(Titelbild: Kein Gras wächst unter dem Apfelbaum: mit Herbiziden wie Glyphosat wird die Vegetation abgetötet)
Als Schadorganismen betrachtete Lebewesen werden in der konventionellen Landwirtschaft seit den 1950er Jahren mit chemisch- synthetischen Pestiziden bekämpft:
- gegen Pflanzen werden Herbizide eingesetzt
- gegen Insekten werden Insektizide eingesetzt
- gegen Pilze werden Fungizide eingesetzt usw.
Der Wortteil „zide“ stammt vom Lateinischen caedere und bedeutet töten. Insektizide wirken sich tödlich auf Insekten aus oder hemmen ihre Entwicklung. Schmetterlinge, Käfer, Libellen, Steinfliegen- viele Insektengruppen sind von Pestiziden betroffen und durch Pestizide sterben Individuen, Populationen und Arten.
Nicht immer wirken Pestizide so, wie sie vom Hersteller beabsichtigt wurden. So hat z.B. ein zugelassenes Fungizid zu Ernteausfällen geführt (https://tirol.orf.at/v2/news/stories/2806559/ ) oder das seit 2006 in der EU zugelassene Chlorpyrifos führte Langzeituntersuchungen zufolge zu Schädigungen im Gehirn von Kindern im Mutterleib. Erst im 2020 wurde Chlorpyrifos von der EU nicht mehr zugelassen (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2020.239.01.0007.01.ENG&toc=OJ%3AL%3A2020%3A239%3ATOC). In Südtirols Obstbau wurde es noch eingesetzt (https://www.tageszeitung.it/2020/02/24/gefaehrliches-mittel/). Erst spät wurde für ein zugelassenes und eingesetzes Mittel die schädigende Wirkung auf die Gesundheit von Menschen festgestellt. Zweifel an den Zulassungsverfahren für Pestizide sind berechtigt.
„Ich zweifle vehement an, dass Pestizide gründlich getestet werden“
Prof. Johann G. Zaller, Boku Wien, Autor des Buches „Unser täglich Gift“
Pestizide stellen für viele Tierarten eine Gefahr dar. Die Population des Wappentiers der USA, des Weisskopfseeadler, nahm primär durch DDT und dessen Metaboliten ab (Liroff, 2000). DDT ist ein Insektizid, das seit den 1970ern in vielen Staaten verboten ist. DDT wirkte sich nicht direkt tödlich auf die Vögel aus, sondern indirekt: die Eischalen wurden dünner. Auch in Europa waren viele Arten davon betroffen und der Wanderfalke starb in einigen Gebieten dadurch aus. Gab es etwa in Deutschland um 1975 nur noch 50 Brutpaare waren es 2006 wieder 950. Durch das Verbot von DDT erholten sich die Art.
Insektizide wie Carbofuran sind extrem giftig für Greifvögel, mit einem Kilogramm dieses Pestizids hätten alle Greifvögel Österreichs getötet werden können (https://www.tieranwalt.at/fxdata/tieranwalt/prod/media/files/6___VT_Richard_Zink_Problemanalyse.pdf).
Das Insektensterben, wie es erstmals in der Studie von Krefeld 2017 in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangte, ist auf Pestizide zurückzuführen. Die Langzeituntersuchung über 27 Jahre ergab, dass die Masse der Insekten um 75% abnahm.
Blüten voller Insekten, wie im Bild unten eine Engelwurz mit unzähligen Insekten, findet man nur weit von pestizidbehandelten Flächen enfernt.
Die seit Jahrzehnten eingesetzten chemisch-synthetischen Pestizide haben zum Verlust von Arten und Degradierung von Lebensräumen geführt und bereits in der Bestandsaufnahme der Käfer Südtirols 1977 durch A. von Peez und M. Kahlen wurden Gebiete aufgezählt, die als gute Fundplätze von Käfern bekannt waren, die aber als Lebensraum für die ursprünglich dort vorkommende Arten nicht mehr in Frage kommen. Dazu zählen auch die Auen im gesamten Etschtal von Schlanders abwärts: „Fast gänzliche Vernichtung der Augebiete durch Anlage von Obstkulturen, die Fauna der wenigen, kleinsten Reste ist durch die Vergiftung der umliegenden Gebiete beeinträchtigt.“
In der Roten Liste der Tierarten Südtirols sind Pestizide eine Gefährdungsursache. Pestizide sind ein Grund, warum Tierarten in ihrem Bestand gefährdet sind und 40% der Tierarten sind durch die Intensivbewirtschaftung (Dünung, Entwässerung, Monokulturen, Pestizide) gefährdet. Gefährdet sind vor allem die Arten der niederen Lagen mit 53% der Arten. In den niederen Lagen Südtirols sind pestizidbehandelte Apfelplantagen auch landschaftsbeherrschend und Monokulturen prägen den Etschtalboden (siehe Monokultur unten).
Insektizide kontaminieren etwa hochwertige artenreiche Schmetterlingslebenräume und Widderchen (Bild oben) sind aus Lebensräumen in Südtirol verschwunden. Durch die Luft gelangen Pestzide aus der Landwirtschaft wie aus Apfelplantagen in Trockenrasen, Wälder, Feuchtgebiete, Hecken usw. und auch in Naturräumen und Natura 2000 Gebieten in Südtirol sind Arten von Schmetterlingen verschwunden, vom Feuchtgebiet Prader Sand bis zu Trockenrasen am Vinschgauer Sonnenberg. Untersuchungen von Schmetterlinglebensräumen im Vinschgau ergaben, dass die Lebensräume in der Nähe der mit Pestiziden behandelten Obstplantagen als Lebensräume für Schmetterlinge degradiert sind, ein extremer Artenverlust an Schmetterlingen wurde dokumentiert (Huemer & Tarmann 2001, Tarmann 2009; Tarmann 2020). Arten sind ausgestorben und auch die Zahl der Individuen und damit die Biomasse nahm ab.
„In Bezug auf die Landlebensräume stellten die „Landwirtschaft“ und die vom Menschen herbeigeführten „Veränderungen der natürlichen Bedingungen“ die größten Probleme für alle drei Gruppen (Vögel, andere Arten, Lebensräume) dar. Was die „Landwirtschaft“ angeht, werden in Bezug auf die Belastungen und Gefahren am häufigsten die Änderung von Anbaupraktiken, die Weidehaltung, das Düngen und Pestizide genannt.“
Newsletter der EU 2015 zum Zustand der Natur und der Biodiversität
1. Insektizide und Fungizide
Der negative Einfluss von Pestiziden wurde in einer europaweiten Studie (F. Geiger et al. 2010) über die Intensivierung der Landwirtschaft festgestellt. Die Wissenschaftler haben weitgehende, negative Effekte der landwirtschaftlichen Intensivierung auf Pflanzen, Laufkäfer, bodenbrütende Ackervögel und die biologische Schädlingsbekämpfung – die Anzahl durch natürliche Feinde gefressener Blattläuse – gefunden. Von den dreizehn Faktoren der landwirtschaftlichen Intensivierung die gemessen wurden, hatte der Gebrauch von Insektiziden und Fungiziden konsequent negative Effekte auf die Biodiversität. Insektizide reduzierten ebenfalls die biologische Schädlingsbekämpfung. Organische Bewirtschaftung und andere Formen von Ökologischem Ausgleich, die zum Ziel haben, die negativen Effekte der Intensivierung auf Biodiversität abzuschwächen, erhöhten die Pflanzen- und Laufkäferdiversität, jedoch – entgegen den Erwartungen – nicht die Diversität der Brutvögel.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass trotz jahrzehntelanger europäischer Politik gegen schädliche Pestizide, die negativen Auswirkungen von Pestiziden auf Pflanzen- und Tierarten andauern und damit auch die Möglichkeit biologischer Schädlingsbekämpfung abnimmt. Wenn die Biodiversität in Europa erhalten werden soll und die Chance auf biodiversitätsgebundenen Ökosystemfunktionen, wie biologische Schädlingsbekämpfung, beruhenden Ackerbau geschaffen werden soll, ist eine europaweite Veränderung zu einer Bewirtschaftung mit minimalem Gebrauch von Pestiziden über eine große Fläche notwendig, schlussfolgerten Wissenschaftler.
Auch in Südtirol erführ die biologische Schädlingsbekämpfung durch Pestizide einen Rückschlag. Das Wochenmagazin ff berichtete am 2. November 2017 darüber: Die aus Asien eingeschleppte japanische Esskastaniengallwespe (Dryocosmus kuriphilus) wurde mit einem natürlichen Gegenspieler, der Schlupfwespenart Torymus sinensis, bekämpft. In einem abschließenden Bericht wurde 2017 die Nutzlosigkeit der Bekämpfung deutlich: “in Anbetracht der ermittelten Gegebenheiten- durch Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in angrenzenden Obstbaugebieten- als nutzlos erachtet“. In Kastanienhainen selbst werden keine Pestizide eingesetzt, jedoch gelangen diese über die Luft (z.B. Abdrift) in andere Kulturen. Analysen von Blättern der Kastanienbäume und aus der Krautschicht ergaben Rückstände. Dabei wurde ein Pestizid des Apfelanbaus zur Bekämpfung des Weißdornblattsaugers, des Überträgers der Apfeltriebsucht, gefunden und dieses Pestizid wird zum Zeitpunkt des Fluges der Nützlinge versprüht und gilt als Grund für den mangelnden Erfolg. Das Programm zur biologischen Bekämpfung der japanischen Kastaniengallwespe wurde in Südtirol eingestellt.
„Die derzeitige Abhängigkeit von Pestiziden als vorrangigem Mittel zur Bekämpfung von Schädlingen ist eindeutig nicht mit der nachhaltigen Landwirtschaft vereinbar, da die regelmäßige Verwendung von Pestiziden über einen längeren Zeitraum die Entstehung von Resistenzen bei Schädlingen bewirkt“
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2019-0045_DE.html
Pflanzen sind keine Schadorganismen, jedoch werden Pflanzen mit Herbiziden vernichtet. Glyphosat ist ein solches Herbizid und einige Pflanzen entwickelten auch Resistenzen dagegen. Auf Herbizide könnte leicht gänzlich verzichtet werden, da für alle Kulturen geeignete Maßnahmen zur Beikrautregulierung in der Praxis durchführbar sind:
- Ackerbau (Kartoffel, Rüben, Getreide usw.): Fruchtwechsel und Grünsaaten zur Reduktion von Beikräutern.
- Dauerkulturen (Obstbau, Weinbau usw.) Mähen oder Mulchen der Beikräuter unter den Kulturpflanzen. Tradtitionell wurden und werden Weinberge auch gehackt oder gepflügt.
- Gartenbau: Jäten von Hand oder Hacken mit der Hacke
2. Systemische Pestizide- Neonicotinoide
Seit den 1990er Jahren werden riesige Mengen an Neonicotinoiden (Neonikotinoide sind Insektizide) in der Umwelt ausgebracht und gelangen in Ökosysteme. Die Substanzen werden nicht nur zur direkten Tötung von Organismen eingesetzt, sondern auch prophylaktisch. In umfangreichen Studien (J. P. van der Sluijs et al. 2014, Conclusions of the Worldwide Integrated Assessment on the risks of neonicotinoids and fipronil to biodiversity and ecosystem functioning) wurden die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität beschrieben. Die Substanzen wirken sich auf folgende Bereiche negativ aus:
- Artenvielfalt
- Ökosystemfunktionen und Ökosystemleistungen
- Süsswasserressourcen
- Feuchtgebiete
- nicht- Ziel Vegetation
- marine Küstenökosysteme
- Kontamination von landwirtschaftlich genutzten Böden
Organismen dieser Gebiete sind wiederholt und chronisch Konzentrationen von Neonicotinoiden und Fipronil ausgesetzt, das Bienensterben ist nur eine Folge davon. Ein Video dazu auf https://www.youtube.com/watch?v=3QceID-Vb64
Der Toxikologe H. Tennekes vom Experimental toxicology Sercices Niederland, wies bereits 2010 auf das Ende der Artenvielfalt durch Neonikotinoide hin und erklärte Zusammenhänge: Neonicotinoide sind wasserlöslich und durchdringen mit dem Wachstum die gesamte Pflanze (systemische Insektizide). Sie werden in viel geringeren Mengen ausgebracht als die früher verwendeten Insektizide. Nachteil der Neonikotinoide: Bienen oder Schmetterlinge, die Pollen oder Nektar von einer behandelten Pflanze fressen, werden vergiftet.
Neonikotinoide (=Neonicotinoide) blockieren die postsynaptischen nikotinischen Acetylcholinerezeptoren im zentralen Nervensystem der Insekten nahezu unumkehrbar. Es kommt bei fortdauernder Einwirkung zu einer Summierung, so dass auch kleinste Giftwirkungen sich zu einer realen Gefahr entwickeln. Mit jeder neuen Belastung werden weitere Rezeptoren blockiert. Eine Toleranzdosis ist daher kaum zu ermitteln. Neonikotinoide sind im Boden schwer abbaubar und werden nicht an die Bodenpartikel gebunden. Diese Pestizide können leicht aus dem Boden ins Grundwasser gewaschen werden.
Die Anwendung des Imidacloprid hat zu einer starken Belastung der niederländischen Oberflächengewässer geführt. Bereits geringe Konzentrationen von Neonikotinoiden in der Umwelt, die unterhalb der als „akut toxisch“ geltenden Konzentration liegen, können über einen längeren Zeitraum schädlich für zahlreiche im Wasser und auf dem Land lebende Wirbellose sein.
3. Pestizide in Gewässern
Pestizide verbleiben nicht auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen, sondern gelangen in die Umwelt und beeinträchtigen Gewässerökosysteme. In einer Studie analysierten Wissenschaftler 2013 (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Technischen Universität Sydney, Institut für Umweltwissenschaften Landau) die Auswirkungen von Pestiziden wie Insektiziden und Fungiziden auf den regionalen Artenreichtum von Wirbellosen in Fließgewässern. Pestizide verschmutzen das Wasser und es wurden signifikante Unterschiede beim Artenreichtum von Wirbellosen zwischen den Verschmutzungs-Kategorien in Gewässern festgestellt. Bei verschiedenen Insektengruppen wurde ein Unterschied zwischen hoch belasteten Standorten einerseits und den unberührten und leicht verunreinigten andererseits festgestellt. Nachweislich rangiert der Verlust der Artenvielfalt zwischen den unberührten und stark kontaminierten europäischen Standorten auf einem Niveau von 42 Prozent.
Die Gesamtverluste in der Biodiversität werden in erster Linie durch das Verschwinden mehrerer Gruppen von Lebewesen bestimmt: Steinfliegen, Eintagsfliegen, Köcherfliegen und Libellen zählen zu den arten- und individuenreichsten Besiedlern der europäischen Fließgewässer und sind wichtige Mitglieder der Nahrungskette. Fische und Vögel ernähren sich von diesen Insektengruppen. Diese Insektengruppen sind anfällig für Pestizide und die Verschmutzung der Gewässer mit Pestiziden führt zum Verschwinden von Arten und Artengruppen, ergaben die Untersuchungen.
Die meisten Wirbeltiere sind auf Insekten angewiesen. Bei Süsswasserfischen stellen diese 40 bis 90 Prozent der Nahrung dar. Der Einsatz von Pestiziden wirkt sich über Nahrungsketten auf zahlreiche Tiergruppen negativ aus. Amphibien wie Frösche, Kröten und Salamander brauchen Insekten; der Speiseplan der Erdkröte besteht zu 75 Prozent aus Insekten. Für viele Vogelarten sind Insekten die Hauptnahrung oder wichtige Proteinquellen. Fangzahlen von Fischen in den Schweizer Flüssen sind in 20 Jahren um ein drittel gesunken, Pestizide sind dafür wesentlich verantwortlich.
Aquatische Systeme, wie Seen, sind durch die hohe Giftigkeit und lange Verbleibdauer von Insektiziden der Neonicotinoide bedroht, Nahrungsketten werden unterbrochen und Fischfangmengen sinken „Die Effekte wirken sich auf die höheren trophischen Ebenen aus, indem sie die Nahrungskette und Dynamik verändern und sich auf Konsumenten höherer Ordnung auswirken. Mit Daten zum Zooplankton, der Wasserqualität und jährliche Fischfänge von Aalen und Stinten wurde gezeigt, dass die Anwendung von Neonikotinoiden seit 1993 mit einer 83%igen Abnahme der Biomasse des Zooplanktons im Frühling zusammenfällt und die Fischeerträge (Stinte) von 240 Tonnen auf 22 Tonnen im Shinji See, in der Präfektur Shimane in Japan, zusammenbrachen (Masumi Jamamuro et al. 2019).
In der Schweiz haben Fischbestände in Bächen und Flüssen ebenso wie in Südtirol und anderen Gebieten in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Pestizide sind dafür wesentlich verantwortlich.
Pestizide stellen auch für Kröten und Frösche eine Gefahr dar. Der Kontakt mit Pflanzenschutzmitteln kann für Frösche tödlich sein. Eine im Auftrag des Deutschen Umweltbundesamtes durchgeführte Studie des Instituts für Umweltwissenschaften Landau an der Universität Koblenz-Landau hat aufgedeckt, dass schon der Einsatz der empfohlenen Produktmenge bei Grasfröschen zu Sterblichkeitsraten von 20 bis 100 Prozent führt. Sieben Mittel wurden getestet, und alle Mittel waren gefährlich. Sie waren jedoch trotzdem zugelassen, da das entsprechende Verfahren mögliche Auswirkungen auf Amphibien nicht untersuchte.
„Es ist kaum fassbar, dass es bei Pestiziden, die das aktuell praktizierte Zulassungsverfahren für Pestizide durchlaufen haben, zu direkter Mortalität bei Amphibien kommt“,
bemängelte der Leiter der Studie Carsten Brühl in der Presseaussendung der Universität Landau (24.01.2013). „Unsere Laborversuche zeigen eine derartige Wirkung auf an Land lebende Entwicklungsstadien der Tiere. Dieser in der Risikobewertung bislang nicht berücksichtigte Effekt sollte in den Schutzbemühungen von Frosch- und Krötenpopulationen Berücksichtigung finden.“
Während die Zulassungsverfahren für Pestizide im Rahmen von Gewässeruntersuchungen Kaulquappen berücksichtigen, gilt dies nicht für die ausgewachsenen Frösche. Die Versuche haben ergeben, dass Pestizide bis zu 100 Prozent der Frösche durch Pestizide getötet werden.
4. Pestizidabdrift auf Privatgrundstücke und öffentliche Flächen
Pestizide verbleiben nicht ausschließlich auf den Flächen, wo sie ausgebracht werden und durch den Wind, Abdrift oder auch schlechte landwirtschaftliche Praxis gelangen Pestizde auch in Privatgärten, Naturgärten, Gemüsegärten und auch auf Flächen biologisch wirtschaftender Betriebe.
Leidtragende des Pesitizdeinsatzes sind die Biodiversität und auch Biobetriebe. Ein solcher Biobetrieb ist etwa das Kräuterschlössl (http://www.kraeuterschloessl.it/), welches für seine qualtitiv hochwertigen Kräuterprodukte im Vinschgau bekannt ist und dieser Betrieb hat zum Schutz vor Pestizideabdrift aus den angrenzenden Apfelplantagen Folientunnel errichtet, eine 8m hohe Hecke gepflanzt und auch ein Sprühsystem gegen Abdrift errichtet- Investitionen zum Schutz der Biokulturen im Wert von 200.000 Euro (https://www.zdf.de/politik/frontal-21/pestizid-streit-um-aepfel-in-suedtirol-100.html). Trotz dieser ganzen Vorsichtsmaßnahmen können immer noch kleine Pestizidmengen in Produkten gefunden werden, wobei dieser Betrieb sehr genau wie andere Biobetriebe seine Produkte kontrolliert. Biolandwirten entstehen durch die Pestizidausbringung bestimmter Bauern dadurch nicht nur Kosten, sondern auch Einkommensverluste. Die Abdrift und Pestizidrückstände in Schrebergärten, privaten Gemüsegärten usw. wird in Südtirol nicht weiter untersucht.
Es gibt auch Fälle, wo Anwohner über Schwindel und Kopfschmerzen berichten (z.B. https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/bauern-pestizide-gefahr-gesundheit-abdrift-100.html) und in Meran appelierte der Bürgermeister im April 2020 (viele blieben wegen Corona in ihren Wohnungen) an die Bauern:„Meine Bitte an die Bauern ist, sich strengstens an die geltenden Abstandsregeln zu halten und eine Abdrift in die Wohngebiete mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern“.
Abstandsregeln wurden definiert, für Herbizide gelten etwa 3 m Entfernung von Siedlungen (http://www.provinz.bz.it/land-forstwirtschaft/landwirtschaft/downloads/Broschuere_Abstandsregelung_deutsch.pdf). Es ist in Südtirol jdeoch nicht schwierig Flächen zu finden, auf denen durch Herbizidanwendung vegetationsfreie Flächen näher als 3m an Siedlungen liegen.
Gravierend wirkt sich die Abdrift auch in Naturgärten und Biodiversitätsgärten aus, da Insekten durch Pestizide ausbleiben und mit ihnen auch Wildbienenhotels oder Vogelnistkästen leer bleiben.
Auch auf Kinderspielplätzen wurden in Südtirol Pestide festgestellt (https://www.voxnews.online/artikel/studie-weist-pestizide-auf-kinderspielplaetzen-nach) und mit der Begründung, dass Kinder das Gras nicht essen, wurde diese Tatsache relativiert. Jedenfalls sollten Kinder das Gras von Spielplätzen nicht ihren Meerschweinchen oder Kaninchen verfüttern.
5. Pestizide in Gewässern Italiens und Südtirols
2016 veröffentlichte die ISPRA die Ergebnisse der Messungen in den Oberflächengewässern und dem Grundwasser Italiens. Der Bericht enthält die Messergebnisse aus den Jahren 2013 und 2014. In den Oberflächengewässern (Seen, Flüsse usw) wurden in 63,9 % der Messstellen Pestizide gefunden. Im Grundwasser sind in 31,6 % der Messpunkten Kontaminationen mit Pestiziden festgestellt worden. Sind Pestizide einmal im Grundwasser angelangt, so ist dies irreversibel, das Grundwasser ist und bleibt belastet.
Die Autonome Provinz Bozen fällt im nationalen Bericht dahingehend auf, dass nur die Ergebnisse von 6 Messpunkten in Oberflächengewässern übermittelt werden, während die Nachbarprovinz Trentino in 70 Messpunkten sucht.
Noch dazu wurden die Daten aus der Provinz Bozen der ISPRA so übermittelt, dass eine Einordnung und ein Vergleich mit anderen Provinzen nicht gemacht werden konnte. Alle 6 Kontrollpunkte in Südtirol wiesen jedenfalls Rückstände auf.
Auch in Trinkwasserschutzgebieten dürfen in Südtirol Pestizide ausgebracht werden und 2019 gab es dazu einen neuen Landesbeschluss, der zahlreiche Pestzide erlaubt ( https://wwfbolzano.files.wordpress.com/2019/04/deliberazione-giunta-prov.-bz-n.-142_del_12_03_2019.pdf ).
Veröffentlichungen der ISPRA über Pestizide in den Gewässern Italiens im Jahr 2018 brachten in Südtirols Oberflächengewässern an 16 von 17 Messpunkten Pestizide zum Vorschein und an fünf Messpunkten wurden Grenzwerte überschritten. Funghizide und Insektizide sind die am häufigsten gefundenen Pestizide in den Fließgewässern Südtirols.
Die Veröffentlichung der Daten von 2018 nahm der WWF Italien zum Anlass, um auf die Auswirkungen der Pestizide auf die Biodiversität hinzuweisen: „Die Pestizide finden sich fast immer in den Oberflächengewässern wieder (in 67% der Messstellen und mit 23,9% der Messstellen über den gesetlichen Höchstwerten). Für den WWF bestätigt die Analyse der ISPRA das grundsätzliche Scheitern des Nazionalen Aktionsplans für den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
https://www.wwf.it/?39442%2FRapporto-ISPRA-WWF-pesticidi-fuori-controllo
Im Entwurf zum Gewässerschutzplan Südtirols im Jahr 2020 (eigentlich hätte dieser nach dem Gewässerschutzgesetz von 2002 bereits viel früher gemacht werden müssen) wurde festgehalten, dass im Überwachungszeitraum 2009-2014 für zwölf der vierzehn untersuchten Wasserkörper (bei sechzehn Überwachungspunkten) ein guter chemischer Zustand festgestellt wurde. Zwei Wasserkörper konnten die Umweltziele für den guten chemischen Zustand nicht erreichen. Der Große Kalterer Graben, umgeben von Apfelplantagen, verfehlte im Jahre 2011 den guten chemischen Zustand aufgrund einer Überschreitung der zulässigen Höchstkonzentration für Chlorpyrifos-ethyl im Monat April. Die Belastung ist auf Einträge aus der intensiven Obstwirtschaft entlang des Grabens zugeschrieben worden. Dieser Stoff hat auch 2015 Im Mai 2015 Saegbach zu einem Fischsterben geführt. Zur Überschreitung der maximal zulässigen Konzentration kam es auch für Endosulfan, welche im Juni 2009 in der Etsch festgestellt wurde. Endosulfan wäre eigentlich seit 2007 in Italien verboten.
Recht dreckig scheint auch der Naifbach in Meran zu sein, der chemische Zustand ist nicht gut, Cadmium (2015) und Chlorpyrifos (2016) wurden in hohen Konzentrentionen gefunden. Pestizide in Gewässern führen zum Verschwinden von Wasserinsekten. Untersuchungen der Eurac Bozen erbrachten extrem geringe Dichten an Insekten (Makrozoobenthos) mit nur 15 Individuen pro m². Die Ahr im Ahrntal erreicht hingegen eine Dichte von 1180 Tiere pro m2
Diffuse Stoffeinträge von Pestiziden belasten die Gewässerökosysteme und eine Belastungsanalyse der Seen Südtirols zeigt, dass etwa der Kalterer See potentiell einer diffusen Belastung ausgesetzt ist. Zwischen 2016 und 2018 wurden folgende Pestizide nachgewiesen: Boscalid, Chlorpyrifos, Chlorpyrifos-methyl, Dimethomorph, Penconazol und Tetraconazol.
6. Pestizidverfrachtung in der Luft
Pestzide werden auch sehr weit in der Luft verfrachtet. Untersuchungen zur Pestzidverfrachtung in der Luft durch das Umweltinstitut München im Vinschgau ergaben, dass es von Mitte März bis mindestens Ende August eine Dauerbelastung mit Pestiziden gibt. Einige der Gifte werden sogar kilometerweit durch die Luft transportiert. Zwölf der Wirkstoffe wurden innerhalb einer geschlossenen Ortschaft gefunden. Darunter sind gesundheitsschädliche Mittel für Menschen, die Krebs und Allergien auslösen können oder die Fruchtbarkeit schädigen (Anmerkung: Mittel die für Menschen schädlich sind, können auch eine Gefahr für Säugetiere wie Igel, Rehe oder Bären sein). Sogar auf über 1600 Höhenmeter in einem Seitental wurden noch sechs Wirkstoffe nachgewiesen. Darunter ist das Insektengift Imidacloprid. Es befinden sich immer unterschiedliche Mittel gleichzeitig in der Luft, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig beeinflussen können (http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/2019/pestizide/vom-winde-verweht-luftmessungen-im-vinschgau.html).
Die Untersuchungen zeigen deutlich, dass Südtirol auch weitab von Apfelmonokulturen mit Pestiziden kontaminiert ist.
Pestizide, welche in Südtirols Apfelplantagen ausgebracht werden, können sogar im benachbarten Ausland gefunden werden. Untersuchungen der Luft im Münstertal in der Schweiz im Jahr 2019 ergaben, dass Pestizide aus den Apfelplantagen Südtirols in diesem Alpental vorhanden sind. Die Studie wurde im Auftrag des Amtes für Natur und Umwelt Graubündens und des Biosphärenreservats durchgeführt. An drei Standorten wurden Rückstände von 10 Pestiziden gefunden und 8 der zehn Pestizide stammen aus dem Apfelanbau im Vinschgau.
7. Pestizide in Böden und Glyphosat
Herbizid Glyphosat
Im Bild ist ein Wassergraben zu sehen, welcher auf einer Seite mit Glyphosat behandelt wurde und auf der anderen Seite wachsen Pflanzen der Feuchtgebiete (Mädesüss, Rohrkolben, Schilf). Auf einer Seite des Grabens wird sporadisch im Spätsommer gemäht, auf der anderen Seite wird Gift gesprüht und die Pflanzendecke vernichtet. Dieser Graben in Tisens wurde nach 2015 eingerohrt und heute wachsen auf dieser Flächen keine Arten der Feuchtgebiete mehr. Die direkte Zerstörung von Feuchtgebieten hält in Südtirol an und die letzten Feuchtwiesen werden immer noch entwässert oder eben solche Gräben mit geschützten Arten (Rohrkolben ist geschützt) werden restlos vernichtet.
Glyphosat ist ein Totolherbizid und auf Herbizide in der Landwirtschaft könnte sehr einfach verzichtet werden (z.B. durch Mähen, Mulchen, Hacken, Pflügen usw,).
Glyphosat wirkt sich negativ auf die Biodiversität aus. Ein berühmtes Beispiel ist der Rückgang der Monarchfalter-Population in den USA, wesentlich bedingt dadurch, dass der Anbau herbizidresistenter Nutzpflanzen im Mittleren Westen seine Futterpflanze, die Seidenpflanze Asclepias syriaca, dezimierte (PLEASANTS & OBERHAUSER 2013). Glyphosat soll für Tiere harmlos sein, weil es ein Enzym angreift, das man nur in Pflanzen und Kleinstlebewesen findet. Bienen sind jedoch auf spezialisierte Darmbakterien angewiesen, die ihr Wachstum und ihre Verteidigungsfähigkeit gegen Krankheitserreger fördern. Die meisten Darmbakterien von Bienen beinhalten das Enzym, gegen das Glyphosat wirksam ist und das Immunsystem von Honigbienen wird dadurch geschwächt. Gemäß einer Feldstudie in Deutschland sind bei höheren Expositionen mit dem Wirkstoff Glyphosat Beeinträchtigungen des Navigations- und Orientierungsverhaltens von Honigbienen festzustellen (BALBUENA et al. 2015). Auch Honigbienen, also Nutztiere zur Erzeugung von Honig, sind von Glyphosat betroffen und Pestizide gefährden dadurch auch die Landwirtschaft.
Glyphosat ist eines der am meisten eingesetzten Pestizide weltweit, dessen Wirkung auf die menschliche Gesundheit nicht genau geklärt ist. Ebensowenig geklärt ist die Konzentration von Glyphosat und dessen Metaboliten in Gewässern Italiens. Nur die Region Lombardei untersucht schon länger Glyphosat und den Metaboliten AMPA, der beim Abbau von Glyphosat entsteht. Ispra 2016: “Fra le sostanze maggiormente responsabili della non conformità ci sono il glifosate e il suo metabolita AMPA. Si fa presente che il glifosate è una delle sostanze maggiormente usate a livello nazionale e risulta essere, anche sulla base di dati internazionali, uno dei principali contaminanti delle acque. Tuttavia il monitoraggio della sostanza è stato eseguito fino ad oggi dalla sola regione Lombardia e, solamente a partire dal 2014, dalla Toscana. “ In den Gewässern der Lombardei, der einzigen Region Italiens, welche länger nach Glyphosat gesucht hat, wird Glyphosat in hohen Konzentrationen in den Gewässern festgestellt und ist der Hauptverschmutzer des Wassers.
Glyphosat und Kaulquappen
Veronika Bókony und ihre Kollegen vom Zentrum für Agrarforschung in Budapest fanden eine völlig unerwartete Wirkung von Glyphosat auf Amphibien: die Kaulquappen der Erdkröten werden giftiger, ihre Gewebe enthalten deutlich mehr Bufadienolide. Diese Steroide werden von vielen Kröten zur Abwehr von Bakterien und Fressfeinden produziert und sind giftig. Die dem Glyphosat ausgesetzten Krötenlarven hatten einen signifikant höheren Bufadienolidgehalt als die Kontrolltiere, welche im sauberen Wasser heranwuchsen. Negative Auswirkungen auf Nahrungsketten und Ökosysteme sind zu befürchten.
8. Monokulturen
Was ist eine Monokultur? Als Monokulturen werden landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Flächen bezeichnet, auf denen über mehrere Jahre hintereinander dieselbe Kultur angebaut wird und in der Ökologie (Landschaftsökologie) werden als Monokulturen Landschaften bezeichnet, in denen eine Kultur auf einer großen Flächen angebaut wird (größer als 100 ha; ausgeräumte Kulturlandschaften mit nur einer Kultur ohne naturnahe Strukturen wie Hecken sind Monokulturen).
Apfelmonokulturen prägen in Südtirol das Etschtal von Salurn bis in den oberen Vinschgau und Legambiente, Italiens bedeutenste Umweltschutzorganisation, verlieh Südtirol 2019 die „Schwarze Flagge“ für die Obst- Monokulturen und den massiven Pestizideinsatz. Die Herausforderungen, denen sich die Apfelproduzenten stellen müssen sind vielfältig und Agrarexperte Prof. Lucius Tamm plädierte für massives Herunterfahren des Pestizideinsatzes und für Biodiversität bei einer Veranstaltung im Vinschgau https://www.dervinschger.it/de/gesellschaft/obstwirtschaft-wohin-23333
Für Landesrat Schuler brauche es keine Einflüsse von außen: „Wir wollen nicht von außen getrieben werden.“ wird der Landesrat bei dieser Veranstaltung zitiert und verwehrt sich gegen die Darstellung „als wären wir in den 60er Jahren stehen geblieben.“. In den 60er Jahren gab es aber noch viel mehr Artenvielfalt- damals sah es besser aus, auch wenn einige recht giftige Pestizide gespritzt wurden. Damals wurden Reben und Apfelbäume sogar noch mit biologisch abbaubaren Holzgerüsten gestüzt und heute stehen überall Betonpfosten und Hagelnetze bedecken die Landschaft.
„Das, was wir hier sehen, ist keine Monokultur.“ wird Landesrat Schuler ebenfalls zitiert (https://www.barfuss.it/story/monotones-s%C3%BCdtirol). Obst- und Weinbau ist nach der allgemeinen Definition jedoch immer eine Monokultur, da Obst und Wein immer auf derselben Fläche über Jahrzehnte angebaut wird. Monokultur bedeutet nicht, dass auf einer Fläche nur eine Pflanzenart wächst (Blumenkasten mit nur einer Pflanzenart ist keine Monokutlur ebensowenig wie ein Salatbeet mit nur Salat). Die negativen Auswirkungen von Monokulturen auf die Biodiversität liegen vor allem auch im Fehlen von naturnahen Strukturen in der Landschaft. Südtirol besitzt das größte zusammenhängende Apfelanbaugebiet der EU und die Landschaft ist eine Monokultur, da die Apfelplantagen zusammenhängen und keine anderen Kulturarten oder naturnahen Strukturen die Landschaft gliedern.
Maßnahmen der Biotopvernetzung, der Anlage von Korridoren, der Anlage von naturnahen Strukturen wie Hecken, der Renaturierung durch Anlage von Feuchtgebieten usw. sind in solchen Landschaften notwendig.
Agrarförderungen: Millionen für Obstgenossenschaften
In Südtirol erhalten nicht Landwirte, welche durch die Pflege etwa von artenreichen Wiesen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten, die Agrarförderungen der EU. Es sind vor allem Genossenschaften, die in der Apfelexportwirtschaft tätig sind. Mit den Agrarsubventionen wird nicht eine nachhaltige, ressourcenschonende und biodiversitätsfördernde Landwirtschaft subventioniert. Am meisten Förderungen bekommen auch nicht umweltverträglich wirtschaftende Biobetriebe, sondern eben Großbetriebe und insbesondere Obstgenossenschaften. (Zahlen siehe https://www.tageszeitung.it/2019/05/26/die-agrar-millionen-3/)
Trotz der massiven Förderung von Obstgenossenschaften bekommen die Apfelproduzenten relativ wenig Geld. Der durchschnittliche Auszahlungspreis für integriert produzierte Äpfel der Sorte Golden lag 2018 im Untervinschgau bei 31 Cent. Für 3 kg Äpfel bekam der Produzent nicht einmal einen Euro, was nicht viel Geld ist. Pestizide sind auch nicht billig und verursachen alljährlich hohe Kosten. Die billigen Äpfel werden dann in Länder wie Marokko oder Ägypten exportiert.
Wissenschaftler der Uni Innsbruck formulierten klar die falsche Richtung, in welche die Agrarpolitik führt: https://www.uibk.ac.at/public-relations/presse/archiv/2019/1171/
„Der EU fehlt offensichtlich der Wille, der öffentlichen Forderung nach einer nachhaltigen Landwirtschaft nachzukommen und ihre mitbeschlossenen globalen Umwelt- und Entwicklungsziele umzusetzen“, so Pe’er. „Lobby-Interessen wiegen nicht nur schwerer als Fakten, sondern auch schwerer als der öffentliche Wille.“ Laut einer EU-Umfrage bescheinigen 92 Prozent der befragten Bürger und 64 Prozent der Landwirte der EU-Kommission zu wenig Engagement im Umwelt- und Klimaschutz in der GAP.
Die skurrilen Agrarförderungen der EU haben für die Biodiversität wenig und für einige Großbetriebe viel gebracht, weitere Beispiele auf https://www.welt.de/wirtschaft/article3944514/EU-subventioniert-sogar-Essen-bei-der-Lufthansa.html
9. Biodiversität statt Pestizide
Viele Gartenbesitzer und Biobauern setzen keine chemisch- synthetischen Pestizide ein. Der Grund dazu ist einfach, weil die meisten Pflanzen keine brauchen. Nur selten werden Pflanzen krank und nicht jede Pilzkrankheit oder jede Blattlaus verursachen einen Ernteausfall oder bereiten Probleme. Mit robusten Sorten, der richtigen Pflege und Natur auf der Fläche kommt es selten zu Problemen. Häufig gießen in Südtirol Apfelbauern ihre Bäume mit Kronenbewässerung. Pilzkrankheiten breiten sich dadurch aus. Derartige Kutlurfehler sollten nicht gemacht werden. Die Wurzeln nehmen das Wasser auf und nicht die Blätter! Daher werden Pflanzen von unten gegossen und auch nur dann, wenn die Pflanzen Wasser brauchen. Zu starkes Gießen schadet der Gesundheit der Pflanzen ebenso wie zu viel Dünger.
Der massive Einsatz von Pestiziden in den Apfelplantagen Südtirols wird erst seit einigen Jahrzehnten vorgenommen. Der Obstbau im Etschtal bis zum Zweiten Weltkrieg kam ohne chemisch- synthetische Pestizide aus (alle waren praktisch biologisch). Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts prägten Obstwiesen den Talboden. Das Gras der Wiesen war Futter von Kühen und die Obstbäume lieferten Früchte. Die Kühe lieferten den Dünger und heute werden bei der Apfelproduktion Kunstdünger eingesetzt..
Das Gras von pestizidbehandelten Apfelplantagen ist als Futter nicht mehr geeignet. Traditionelle Streuobstwiesen kommen ohne Pestizide aus, Nützlinge halten Schädlinge in Schach und die Biodiversität leistet damit den Dienst des Pflanzenschutzes. Auf Streuobstwiesen ist der Einsatz chemisch- syntethischer Pestizide nicht nötig (siehe http://biodiversitaet.bz.it/2018/10/22/streuobstwiese/).
„Die derzeitige Abhängigkeit von Pestiziden als vorrangigem Mittel zur Bekämpfung von Schädlingen … hat außerdem den schädlichen Nebeneffekt, dass auch Nützlinge, die wichtig sind, um Schädlingsbefall vorzubeugen, vernichtet werden, und dass es häufig zu einem Befall mit Sekundärschädlingen kommt. Beide Faktoren können dazu führen, dass noch mehr Pestizide eingesetzt werden, wodurch ein Teufelskreis entsteht.“
(https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2019-0045_DE.html)
In Monokulturen können sich unerwünschte Arten leicht ausbreiten, keine Barrieren unterbinden die Ausbreitung und der Schädlingsdruck ist hoch. Untersuchungen von rund 1500 Anbauflächen auf der ganzen Welt, von Maisfeldern in Nordamerika, Rapsäckern in Südschweden, indischen Kaffeeplantagen, südafrikanischen Mangoplantagen, Getreidefeldern in den Alpen usw. ergaben, dass vielfältige Landschaften, mit Hecken, Ackersäumen, Bäumen usw. eine effizientere Bestäubung und Schädlingsbekämpfung bewirken. Für die biologische Schädlingbekämpfung, also die Förderung von natürlichen Gegenspielern, leisten strukturierte Landschaften und die Artenvielfalt auf der Fläche einen wichtigen Beitrag. Mehr Bestäubung und eine effizientere Schädlingsbekämpfung wirken sich schlussendlich auch postiv auf die Ernte und die Erträge aus (https://doi.org/10.1126/sciadv.aax0121). Die Biodiversität, die Vielfalt in der Anbaufläche und in der Landschaft fördert damit auch die Erträge. Monokulturen sind besonders anfällig für das Massenauftreten von Schädlingen und Krankheiten.
Einige Nutzpflanzen wie z.B. Raps, Kartoffeln oder Rüben werden in Mitteleuropa häufig in Fruchtfolgen und nicht als Monokultur alljährlich auf derselben Fläche angebaut, da sonst der Schädlingsdruck zu groß ist. Der Maisanbau zur Produktion von Viehfutter wird in Südtirol jedoch meist alljährlich unter Einsatz von Pestiziden als Monokultur angebaut.
10. Bienensterben und Pestizide
Die Efsa (European Food Safety Authority) weist auf das Bienensterben hin: „Schätzungen der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge werden 71 der 100 Nutzpflanzenarten, aus denen 90% der Lebensmittel weltweit gewonnen werden, von Bienen bestäubt. Der Großteil der in der Europäischen Union (EU) angebauten Kulturpflanzen ist auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Abgesehen von der grundsätzlichen Bedeutung, der der Bestäubung beim Erhalt der biologischen Vielfalt zukommt, wird ihr finanzieller Wert weltweit jährlich auf Hunderte Milliarden von Euro geschätzt.“
Im Bericht über nachweislich auf Pflanzenschutzmittel basierendes Bienensterben in Italien der ISPRA aus dem Jahr 2018 führt im Jahr 2017 Südtirol die Liste an und weist am meisten Fälle in Italien auf, obwohl Südtirol verglichen mit anderen Regionen wie der Lombardei oder Venetien sehr klein ist. Die Lombardei wies 2015 die höchste Zahl mit 10 Fällen auf und 2016 mit 11 Fällen. 2017 wurde die Lombardei von Südtirol überholt mit 15 Fällen.
Der Südtiroler Imkerbund forderte anlässlich des Weltbienentages 2019 mehr pestizidfreie Zonen und auch Naturschutzorganistionen in Südtirol treten für ein pestizidfreies Südtirol ein. Die Bedeutung von Bienen als Bestäuber für Biodiversität und Ernährungssicherheit ist elementar für die Menschheit und auch für die Landwirtschaft in Südtirol. Nahezu 100 Prozent der Obstbauanlagen in Tallagen und bis zu 90 Prozent in Waldnähe bestäubt die Honigbiene, erklärt der Südtiroler Imkerbund.
Einzig in einem Zeitrahmen während der Blüte der Apfelbäume in Südtirol, gilt das Verbot, bienengefährdende Pflanzenschutzmittel auszubringen und alljährlich wird das Verbot erlassen und nach der Blüte wieder aufgehoben.
Dazu gibt es entsprechende Aussendungen der Landesregierung die immer in etwa gleich lauten:
Die Apistox Studie der Laimburg zeigte, dass wenn die Bienen etwa die Löwenzahnblüten in Apfelplantagen besuchten, es zu einem „erhöhten Bienensterben“ führen kann. Das alternierende Mulchen (ein Teil der Fläche wird nicht gemulcht und Blütenpflanzen stehengelassen) wurde aus den Agrios Richtlinien des integrierten Anbaus daher gestrichen und kein Löwenzahn und keine Blüte soll die Bienen in die integrierten Apfelplantagen locken.
Die Entwicklung der Bienenvölker in Obstbaugebieten bleibt im Vergleich zu Völkern außerhalb von Lagen mit Intensivobstbau hinter den Erwartungen zurück. Völker an Standorten außerhalb von Obstbaugebieten setzen die im Frühjahr gezogene Brut besser in Bienen um. Ein Teil der Bienenbrut entwickelt sich also nicht zu ausgewachsenen fleißigen Honigbienen sondern geht zugrunde.
(Apistox, vom Land erklärt: http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=5&news_article_id=577820)
11. Das Wunder und die Wunden von Mals
Der Chronist, Autor und Dokumentarfilmer Alexander Schiebel hat die Bemühungen der Bürger und der Gemeinde Mals, für eine pestizidfreie Gemeinde, in einem Dokumentarfilm festgehalten und ein Buch darüber geschrieben ( http://wundervonmals.com/ ). Der Weg zu einer pestizidfreien Gemeinde wurde von Mals beschritten und die Gemeinde Mals erhielt den EuroNatur-Preis 2020.
„Dass der Gemeinde so viel Widerstand von Seiten der Agrarlobby und mit Pestiziden wirtschaftender Betriebe entgegen schlägt, spricht Bände. Umso wichtiger ist es, dass der ‚Malser Weg‘, der zeigt, dass es anders und nachhaltig geht, Zuspruch aus der Zivilgesellschaft erfährt“
begründet EuroNatur-Präsident Thomas Potthast die Entscheidung für die Vergabe des EuroNatur-Preises.
Gegen den Bürgermeister der Gemeinde Mals wurde ein Verfahren eingeleitet, weil er ein Referendum für eine pesitzidfreie Gemeinde nicht hätte durchführen dürfen. Der Bürgermeister wurde jedoch freigesprochen (http://www.vinschgerwind.it/lokal-politik-wirtschaft/item/27528-bm-ulrich-veith-freigesprochen) und es darf ein derartiges Referendum durchgeführt werden. Der Wunsch nach einer Bioregion im Oberen Vinschgau wurde seit Jahren geäußert, jedoch werden Personen massiv unter Druck gesetzt und es geschahen sogar Angriffe mit Pestiziden auf biologisch bewirtschaftete Betriebe https://www.tageszeitung.it/2017/09/26/der-glyphosat-angriff/
Der Autor Alexander Schiebel und der Verlag wurden von Landesrat Schuler (SVP) angeklagt, „weil er das Ansehen der Südtiroler Landwirte verletzt hat“ https://www.tageszeitung.it/2020/01/01/ich-bin-das-gute/. Auch Karl Bär vom Umweltinstitut München wurde angezeigt (https://www.tageszeitung.it/2020/09/08/lassen-uns-nicht-mundtot-machen/). Landesrat Schuler und viele Bauern klagten. 2019 kündigte Landesrat Schuler ein Konzept der Landwirtschaft 2020 bis 2030 an (https://www.tageszeitung.it/2019/06/08/land-der-artenvielfalt/) und das Jahrzehnt startet mit einem Frontalangriff auf einen Verleger, einen Autor und einen Umweltschützer.
Nicola Canestrini, einer der Rechtsanwälte von Karl Bär (Umweltinstitut München) und Alexander Schiebel (Autor):
„Die Wahrheit zu sagen ist und bleibt nach italienischem Recht kein Verbrechen. Sie ist ein grundlegender Bestandteil der Demokratie und eine der mächtigsten Waffen gegen Machtmissbrauch. Es ist ein Alarmsignal für die Rechtsstaatlichkeit, dass man wegen der Ausübung eines so wichtigen Grundrechts angeklagt wird.“
Die Abendzeitung München (08. September 2020) berichtet, dass die Staatsanwaldtschaft München I ein Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Bozens ablehnte und zwar mit dem Hinweis auf die Meinungs- und Informationsfreiheit, verankert in der EU-Grundrechtscharta.
Über 100 Verbände, wie etwa der größte Umweltschutzverband Deutschlands, der BUND (https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/suedtirol-klagen-und-prozess-wegen-aufklaerung-zum-pestizideinsatz-massiver-angriff-auf-die-meinungsfreiheit/), Italiens größte Naturschutzorganisation Legambiente, der WWF, PAN, Verbraucherschützer, Slowfood, der Europäische Berufsimkerverband usw. solidarisierten sich mit den von Integrierten Südtiroler Apfelproduzenten angeklagten Alexander Schiebel und Karl Bär.
Mit diesem Prozess werden Erinnerungen wach an den berühmten Wienerneustädter Tierschützerprozess. Tierschützern wurde vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung zu sein. (https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Neust%C3%A4dter_Tiersch%C3%BCtzerprozess). Dieser jahrelange Rechtsstreit endete mit Freispruch, die Freigesprochenen durchlebten aber durch den jahrelangen Prozess die Hölle. Junge Familienväter und Mütter mit Kindern erlitten den finanziellen Ruin. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat 2019 eine Klage vom Vorsitzenden des Vereins für unzulässig erklärt und er erhielt keine Entschädigung.
11. Ausgebrachte Masse an Pestiziden in der Region Trentino- Südtirol
In der Region Trentino-Südtirol wurden im Jahr 2016 durchschnittlich 62 kg Pestizide pro Hektar in der Umwelt ausgebracht. In den riesigen Apfelmonokulturen der Region werden große Mengen an Pestiziden ausgebracht und häufig gespritzt (20 bis 40 mal pro Jahr, wie Anrainer nachzählten).
In Südtirol wurden 2016 laut offiziellen Daten der ISPRA folgende Mengen an Pestiziden eingebracht:
- Fungizide 1.037.230 kg
- Insektizide 447.882 kg
- Herbizide 78.278 kg
Obwohl jeder Pestidanwender genau darüber in Betriebsheften Buch führen muss, was er wann wo spritzt, werden der Öffentlichkeit Daten dazu vorenthalten. Landtagsanfragen zu ausgebrachten Mengen und Wirkstoffarten bleiben unbeantwortet. Die Bürger dürfen es nicht wissen, sie dürfen aber die Pestizide in der Luft einatmen (einige haben auch einen blumigen Geruch und sind stundenlang zu riechen).
Die Grünen erkundigten sich u.a. nach Einzelwirkstoffen in der Lantagsanfrage Nr. 454/19. In der Region Trentino-Südtirol werden rund 40 kg chemisch-synthetische und “biologische” Wirkstoffe pro Hektar ausgebracht, schreiben sie. Diese Pestizidmenge ist gesamtstaatlich betrachtet exorbitant hoch, italienweit wird im Durchschnitt “lediglich” 7 kg pro Hektar ausgebracht. Auch global betrachtet befinden sich Trentino-Südtirol mit diesen Pestizidmengen pro Hektar im absoluten Spitzenfeld, gemeinsam mit Ländern wie Costa Rica (25 kg/ha), Kolumbien (17 kg/ha) oder Israel (15 kg/ha), schrieben die Grünen und bekamen keine Anwort auf ihre Landtagsanfrage nach einzelnen Wirkstoffen (also wieviel Chlorpyrifos, und Mengen. „Daten zu den ausgebrachten Mengen nach Einzelwirkstoffen von Pflanzenschutzmitteln liegen nicht vor.“
Das Onlinemagazin Salto berichtet, dass im berühmten Pesitzidprozess gegen den Umweltschützer Bär und den Autor Schiebel die Staatsanwältin Iovene einem Antrag der Verteidiger stattgab und die Betriebshefte der rund 1.400 klagenden Bauern beschlagnahmen und zu den Akten legen ließ. Dem Gericht in Bozen liegen somit erstmals in der Geschichte der Republik Italiens und der Autonomen Provinz Bozen Daten zu real ausgebrachten Pestizidwirkstoffen und Mengen in den Apfelplantagen Südtirols vor. Darüberhinaus sollen neben den Betriebsheften Bär und Schiebel auch über die internen Rundschreiben des Südtiroler Beratungsringes verfügen, in denen Obstbauern nicht nur der Einsatz gewisser Pestizide empfohlen, sondern auch genau erklärt wird, mit welcher Begründung man gewisse Mittel einsetzen kann, die sonst verboten sind.
https://www.salto.bz/de/article/15092020/rueckzug-mit-folgen
Schutz von Feuchtgebieten vor Pestizideinträgen
Feuchtgebiete sind Lebensraum vieler seltener Tier- und Pflanzenarten und Pestizide wirken sich sehr negativ auf die Artenvielfalt aus. Schutz vor Eintrag von Pestiziden können Uferschutzstreifen an Bächen und Flüssen leisten. Ufergehölze sind Lebensraum und Ufergehölze schützen Gewässer vor dem Eintrag von Pestiziden aus den pestizidbehandelten Agrarökosystemen. Je höher und breiter ein Uferbewuchs mit Gehölzen, desto besser können diese vor Einträgen von Pestiziden schützen. Bei Starkregen können aus Äckern, Wiesen und anderen Agrarökosystemen auch ausgebrachte Dünger in Gewässer eingetragen werden. Auch vor diesem Nährstoffeintrag schützen Ufergehölze.
Ufergehölze leisten einen Dienst zum Schutz der Gewässer vor Pestizideintrag. Jedoch werden Ufergehölze in Südtirol entlang von Gewässern entweder aus Gründen des Hochwasserschutzes oder im Zuge der Revitalisierung und Renaturierung von Gewässern zerstört. Damit sind die Gewässer weniger vor Pestizideintrag geschützt. Mehr zu diesem Thema auf http://biodiversitaet.bz.it/revitalisierung-wasserrahmenrichtlinie/