Biodiversitätsstrategie

(Titelbild: Revitalisierung Falschauer St. Pankratz- Wälder werden bei der Revitalisierung gerodet)

Im Jahr 1993 trat die Biodiversitätskonvention (Übereinkommen über die biologische Vielfalt) in Kraft. 1992 während der Rio- Konferenz wurde das Übereinkommen unterzeichnet. Mit Stand März 2017 hat das Übereinkommen 196 Vertragspartner und wurde von 168 Staaten sowie der Europäischen Union unterzeichnet.

Die Natur Europas, Ökosysteme und die Artenvielfalt, befindet sich teils in einem schlechtem Zustand, der WWF Deutschland berichtet:

  • 47 Prozent der europäischen Fischbestände werden als überfischt klassifiziert. Besonders bedenklich ist die Situation beispielsweise im Nordatlantik (64%) und noch dramatischer im Mittelmeer (93%). (Europäische Kommission, Konsultation zu den Fangmöglichkeiten 2013).
  • Als schwerwiegendste Bedrohungsfaktoren für die terrestrischen Ökosysteme wurde die „Landwirtschaft“ und „Eingriffe in die natürlichen Gegebenheiten“ (z.B. Eingriff in Wasserhaushalte, Verringerung des Biotopverbunds etc.) identifiziert (Europäische Kommission, State of Nature Report 2015).

(https://www.wwf.de/themen-projekte/biologische-vielfalt/reichtum-der-natur/biodiversitaet-in-europa/)

Was etwa den Bedrohungsfaktor Landwirtschaft betrifft, haben Naturschutzorganisationen und Wissenschaftler auch vielfach auf die schlechte Agrarpolitik hingewiesen, die nachweislich ineffizient, klima- und umweltschädlich, sowie sozial ungerecht ist (z.B. https://www.uibk.ac.at/public-relations/presse/archiv/2019/1171/).

Die Mitgliedsstaaten der EU haben sich auf eine Biodiversitätsstrategie bis 2020 geeinigt. Einige Länder Europas haben Anstrengungen zum Schutz von Lebensräumen und Arten unternommen. http://ec.europa.eu/environment/pubs/pdf/factsheets/biodiversity_2020/2020%20Biodiversity%20Factsheet_DE.pdf

Italien: Convention on Biological Diversity, Fourth National Report, 31/03/2009

II.A.4 STRATEGIC OBJECTIVE 4: TO REINFORCE COMPATIBILITY OF REGIONA AND LAND DEVELOPMENT WITH BIODIVERSITY IN THE EU

Headline target: Regional and land development benefiting biodiversity, and negative impacts on biodiversity prevented and minimised or, where unavoidable, adequately compensated for, from 2006 onwards Land ecological connectivity, habitat fragmentation and defragmentation The Habitat Directive (art. 10) includes those land elements that appropriately support ecological connectivity in the indications for correct biodiversity planning. Paragraph 3, Article 3 of DPR 357/97 strengthens this concept in consideration of evolution in scientific knowledge and, in relation to this specific matter, deliberately decided to invest on ecological networks as the reference for eco-compatible planning models.

Auf Europäischer Ebene erfolgt die Überwachung des Fortschritts durch eine Bestandsaufnahme zum Zustand der Biodiversität und der Ökosysteme in Europa (die „EU-Biodiversitäts-Baseline“). Auf internationaler Ebene spielt die EU eine aktive Rolle und wirkt darauf hin, dass die 2010 auf der Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt in Nagoya, Japan, eingegangenen globalen Verpflichtungen erfüllt werden.

Aufhalten des Verlustes an biologischer Vielfalt und der Verschlechterung der Ökosystemdienstleistungen in der EU

Ist ein Ziel der Europäischen Union. Die vollständige Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie und der FFH- Richtlinie sind ebenfalls fundamental für den Erhalt der Biodiversität. Eliminierung negativer Auswirkungen auf Fischbestände, Arten, Lebensräume und Ökosysteme und der Erhalt der genetischen Vielfalt in der Landwirtschaft sind ebenfalls wesentliche Elemente des Schutzes der Biodiversität auf EU Ebene.

Auf nationaler und internationaler Ebene werden zahlreiche Initiativen zum Erhalt der Biodiversität umgesetzt. Artenschutzprojekte, welche erfolgreich verlaufen, wie etwa der Schutz der Wölfe und Bären oder Ansiedlung von Bibern und ihre Rückkehr in Gebiete, wo sie einst ausgerottet wurden. Auch die Provinz Bozen bzw. Parkautoritäten waren an Life Projekten für den Wolf „life wolfalps“ und am Projekt für Bären „Life Ursus“ beteiligt.

Für Bären wurden etliche Projekte durchgeführt (Ursus Brenta II – LIFE00 NAT/IT/007131; ARCTOS Principles for the establishment of an alpine brow bear metapopulation, LIFE03 NAT/CP/IT/000003 oder LIFE DINALP Bear)

Initiativen zum Erhalt und  zur Verbesserung von Lebensräumen in Europa wie Trockenrasen in Ostösterreich oder Schluchtwälder an der Donau in Deutschland und Österreich wurden erfolgreich umgesetzt. Zahlreiche Moore wurden in Österreich und Deutschland renaturiert, denn Mooren kommt eine zentrale Bedeutung im Schutz der Biodiversität und darüberhinaus im Klimaschutz zu, da sie große Mengen Kohlendixid speichern. In Südtirol stellt die Beweidung und die Entwässerung von intakten Mooren immer noch ein Problem dar. Darüberhinaus wird in Südtirol sogar Torf abgebaut.

„So wird, man fühlt sich um 100 Jahre zurückgeworfen, im Etschtal immer noch Torf in großen Stil abgebaut….Dass Moore und Torflagerstätten eine Vielzahl von Ökosystemleistungen erbringen, ist lange bekannt“

Stefan Zerbe, Professor für Ökosystemrenaturierung und Landschaftsökologie an der Uni Bozen, in ff No/2020

Der Zustand gerade von Niedermooren und Hochmooren Europas hat sich bis 2020 nicht verbessert. Die Natur Europas und Südtirols ist weiter unter Druck und die EU hat im Gegensatz zu Südtirol eine umfassende Analyse über den Zustand der Öffentlichkeit vorgelegt. Die EU muss nach 2020 Jahren eingestehen, dass es wenig Erfolge vorzuweisen sind und der Zustand von Arten und Lebensräumen weiter ungünstig ist. Der Bericht über den Zustand und die Trends von unter die Vogelschutz- und die Habitat-Richtlinie fallenden Lebensraumtypen und Arten für den Zeitraum 2013-2018 zeigt viele negative Trends und sehr wenig Besserung https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM:2020:635:FIN

Die Provinz Trient hat mit dem EU Projekt Nemos Feuchtgebiete verbessert (LIFE00 NAT/IT/007281), Lebensräume geschaffen und aufgewertet (z.B. Pfeifengraswiesen, Kode 6410, Auwald, Kode 91E0) und einen wertvollen Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet. Die Lipu (Vogelschutzorganisation) hat in der Region Trenino- Südtirol mit dem Life Projekt (LIFE15 GIE/IT/000897) ein Netzwerk geschaffen, welches sich um Natura 2000 Gebiete kümmert. Mit einem Life-Projekt der ISPRA (LIFE15 GIE/IT/001039) wird die Gefährdung der Biodiversität durch invasive Arten angegangen.

EU- Richtlinien schützen Vögel und Brutgebiete. Vögel und ihre Nester müssen vor Störungen durch Menschen geschützt werden.

Auch im restlichen Italien wurden zahlreiche Projekte umgesetzt, viele Lebensräume zeigen jedoch national einen negativen Trend (Zustand 2014 siehe https://www.minambiente.it/sites/default/files/archivio/allegati/rete_natura_2000/rapporto_194_2014.pdf)

Die Provinz Bozen verkündet 2013 in einer Pressemitteilung ((http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=5&news_article_id=428596) das Projekt „LIFE+ Natur und Biodiversität“ für die Etsch. Insgesamt soll das Projekt einen finanziellen Umfang von fünf Millionen Euro umfassen und die EU soll davon die Hälfte übernehmen. Tatsächlich werden seit zwei Jahrzehnten sogenannte Revitalisierungen und Renaturierungen vorgenommen, bei denen aber eine Zustandserfassung auf Art- und Ökosystemebene fehlt und Lebensräume wie Auwälder und vorkommende Arten nicht berücksichtigt werden.

Jahrzehntelanger Umbau der Etsch: Auwald an der Etsch mit seiner großen Artenvielfalt wird weggebaggert und Gestaltungen werden vorgenommen. Weder auf Art- noch auf Ökosystemebene erfolgt bei derartigen Umbauarbeiten eine Zustandserfassung, obwohl dies in einer Studie 2012 klar gefordert wurde.

Ein Verein, der sich dem Fischschutz und Umweltbildung verschrieben hat, wie etwa fishfirst (http://www.fishfirst.it/aktivitaeten/termine/radtour-lebendige-etsch.html) radelte am 14. Oktober 2017 entlang der Etsch und erfreute sich an den Umbauarbeiten. Artenreicher und naturnaher Silberweidenauwald und Grauerlenauwald an der Etsch wurden vom Naturmuseum Bozen in einem Projekt einst beschrieben und veröffentlicht.  Von 2002 bis 2004 wurden mit dem Projekt „Lebensraum Etsch“ insgesamt 1595 Tier- und Pflanzenarten erhoben, darunter z.B. 49 Schmetterlingsarten und 45 Kurzflügelkäferarten der Roten Liste beschrieben. Bei den Umbauten der Etschufer erflogte jedoch keine Zustandserfassung und die Biodiversität wird nicht berücksichtigt. Man hat sich nicht darauf beschränkt, nur ökologisch defizitäre Neophytenbestände wegzubaggern. ( weitere Pressemitteilung dazu http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=10336

Umbauarbeiten sind weniger am Etschdamm als anderso notwendig. Treffend formuliert etwa die Europäische Kommission im Bericht über den Zustand der Natur 2020 die Forderung: „Wiederherstellungsbedarf für Lebensräume: Die Bereitstellung einer ausreichenden Fläche durch Schaffung bzw. Neuschaffung von Lebensräumen (d. h. Schaffung zusätzlicher Flächen eines Lebensraums, wie z. B. die Wiederherstellung von Feuchtgebietslebensräumen aus ehemals entwässerten landwirtschaftlichen Nutzflächen oder die Erweiterung der Fläche von einheimischen geschützten Waldlebensräumen).

Gelungene Revitalisierung in Lana: wiederhergestelltes Feuchtgebiet auf einer ehemaligen Apfelplantage

Wälder

Der Erhaltungszustand von einigen geschützten Waldtypen in Natura 2000 Gebieten ist in der Provinz Bozen nicht gut, so ist z.B. der Lebensraum Hainsimsen-Buchenwald (Natura 2000 Code 9110) im Naturpark Trudner Horn mittel/schlecht. 194,2 ha nimmt der Hainsimsen- Buchenwald (Luzulo- Fagetum) im Natura 2000 Gebiet ein und ist als Buchenwald eine seltene Waldgesellschaft in Südtirol (mehr zu Wälder siehe http://biodiversitaet.bz.it/waelder/). Durch die forstwirtschaftliche Nutzung sind viele Wälder verändert und nicht mehr naturnah. Die Förderung der Fichte für die Forstwirtschaft hat wertvolle Laub- und Mischwälder stark verändert und für die Artenvielfalt bedeutende Wälder gingen verloren.

 

Viele Wälder sind zu Fichtenwäldern umgebaut worden, nach der FFH Richtlinie geschützte Waldgesellschaften sind in einem schlechtem Erhaltungszustand
Viele Wälder sind zu Fichtenwäldern umgebaut worden, nach der FFH Richtlinie geschützte Waldgesellschaften sind in einem schlechtem Erhaltungszustand

 

Umgeworfene nicht natürlich vorkommende Douglasie im Montiggler Wald im Februar 2020
Umgeworfene nicht natürlich vorkommende Douglasie im Montiggler Wald im Februar 2020- der Montiggler Wald wäre eigentlich ein Eichewald, jedoch fehlen großteils die Eichen

Wälder wie der Montiggler Wald wurden mit Fichten und Douglasien bepflanzt, würden sie naturnah bewirtschaftet wären Eichen gepflanzt worden, denn der Montiggler Wald ist von Natur aus ein Eichenwald. Einige gepflanzte Douglasien fielen im Februar 2020 starken Windböen zum Opfer, Platz für Eichen wird immer wieder im Wald frei. Invasive Neophyten und Nadelgehölzpflanzungen beeinträchtigen jedoch den Montiggler Wald.

Naturnaher nicht falsch aufgeforsteter Montiggler Wald mit Eichen
In der Baumartenzusammensetzung naturnaher und nicht falsch aufgeforsteter Montiggler Wald, Eichen herrschen vor.

Viele Wälder Südtirols, die wie ein Fichtenwald aussehen, sind tatsächlich veränderte Laubwälder, die durch die FFH- Richtlinie zu den geschützten Lebensräumen gehörden.

Auch die Beweidung von Laubwäldern und Schluchtwäldern (siehe Waldtypisierung Südtirol) hat vielen schütztenswerten und geschützten Waldtypen in Südtirol geschadet und der negative Einfluss der Beweidung hält vielerorts an.

beweideter Schluchtwald (Schluchtwald mit zahlreich Schwarzerlen)
beweideter Laubwald mit Schwarzerlen im Spronser Tal

In Südtirol wird der Wald nicht nachhaltig und naturnah bewirtschaftet, wovon nicht nur die Schwarzföhrenforste im Vinschgau zeugen. Die fast totale Aufräumung der vom Windwurf Oktober 2018 beschädigten Wälder werden nach Äußerungen von Prof. Stefan Zerbe mittel- und langfristig Probleme verursachen. Mehr zum Windwurf http://biodiversitaet.bz.it/tag/windwurf-2018/

Der Zustand der Natur Europas ist schlecht:  (http://ec.europa.eu/environment/nature/info/pubs/docs/nat2000newsl/nat38_de.pdf).

Ein Feuchtgebietskomplex mit einer artenreichen Wiese musste einer Apfelmonokultur weichen (Tisens 2015)
Ein wertvoller Feuchtgebietskomplex mit einer artenreichen Wiese wurde aufgefüllt und dann zu einer Apfelmonokultur

Wiesen, Weiden und Pestizidbehandelte Kulturen

Bei Arten gibt es negative Trends und abnehmende Populationen und auch bei Lebensräumen gibt es solche, deren Zustand sich verschlechtert.

Belastungen und Gefahren für die Biodiversität betreffen die Landwirtschaft:

„In Bezug auf die Landlebensräume stellten die „Landwirtschaft“ und die vom Menschen herbeigeführten „Veränderungen der natürlichen Bedingungen“ die größten Probleme für alle drei Gruppen (Vögel, andere Arten, Lebensräume) dar. Was die „Landwirtschaft“ angeht, werden in Bezug auf die Belastungen und Gefahren am häufigsten die Änderung von Anbaupraktiken, die Weidehaltung (einschließlich der Aufgabe von Weidewirtschaftssystemen/keine Beweidung), das Düngen und Pestizide genannt.“

Newsletter Natur und Biodiversität, Zustand der Natur in der EU 2015

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Weidehaltung ist häufig eine Bedrohung der Artenvielfalt, z.B. durch Überweidung

 

Überweidete Almfläche: Trittgänge der Kühe und Weideunkräuter degradieren die Almweide
Überweidete Almfläche: Trittgänge der Kühe und Weideunkräuter degradieren die Almweide

Starker Weidedruck dürfte mit eine Ursache für die geringen Bienendichten in den alpinen Lagen am Plateu sein,“ wurde auch in den Dolomiten bei Untersuchungen zum Habiat Schlern festgestellt. Extensiv genutzte Wiesen und Weiden waren dagegen artenreich. 

In Südtirol werden große Mengen an Pestiziden alljährlich in der Umwelt ausgebracht und in Apfelmonokuturen werden sehr viele verschiedene Mittel gespritzt. Pestizide wirken sich negativ auf Arten und Ökosysteme aus (mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/pestizide/) und die Belastungen halten an.

Wissenschaftlich gut untersucht ist der Artenverlust und Verschwinden von Arten durch Pestizide für Südtirols Schmetterlingfauna. Schmetterlinge wie Widderchen sind gute Bioindikatoren und viele Arten sind aus ihren Lebensräumen verschwunden, die Lebensräume sind durch Pestizide belastet (http://biodiversitaet.bz.it/2017/12/01/schmetterlinge/). Der Rückgang der Schmetterlinge ist auch für den Laien ein unübersehbares Phenomen.” steht auch in einem Faltprospekt zu Schmetterlingen Südtirols herausgegeben von der Autonomen Provinz Bozen im Jahr 2006.

Die Hauptursache für die Gefährdung der heimischen Heuschrecken ist in Südtirol eindeutig bei der Intensivierung der Landwirtschaft zu suchen.” welche 39% der Arten betrifft, steht in der Roten Liste zu den Heuschrecken Südtirols geschrieben. Bei den Libellen Südtirols ist “der Artenrückgang auf die starke Urbanisierung der Talsohlen bzw. auf die Intensivierung und Industrialisierung des Obstanbaus, mit dem qualitativen und quantitativen Anstieg von Pflanzenschutzmitteln und der Mechanisierung der Grabenpfege, zurückzuführen.” Die Roten Listen der Libellen und Heuschrecken stammen aus dem Jahr 2018 und das Insektensterben findet auch in Südtirol statt.

Durch die weitere Ausdehnung der Apfelmonokulturen in Südtirol, etwa im oberen Vinschgau, breiten sich pestizidbehandelte Flächen weiter aus und Wiesenlebensräume gehen verloren. Gab es 1980 noch viele Wiesen und Äcker im Vinschgau von Schlanders aufwärts, so erstrecken sich heute die Apfelplantagen bis nach Glurns. Vogelarten, wie der Kiebitz sind durch diese Landnutzungsänderungen von Wiesen und Äcker zu Apfelplantagen in Südtirol bereits ausgestorben und Wiesenvögel nahmen generell ab (mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/2018/07/14/voegel/).

Monokultur von Apfelplantagen im Etschtal: der Etschtalboden wurde zu einer Agrarwüste

Die Biodiversitätsstrategie der EU bis 2030 sieht die Wiederherstellung geschädigter Landökosysteme in Europa vor. Maßnahmen, die umzusetzen sind:

  • Stärkung der Biolandwirtschaft und biodiversitätsreicher Landschaftselemente auf landwirtschaftlichen Nutzflächen
  • Aufhalten und Umkehren des Verlusts an Bestäubern
  • Reduzierung des Einsatzes und der Risiken von Pestiziden um 50 % bis 2030

„Eine gesunde Natur ist der Kern unserer Wachstumsstrategie, des europäischen Grünen Deals und unserer Wiederaufbaustrategie, denn wir wollen unserem Planeten ökologisch nichts mehr schuldig bleiben.“

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission

(https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal/actions-being-taken-eu/eu-biodiversity-strategy-2030_de)

 

Ringeltaube im Bild- in Südirol nicht ausgestorben (Hohltauben und Turteltauben sind in Südtirol als Brutvögel ausgestorben)
Ringeltaube auf Zedern vorne, hinten Hagenetze der pestizidbehandelten Apfelmonokulturen

Neben den pestizidbehandelten Apfelmonokulturen ist die Situation in den Wiesen selbst, dem Wirtsschaftsgrünland der Viehbauern, ebenfalls sehr unbefriedigend. Artenarmes Grünland und auch überdüngtes Grünland bestimmt die Landschaft. Durch zu hohe Stückzahlen von Rindern pro Hektar Fläche fällt mehr Mist und Gülle an, was zum Verschwinden von Wiesenlebensräumen fühte, da die Artenvielfalt auf mageren, nährstoffarmen Wiesenflächen höher ist. Von den ehemaligen Feuchtwiesen, Niedermooren, Trockenrasen und Magerwiesen ist im Wirtschaftsgrünland Südtirols wenig bis nichts übrig geblieben.

In Südtirol wurde auf das Problem der Überdüngung von Mähwiesen (Gülle) in Natura 2000 Gebieten punktuell mit einem Düngemanagement geantwortet. Die Düngung mit Gülle stellt für das Management von Natura 2000-Flächen eine große Herausforderung dar, da Gülle zu einer signifikanten Erhöhung des ursprünglichen Nährstoffangebots führt. Dies kann sich insbesondere in sensiblen Lebensräumen wie in Mooren und Feuchtwiesen negativ auf den natürlichen Lebensraum auswirken.

Eingetrocknete Gülleschicht auf Wiese

Die vollständige Umsetzung der FFH- Richtlinie sind ebenfalls fundamental für den Erhalt der Biodiversität. Für wertvolle Wiesenlebensräume ist das Fehlen eines Schutzes in der Gesetzgebunge Südtirols ein großes Problem. Diese zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen wurde bereits 1992 erlassen und in Südtirol erst 2010 mit dem Naturschutzgesetz gesetzlich umgesetzt. In diesem Gesetz fehlen jedoch Lebensräume wie Bergmähwiesen (Kode 6520) der FFH- Richtlinie und diese Lebensräume sind nur innerhalb von Natura 2000 Gebieten überhaupt geschützt. Diese Goldhaferwiesen (Trisetion) sind in Südtirol bereits weitgehend verschwunden und verschwinden weiter durch Intensivierung und Planierung. Die mageren Flachlandmähwiesen (Kode 6510) aus dem Verband Arrhenaterion (Glatthaferwiesen) fehlen ebenfalls im Naturschutzgesetz. Ein Beschlussantrag der Grünen im Landtag 2020 (https://www.verdi.bz.it/artenvielfalt-und-berglandschaft-sind-unser-groesster-schatz-schluss-mit-guelle-auf-den-bergwiesen/) wurde abgelehnt und die Provinz Bozen ist wieder einmal nicht gewillt, Lebensräume gesetzlich zu schützen und einen Betrag zum Erhalt der Biodiversität zu leisten. Der konsequente Nicht- Schutz von schützenswerten Lebensräumen ist ein Charakteristikum der Südtiroler Naturschutzpolitik. Die Republik Italien ist so nicht in der Lage die Biodiversität zu erhalten, wozu sie sich eigentlich verpflichtet hat.

Eine der letzten mageren und trockenen Flachlandwiesen aus dem Verband Arrhenaterion im Ultental (Salbei- Glatthaferwiese). Bis in ca. 1700 m Seehöhe kommen in Südtirol die Glatthaferwiesen vor. Die Magerwiesen des Verbandes und andere Magerwiesen sind nach dem Naturschutzgesetz Südtirols nicht geschützt.

Die negativen Tendenzen der Intensierung der Nutzung durch Erhöhung der Großvieheinheiten pro Hektar, setzt sich in Südtirol fort, sichtbar etwa in der Erhöhung der Großvieheinheiten pro Hektar von 2,5 auf 4 für Bergmilchbauern, die Maisfelder haben (https://www.tageszeitung.it/2019/03/31/der-milch-krieg/). Während generell Milchviehbetriebe mit Grünland keine Pestizide einsetzen und Wiesen nicht erodieren, sind Maisfelder von Erosion und durch den Einsatz von Pestiziden gekennzeichnet. Die Erhöhung der Großvieheinheiten ist darüberhinaus nicht mit dem Gewässerschutzgesetz Südtirols vereinbar, das maximal 3 Großvieheinheiten pro Hektar erlaubt.

Da der Schutz bestehender Lebensräume allein nicht
ausreicht, sind die Aktivitäten des Naturschutzes auch
auf Revitalisierung und Renaturierung (besonders
von Feuchtgebieten) auszurichten. Vor allem über
die Extensivierung der Nutzungsintensität könnten
größere Areale in einen naturnäheren Zustand übergeführt werden (Vertragsnaturschutz).

Landschaftsleitbild Südtirol

Vom Jahr 2000 bis ins Jahr 2027 wurde ein Finanzbedarf alleine für das Management von Natura 2000 in Südtirol von insgesamt 66,5 Millionen Euro veranschlagt, wobei nur 3,6 Millionen Euro jährlich für Landschaftspflegeprämien ausgegeben werden. Die notwendige Extensivierung der Bewirtschaftung (Mähwiesen und Weidewirtschaft) in Natura 2000 Gebieten und außerhalb wird nicht angegangen.

(Generelle Problemtik der Intensivierung der Mähwiesen siehe http://biodiversitaet.bz.it/wiesen/wiesen-2/)

Die direkte Zerstörung der Lebensräume ist ein Hauptgrund für den Verlust der Artenvielfalt, nahezu die Hälfte aller Tierarten, die in der Roten Liste Südtirols der Tiere aufscheinen, ist durch die Zerstörung der Lebensräume gefährdet. Auch die wenigen verbliebenen Magerwiesen und Niedermoore im Wirtschaftsgrünland der Provinz Bozen laufen immer noch Gefahr, einfach umgebaggert oder entwässert zu werden. Die Entwässerung von Niedermooren und Feuchtwiesen, das „Meliorieren“ von Wiesenflächen und die schleichende Überdüngung der Wiesen sind für den fast vollkommenen Verlust artenreicher Wiesenlebensräume in Südtirol veranwortlich.

 

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Lebensraumzerstörung: ein Niedermoor in Olang wurde 2019 umgebaggert und ein wertvoller Lebensraum unwiederbringlich vernichtet.

Rund 150.000 Hektar, das entspricht in etwa 20 Prozent der Landesfläche, umfassen in Südtirol die Natura-2000-Schutzgebiete und diese liegen vor allem in der subalpinen und alpinen Stufe Südtirols. Diese Lagen sind jedoch generell weniger artenreich als die niederen Lagen und bedeutende Wiesenlandschaften, wie etwa die Malser Haide mit den Wiesenbrütern. Um einen Wald in den Naturzustand zu überführen, langt es, einfach nichts zu tun. Der Wald renaturiert sich selbst. Für den Erhalt von Lebensräumen, welche durch den Menschen geschaffen wurden, wie etwa magere Flachlandwiesen, braucht es die alljährliche Mahd. Das vollkommene Verschwinden der letzten mageren und bunten Flachlandwiesen Südtirols ist nicht mehr weit, die Nutzung wird immer weiter intensiviert.

Gewässer und Feuchtgebiete

Ebenfalls bedroht sind Europas Gewässer und Feuchtgebiete. Die Bedrohungen sind:

„Hinsichtlich der „Änderungen der natürlichen Bedingungen“ werden am häufigsten Änderungen des Zustands von Wasserkörpern, Änderungen der hydrologischen Systeme, eine abnehmende Vernetzung der Lebensräume und die Grundwasserentnahme genannt. Diese Bewertung stimmt mit derjenigen überein, die im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie durchgeführt wurde.“ Newsletter Natur und Biodiversität, Zustand der Natur in der EU 2015

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Neueres Wasserkraftwerk im Nationalpark Stilfser Joch: Wasserkraftwerke, Hochwasserschutzbauten und Wasserentnahmen zur Bewässerung verändern den Zustand der Gewässer

Die EU-weite Biodiversitätsstrategie bis 2030 sieht die Wiederherstellung gschädigter Ökosysteme vor und für Flüsse und Bäche die Rückführung in einen freien Flusslauf von Fließgewässern in der EU auf mindestens 25 000 km.

In Südtirol werden hingegen Fließgewässer weiter verbaut und Südtirol, z.B. die Ahr in Prettau (https://www.suedtirolnews.it/wirtschaft/wildbachverbauung-hochwasserschutz-fuer-die-ahr-in-prettau). Offiziell sind Südtirols Bäche fast alle in einem guten ökologischen Zustand, auch solche Gewässer, in denen gar kein Wasser mehr fließt, wie es etwa unter Stauseen der Fall ist.

hart verbauter Bach ohne typische Arten der Feuchtgebiete, trotzdem ist der ökologische Zustand des Baches in Südtirol offiziell gut

Die Wasserpolitik der EU hat mit der Wasserrahmenrichtlinie Vorgaben für die Mitgliedsstaaten gemacht, den ökologischen Zustand der Gewässer zu verbessern. Die Vereinten Nationen haben die Dekade 2021–2030 zum Jahrzehnt der Renaturierung des Ökosystems ausgerufen. In die Renaturierung und Revitalisierung der Flüsse und Seen Südtirol werden viele Millionen Euro gesteckt. Auf Landesebene setzt Südtirol aber nicht auf eine systematische und genaue Erfassung und Bewertung der Gewässer und auch bei einzelnen Revitalisierungen erfolgt überhaupt keine Zustandserfassung. Natur wird in Südtirol renaturiert und zerstört, weil wichtige Parameter wie die Naturnähe nicht erfasst werden. Einige Umweltschutzvereine sind zufrieden und können nicht genug bekommen von gerodeten Wäldern.

Im Etschtal wurde der Auwald längs der Etsch, wie er etwa in der Karte der Vegetation Südtirols eingetragen ist, vom Naturmuseum untersucht und mit der Etsch und dem Einzugsgebiet beschäftigten sich Projekte „Spatium Etsch Adige“ und HyMoCares. Doch gerade die Etsch und ihre Ufer werden unentwegt durch Baggerarbeiten, Umbauarbeiten und Durchforstungen seit Jahren beeinträchtigt und abgetrennte Auen wurden nicht an das Hochwasserregime angebunden.

Durchforstete Ufergehölze an der Etsch und sich ausbreitende invasive Neophyten
Durchforstete Ufergehölze an der Etsch und sich ausbreitende invasive Neophyten

In Biodiversität von Schmetterlingen an der Etsch“ von Peter Huemer 2004 wurden die Neophyten an der Etsch bereits thematisiert: „Sämtliche Untersuchungsflächen sind stark negativ durch Neophyten beeinträchtigt. Besonders negativ wirkt sich die intensive Durchsetzung der Auwaldes mit Robinien aus. Hier werden einerseits autochthone Baumbestände verdrängt, andererseits findet eine Eutrophierung des Bodens mit nachfolgender Einwanderung von konkurrenzstarken Kräutern statt, insbesondere Neophyten wie Solidago canadensis und Impatiens glandulifera bilden daher teilweise fast Reinbestände.“ In der Studie „Vegetationsentwicklung nach einer Flussrenaturierung in den Alpen“ (Zerbe et al. 2019) wurde festgestellt, dass sich Neophyten auf renaturierten Flächen oft einstellen.

Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz mahnte die Landesregierung Lebensräume zu schützen und gegen deren Zerstörung vorzugehen (https://www.tageszeitung.it/2019/10/13/krasser-widerspruch/). „Im Pustertal will man ein geschütztes Biotop an der aufgewerteten Ilstener Au in ein Landwirtschaftsgebiet umwandeln. In Brixen wird die Umwandlung von 16,5 ha Wald in Landwirtschaftsgebiet diskutiert.“ Kein Wort verliert der Dachverband dazu, dass der Auwald längs der Rienz in der Ilsterner Au nicht mehr existiert, sondern großteils weggebaggert wurde. Die „aufgewertete Ilstener Au“ ist tatsächlich weggebaggert worden.

Derartige Aktionen sind ähnlich absurd, wie wenn man alle Elefanten in Afrika  abknallen würde, um damit Platz für die Ansiedlung von Elefanten zu schaffen.

8 ha Auwald wurden im Biotop weggebaggert und zerstört.
8 ha Auwald wurden im Biotop Ilsterner Au weggebaggert und zerstört.

Die Umweltschutzgruppe Eisacktal und der Naturtreff Eisvogel veranstalteten einen Ausflug am 18. Juli 2020 und Georg Mörl und Andreas Hilpold leiteten die Wanderung zum Thema:“ Die verborgende Welt der Insekten in der Ilstner Au“. Nach der Rodung des Auwaldes in der Ilsterner Au beobachteten Umweltgruppen Insekten und der Naturtreff Eisvogel verschickte die Bilder der vielen beobachteten Tiere. Dass der uralte Auwald nicht mehr da ist, darüber beklagen sie sich nicht.

Im Gegensatz zu diesen Vereinen sind Politiker für den Schutz der Natur. Politiker der Freiheitlichen des Pustertales hinterfragten die Revitalisierung der Ilsterner Au und der damalige Parteiobmann Walter Blaas war für den Erhalt dieses Auwaldes und gegen die Anlage von Naherholungsflächen in einem geschützten Biotop. Mehr zur Ilsterner Au http://biodiversitaet.bz.it/tag/ilstener-au/

Zu Defiziten der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und Revitalisierung siehe mehr auf http://biodiversitaet.bz.it/revitalisierung-wasserrahmenrichtlinie/

Genetische Vielfalt und Artenvielfalt der Gewässer

Die Gewässerökosysteme werden darüberhinaus auch durch die genetische Verschmutzung belastet. Fische werden meist von Hobbyangelern in Gewässer eingesetzt. Diese verdrängen heimische Arten oder bilden auch Hybride, wodurch die Artenvielfalt abnimmt. Endemische Fischarten von nationalen und internationalen Interesse für den Erhalt der Artenvielfalt, wie die Marmorierte Forelle, sind dadurch in ihrem Fortbestand gefährdet und genetisch nicht mehr rein. Die Forellen bilden mit den nicht heimischen Bachforellen Hybriden. Bachforellen sind in Südtirol Alienarten bzw. Neozoen.

„E´ a nostro avviso urgente un adeguamento della normativa, con il divieto esplicito di introduzione di pesci alieni e di effettuare ripopolamenti con materiale raccoloto in natura. E` poi necessario sperimentare forme di contenimento delle specie aliene che minacciano maggiomente la fauna ittica indigena, ormai naturalizzate in molti fiumi e laghi d´ Italia.“ Ministero dell´ Ambiente della Tutela del Territorio e del Mare, L´impatto delle specie aliene sugli ecosistemi: proposte die gestione, verso la Strategia Nazionale per la Biodiversita´, marzo 2009

Graskarpfen
Graskarpfen, eine Alienart, im Natura 2000 Gebiet Kalterer See

 

Die Bachforelle ist in Südtirol keine heimische Fischart und gefährdet die vom Aussterben bedrohte Marmorierte Forelle durch Hybridisierung

Wie man Fische und Gewässer tatsächlich schützt, darüber gibt es mehr zu lesen auf http://biodiversitaet.bz.it/2017/11/29/fische/

In der Autonomen Provinz Bozen ist der Besatz mit solchen Alienarten nicht gesetzlich verboten und unterbunden worden. Ob in Naturschutzgebieten oder in Stauseen,- Fischarten, welche die Artenvielfalt gefährden, wurden und werden in der Umwelt eingebracht. Mit manchem „Umweltschützer“ in Südtirol kann man leichter Fische angeln, als Gewässer vor Besatz schützen (http://biodiversitaet.bz.it/2019/08/26/hochgebirgsseen-und-seesaiblinge/).

In der Autonomen Provinz Bozen Südtirol wird u.a. versucht, durch Ackerrandstreifen und Wildäcker die Artenvielfalt zu erhöhen (http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=617352). Jedoch ist Südtirol kein Land, in dem der Ackerbau weit verbreitet ist. Ackerrandstreifen machen in Landschaften Sinn, in denen der Ackerbau (Mais, Kartoffeln, Getreide usw.) große Flächen einnimmt. Dort sind Ackerrandstreifen und die dortige Vegetation (Wiesen, Ruderalvegetation, Hochstaudenfluren) wichtige Elemente zum Erhalt der Biodiverstät der Kulturlandschaft.

Ansaaten zur Förderung der Biodiversität wurden in einigen Gemeinden durchgeführt (z.B. Toblach Bienenweiden, Bozen Strassenbegleitgrün https://www.buongiornosuedtirol.it/2018/07/bozen-biodiversitat-am-strasenrand/). Gärtnerisch veränderte Kornblumen und andere Ackerwildkräuter blühen auf solchen Flächen und es wurde nicht regionales Saatgut einheimischer Pflanzen verwendet. Kreuzungung, Bastardisierungen und Hybridisierungen sind für den Verlust der Artenvielfalt und genetischen Vielfalt mitverantwortlich und diese Ackerunkräuter können die genetische Vielfalt der heimischen Ackerunkräutern gefährden, gerade wenn sie in der freien Landschaft eingesät werden. „Dabei kommen Samenmischungen aus dem Handel zum Einsatz. Viele Mischungen enthalten nicht heimische Blumen aus anderen Erdteilen oder reine gärtnerische oder landwirtschaftliche Zuchtformen, die es in der Natur nicht gibt. Jegliche Risikoabschätzung über das Einbürgerungspotential der darin enthaltenen Arten fehlt.“ https://www.naturgartenplaner.de/fileadmin/website-daten/Einjaehrige-Bluehmischungen-oder-Wildblumenwiesen.pdf

Der direkte Nutzen der Biodiversität,  indem Nützlinge gefördert werden, ist im Merkblatt „Funktionelle Agrobiodiversität Mehrjährige Blühstreifen – ein Instrument zur Förderung der natürlichen Schädlingsregulierung in Obstanlagen“ 2018 erschienen.

Invasive Neobiota

Invasive Neobiota sind eine der größten Gefahren für die Biodiversität, Schädlinge wie die Marmorierte Baumwanze für Kulturpflanzen oder Tiegermücken für die Gesundheit der Menschen, machen das Gefahrenpotenial invasiver Arten deutlich. Invasive Neobiota gefährden die Biodiversität, indem heimische Arten verdrängt werden und wenn sie die Überhand gewinnen, auch aus naturnahen Wäldern naturferne Baumbestände werden, was etwa in Robiniengebüschen der Fall ist. Robiniengebüsche haben sich in den Laubwäldern der niederen Lagen, entlang von Straßen und Bächen in Südtirol stark ausgebreitet.

Die Bekämpfung von invasiven Neophyten in Naturschutzgebieten und auf renaturierten/revitalisierten Flächen wird lokal durchgeführt, was zweifelsohne eine wichtige und sinnvolle Maßnahme im Sinne der Biodiversitätsstrategie ist. Auch Umweltschutzvereine wie der Naturtreff Eisvogel sind fleißig bei der Sache und rissen etwa Sprinkraut im Juli 2020 in Stegen aus. Jedoch sind solche Maßnahmen nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. In Wäldern und auch auf renaturierten/ revitalisierten Flächen, in denen eine Störung etwa durch Baggerarbeiten vorliegt, breiten sich die Arten immer weiter aus.  http://biodiversitaet.bz.it/invasive-neobiota/).

Sommerflieder, ein invasiver Neophyt, wuchert am Spronser Bach
Sommerflieder, ein invasiver Neophyt, wuchert am Gebirgsbach, nachdem die Wildbachverbauung dort Uferverbauungen vorgenommen hat.

Monitoringprogramme

Verschiedene nationale Monitoringprogramme der Arten und Lebensräume werden in Italien und Südtirol durchgeführt. Die FFH-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten in Art. 11 zur Überwachung des Erhaltungszustandes (Monitoring) der Lebensraumtypen (Anhang I) und Arten (Anhänge II, IV und V) von europäischem Interesse.

Darüberhinaus werden Vogel, bekanntlich gute Biodindikatoren, der Kulturlandschaft überwacht und der Farmland Bird Index für Italien (Rete Rurale Nazionale & LIPU, 2018) startete im Jahr 2000. Für den Zeitraum von 2000 bis 2017  hat der Index ein Minus von 17,9 % in Südtirol ergeben. Besonders dramatisch ist die Situation in Bezug auf die Abnahme der Feldlerche und damit der Wiesen Südtirols.

Die Lebensräume der Natura 2000 Gebiete werden ebenfalls überwacht und beobachtet und der Staat Italien informiert die Internationale Staatengemeinschaft über den Zustand der Lebensräume und Arten in den Natura 2000 Gebiete. Der Erhaltungszustand von Lebensräumen in den Natura 2000 Gebieten Südtirols ist teilweise nur mittel oder schlecht (z.B. Almen oder Gewässern wie Völser Weiher)

Monitoringprogramme zu Arten in Südtirol betreffen einige Tiergruppen: die Fische in den Gewässern (von Wasserrahmenrichtlinie vorgegeben), zu Fledermäusen, Flusskrebsen, Kieselalgen und Makrozoobenthos zur Ermittlung der Wasserqualität, Schneehuhn  usw.

Zahlreiche in- und ausländische Forschungseinrichtungen und Wissenschafltler beschäftigen sich mit der Biodiversität Südtirols, z.B. langjährige wissenschafltiche Untersuchungen zu Schmetterlingen oder Untersuchung der Käferfauna, Libellen usw. (http://biodiversitaet.bz.it/fauna/). Sehr spät wurde ein Monitoring der Biodiversität an der EURAC gestartet, die Artenvielfalt an Pflanzen und einigen Tiergruppen in ausgewählten Lebensräumen wird durchgeführt. Dieses läuft seit 2019 und wird alle 5 Jahre Ergebnisse liefern und vor allem für die Veränderungen durch den Klimawandel Ergebnisse liefern, die bisherigen Erkenntnisse zur Veränderung der Biodivesität Südtirols finden leider keinen Eingang in das Monitoring, es werden nur Daten seit 2019 verwendet.

Neben der EURAC liefert das Naturmuseum Bozen Informationen zur Biodiversität, indem Rote Listen in einer Fachzeitschrift publiziert werden und eine Datenbank betrieben wird, bei der einige Tiergruppen und höhere Pflanzen in einer Datenbank öffentlich zugänglich sind.

Zur naturräumlichen Ausstattung der Landschaft mit den verschiedenen Lebensräumen, etwa lineare Strukturen in der Landschaft, wie Hecken welche Lebensraum sind und als Korridor dienen, finden sich in den Karten des Geobrowser (http://gis2.provinz.bz.it/geobrowser/). Für Wälder liefert die Waldtypisierung Südtirols wertvolle Informationen und Biotopkartierungen wurden durchgeführt nach der Checkliste der Lebensräume Südtirols, etwa großräumig für den gesamten Talboden des „Flussraum Oberer Vinschgau“ und in weiteren Projekten.

Überdüngte Wiese mit Wiesenkerbel in Deutschnofen
Mit Gülle überdüngte Wiese mit Wiesenkerbel- Wiese liefert nur minderwertiges Futter

Nicht nachhaltige Trends in Bezug zur Erhaltung von artenreichen naturnahen Wiesenlebensräumen in Südtirol zeigen zahlreiche Studien auf, die sich mit der Pflanzenartenvielfalt der Wiesen beschäftigen: „Traditionell bewirtschaftete Wiesen sind in den letzten Jahrzehnten aufgrund der Intensivierung der Gunstlagen und dem Brachfallen der Grenzertragslagen selten geworden (z. B. TASSER & TAPPEINER 2002, OPPERMANN & GUJER 2003, BÄTZING 2005, NIEDRIST et al. 2009a). Die Intensivierung der Nutzung und Aufgabe der Nutzung haben zum Verlust der artenreichen naturnahen Wiesengesellschaften geführt. Darüberhinaus sind viele Wiesen überdüngt und aus einst hochwertigen Futterwiesen wurden Mehrschnittwiesen mit minderwertigem Futter.

Nicht nachhaltige Trends gibt es in Zusammenhang mit dem Erhalt der Artenvielfalt viele, gerade was Landnutzungsänderungen, die Zerstörung von Restbiotopen und die Ausbreitung von invasiver Arten betrifft. Mängel, die für Österreich aufgezeigt wurden, sind auf Südtirol gut übertragbar. siehe z.B. https://www.researchgate.net/publication/323772749_Nicht-nachhaltige_Trends_in_Osterreich_Qualitative_Lebensraumveranderung_durch_Verlust_an_biologischer_Vielfalt

Die Zerstörung von Lebensräumen und der Artenverlust hält an und so  haben etwa die Feldlerchen in Südtirol im Zeitraum von 2000 bis 2017 um 91% abgenommen und die Braunkehlchen ebenso dramatisch. Dies ist ein untrügliches Zeichen für die schlechte Entwicklung der Biodiversität in den Wiesenlebensräumen und Kulturlandschaft Südtirols, wo sie einst vorkamen. Andere typische Vogelarten der Wiesen und Äcker sind nach 2010 ganz verschwunden (Rebhuhn, Kiebitz).

Der Verlust von artenreichen Wiesen, das Vordringen invasiver Neophyten an Gewässern, in Auen und Wäldern oder Stoffeinträge in Ökosysteme (z.B. Dünger und Pestizide in Gewässer) gefährden das natürliche Erbe Südtirols, die Lebensgrundlage sauberes Wasser der Menschen und die Biodiversität.

Zum Erhalt und Wiederherstellung der Artenvielfalt wurden einige erfolgreiche Initiativen umgesetzt. Bartgeier wurden angesiedelt und kreisen über Südtirol und der WWF Bozen hat mit dem Aufhängen von Brutkästen für Wiedehopfe einen Beitrag zum Erhalt und Schutz der heimischen Vögel geleistet. Andere Initiativen sind dagegen fehlgeschlagen, wie die wiederholte Anlage von Laichgewässern im Biotop Millander Au, in dem die letzte Laubfroschpopulation Südtiols erloschen ist . Auch das Einsetzten von Dohlenkrebsen in „renaturierten Gewässern“ wie dem Altarm am Mareiterbach bringt selten Früchte und durch die Baggerarbeiten der Renaturierung wuchert dort die Kanadische Goldrute, ein invasiver Neophyt.

Die Provinz Bozen hat im Jahr 2017 für den Schutz von Fledermäusen und Libellen 4 neue Natura 2000 ausgewiesen und die Ausweisung von Schutzgebieten ist wichtig für den Erhalt der Biodivertät:

  • Gaulschlucht – IT3110054
  • Schgumser Möser – IT3110055
  • Biotop Tartscher Bühel – IT3110053 Biotopo
  • Bigleider Moos – IT3110052

Zwei Feuchtgebiete mit Libellen, darunter die Libelle Leucorrhinia pectoralis, eine FFH- Art Anhang II, ein Hügel mit Trockenrasen und eine Schlucht sind in das Netz der Europäsischen Schutzgebiete aufgenommen worden. Die Gaulschlucht ist ein grösseres Schutzgebiet, das weitgehend naturbelassen ist und wertvolle Schluchtwälder, Auwälder und Felsen (Natura 2000 Lebensräume) mit einer reichhaltigen Flora und Fauna aufweist. Alleine 17 Fledermausarten, darunter auch die sehr seltene Große Hufeisennase, kommen in der Gaulschlucht vor. Alle Fledermausarten sind durch die FFH- Richtlinie Anhang II und IV geschützt. Die Ausweisung von Schutzgebieten ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt.

Der Verlust der Artenvielfalt und die Verschlechterung von Ökosystemleistungen wird sich damit aber nicht aufhalten lassen. Eliminierung negativer Auswirkungen auf Fischbestände, Arten, Lebensräume und Ökosysteme und der Erhalt der genetischen Vielfalt in der Landwirtschaft sind wesentliche Elemente des Schutzes der Biodiversität.

 

Die Europäische Union hat eine Vision für 2050:

Schutz, Wertbestimmung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der von ihr erbrachten Dienstleistungen – des Naturkapitals – der Europäischen Union aufgrund des Eigenwerts der biologischen Vielfalt und ihres fundamentalen Beitrags zum Wohlergehen der Menschen und zum wirtschaftlichen Wohlstand, um katastrophale Veränderungen, die durch den Verlust der biologischen Vielfalt verursacht werden, abwenden zu können.

Nicht schön anzusehen: Blick über den Etschtalboden mit brennender Fabrik im Hintergrund.

Die Biodiversität und die Natur trägt wesentlich zum Wohlergehen der Menschen bei. Die Natur und die Biodiversität sind schön, sie haben einen ästhetischen Wert und die sie sind vor allem auch ein Wert für sich. Der Wert der Biodiverstität liegt wesentlich im Eigenwert, artenreiche und naturnahe Lebensräume sind wertvoll. Arten sind wertvoll und die heimische Flora und Faune macht ein Land wie Südtirol aus, vom Murmeltier bis zum Edelweiß. Touristen kommen nicht nach Südtirol, um durch Apelplantagen zu wandern.  Wenn Südtirol im Rauch erstickt, wenn es auf dem Berg nach Mist stinkt und Südtirol nicht schön ist, dann liegt dies nicht an der Natur und der Biodiverstität Südtirols. Die Natur und Biodversität sind schön.

Südtirols Natur ist schön, da gibt es nichts zu meckern.