habichtskräuter) gibt es gleich mehrere Endemiten, die nur in Südtirol wachsen: Hieracium antholzense, Hieracium dunkelii (stark gefährdet) und Hieracium venostorum (gefährdet).
Die Flora in den verschiedenen Waldgesellschaften Südtirols ist sehr unterschiedlich, ein Auwald beherbergt eine völlig andere Flora als ein subalpiner Zirbenwald. Die Laubwälder der planaren, kollinen und montanen Stufe sind im Gegensatz zu vielen Fichtenwäldern von großer naturschützerischer Bedeutung und von Bedeutung für die Biodiversität. Durch die Forstwirtschaft und die Beweidung sind jedoch viele Laubwälder und ihre Flora stark verändert worden (http://biodiversitaet.bz.it/tag/edellaubwald/).
Einige Lebensräume sind artenreich und beherbergen zahlreiche Pflanzenarten. Magerwiesen, Trockenrasen oder „hügelige Wiesen“ wie Buckelwiesen bererbergen zahlreiche Pflanzenarten und weisen hohe Artenzahlen auf (bis zu 70 Pflanzenarten). Intensivere Nutzung, das Planieren (Einebnen) und Meliorieren (z.B. Entwässerung) von Wiesen führt zum Lebensraum- und Artenverlust. (http://biodiversitaet.bz.it/wiesen/wiesen-2/). Die meisten Wiesen der Südtiroler Bergbauern berherbergen heute nur noch um die 20 Arten und Arten der Magerwiesenstandorte, Orchideen und Feuchtwiesenarten sind sehr selten in modernen Wirtschaftswiesen zu finden.
Manche Lebensräume weisen relativ geringe Artenzahlen auf. Ein Schilfröhricht besteht fast nur aus einer Pflanzenart, jedoch erfüllt es wichtige ökologische Funktionen wie die Filterung des Wassers und ist Lebensraum für hochspezialisierte Arten wie dem Teichrohrsänger. Biodiversität bedeutet nicht nur Artenvielfalt sondern bezieht Ökosystemleistungen mit ein. Echte Hotspots der Biodiversität in Europa sind artenreiche Wiesen, Moore oder Auwälder.
Schutthänge, Felsspalten, Blockhalten und Felswände sind Lebensraum zahlreicher angepasster und spezialisierter Arten.
Die Vegetation der Schutt- und Blockhalden des Hochgebirges unterscheidet sich abhängig vom Gestein. Das Alpen- Mannschild ist die namengebende Art des Verbandes Androsacion alpinae und die Kriech- Nelkenwurz oder der Krause- Rollfarn sind Arten, die auf den Schutthängen mit Silikatgestein vorkommen. Auf Kalkschutt, wie in den Dolomiten, kommt z.B. das Rundblättrige Täschelkraut oder die Alpen- Gänsekresse vor. Schuttfluren weisen keine sehr hohen Artenzahlen.
Eine geringere Anzahl an Gefäßpflanzen (Pflanzen ausgenommen Moose, Flechten und Algen) weisen auch Moore auf. Auf dem kargen Boden eines Hochmoores gedeihen nur Spezialisten, wie der fleischfressende Sonnentau oder am Hochmoorrand die Schwarze Krähenbeere. Es gibt verschiedene Arten von Sonnentau, den Langblättrigen Sonnentau, Bastard Sonnentau, Mittleren Sonnentau und Rundblättrigen Sonnentau. Sie gedeihen auf Pulten der Moore mit Torfmoosen (Sphagnum). Der Erhalt der Moore ist Grundvorraussetzung zum Erhalt der Arten der Moore.
Gattung Sonnentau (Drosera) Rote Liste Südtirol:
- Langblättrigen Sonnentau (Drosera anglica) stark gefährdet
- Bastard Sonnentau (Drosera anglica x rotundifolia) stark gefährdet
- Mittlerer Sonnentau (Drosera intermedia) vom Aussterben bedroht
- Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundifolia) drohende Gefährdung
Feuchtgebiete (Auwälder, Moore, Feuchtwiesen, Verlandungszonen der Gewässer usw.) sind gefährdete Lebensräume und Feuchtgebiete beherbergen zahlreiche seltene Arten und Rote Liste Arten.
Nährstoffarme, dystrophe Gewässer beherbergen Pflanzengesellschaften mit Arten, die allesamt gefährdet sind. Naturbelassene und naturnahe Feuchtgebiete und auch Wildnis, findet sich noch manchmal im alpinen Bereich, die Feuchtgebiete umgeben von Wirtschaftswiesen und Obstplantagen sind durch die intensive Nutzung des Umlandes gefährdet, nämlich durch Nährstoff- und Pestzideintrag.
Das alpine Gelände ist artenreich und von der subalpinen Höhenstufe bis zur nivalen Höhenstufe kommen Pflanzenarten vor, die auf die Alpen in Mitteleuropa beschränkt sind.
Geht es um den Erhalt der Artenvielfalt von Pflanzen, so müssen zuallerst die Lebensräume der Arten vor Zerstörung, Verschmutzung usw. geschützt werden. Mehr zu den Lebensräumen:
http://biodiversitaet.bz.it/baeche-und-seen/
http://biodiversitaet.bz.it/wiesen/