Streuobstwiesen sind eine extensive Form des Obstanbaus und diese sind ein herausragender Biotoptyp. Auf Streuobstwiesen stehen Bäume mit verschiedenen Obstarten, wie Pflaumen, Kirschen, Birnen, Äpfel, Aprikosen usw. In Abhängigkeit vom Klima eines Gebietes gedeihen unterschiedliche Obstbäume, wärmebedürftiges Obst wie Aprikosen, Quitten, Pfirsiche in klimatisch milderen Gebieten und Pflaumen, Kirschen, Äpfel und Birnen auch in klimatisch kühleren Gebieten. Streuobstwiesen sind für den Erhalt der genetische Vielfalt der Obstsorten wichtige Lebensräume. Weltweit sind heute alleine an die 4900 Apfelsorten bekannt. An die 3000 verschiedenen Apfelsorten wuchsen und wachsen in den Streuobstwiesen Mitteleuropas. Auch die biologische Vielfalt anderer Obstarten ist groß, verschiedene Birnen- oder Pflaumensorten, lokale Sorten und typsiche Sorten für bestimmte Gebiete wuchsen und wachsen in Streuobstwiesen, die Palabirne des Vinschgaus ist eine solche Sorte oder der Köstliche, eine Apfelsorte des Burgrafenamtes. Sorten wie der Köstliche sind den Apfelproduzenten Südtirols heute meist unbekannt.
Als es noch keine Kühlschränke und keine riesigen Lagerhallen gab, in denen Äpfel viele Monate unter immensen Energieverbrauch gelagert werden, waren Winteräpfel und Winterbirnen auch im Winter als Frischobst verfügbar. In einer Garage, im Keller oder einfach in einer Holzkiste am Balkon lässt sich das Winterobst lange lagern.
Viele alte Obstsorten sind gefährdet und einer Gefährdungskategorie zugeordnet, stark gefährdet in Österreich ist etwa die weisse Pelzbirne oder die Rote Heindlbirne (http://www.zobodat.at/pdf/OEKO_1991_3_0022-0030.pdf).
Eine Obstwiese ist ein Nebeneinander von Wiese und Obstbäumen. Unterschiedliche Wiesentypen gedeihen in Streuobstanlagen, von Feuchtwiesen über Fettwiesen bis Magerwiesen (http://biodiversitaet.bz.it/wiesen/).
Die Wiesen der Streuobstwiese werden gemäht und dienen dann als Futter für Tiere wie Kühe und Schafe. Die Streuobstwiese kann man doppelt nutzten, Obstbau und Viehwirtschaft.
Die Wiesenvegetation einer Steuobstwiese bietet Schmetterlingen, Käfern und zahlreichen anderen Insekten Nahrung. Raupenfutterpflanzen und Nektarquellen sind dabei die krautigen Pflanzen der Wiesen. Landwirtschaftlich genutzte Honigbienen finden das ganze Jahr über reichlich Nahrung in einer Streuobstwiese. Beginnend mit der Obstbaumblüte und den Frühjahrsblühern im Frühling und der Blüte der Wiesenpflanzen im Sommer ist eine reiche Honigernte den Imkern gewiss.
Nach Schätzungen des NABU-Bundesfachausschusses Streuobst gibt es rund 300.000 Hektar Streuobstwiesen in Deutschland und etwa 1,5 Millionen Hektar in Europa. Zugleich sind sie mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten sowie über 3.000 Obstsorten Hotspots der Biologischen Vielfalt für ganz Europa. Streuobstwiesen weisen zahlreiche Mikrohabitate auf, welche für einzelne Arten einen Lebensraum darstellen. Dabei reichen diese von Tümpeln (z.B. Laichplätze für Amphibien) bis zu Totholz (z.B. Pilze, xylobionte Käfer).
Auch für Säugetiere bieten Streuobstwiesen ideale Lebensräume. Igel, Rehe oder Siebenschläfer und Gartenschläfer können in Streuobstwiesen vorkommen. Im Boden graben Maulwürfe ihre Röhren und Füchse machen Jagd auf Feldmäuse.
Die Hochstammobstbäume der Streuobstwiese bieten Vogelarten geeignete Brutmöglichkeiten, von Wiedehopf bis Specht, von Amsel bis Blaumeise. Die Streuobstwiese besteht aus Hochstammobstbäumen, welche wie die Bäume des Waldes irgendwann alt werden. Spechte können in alternden Hochstammobstbäumen Höhlen anlegen. Die Höhlen und auch Hohlräume in Obstbäumen bieten Höhlenbrütern oder Säugetieren wie Siebenschläfern oder Halbhöhlenbrütern wie Meisen oder Rotschwanz geeignete Brutplätze. Nistökologische Untersuchungen in Streuobstwiesen von Erich Glück zu einigen Vogelarten ergaben interspezifisch statistisch sicherbare Unterschiede in der Nesthöhe, der Höhe der Nestbäume, Entfernung von der Stammitte usw. Die Untersuchungen ergaben folgendes Verteilungsmuster: Im innersten Baumbereich brüteten Buchfink und Kernbeißer, wobei letzterer nur die Sonnenseite der Bäume nutzte. Im mittleren Bereich und teilweise auch in den weiter peripher gelegenen Bereichen fanden sich die Grünfinkennester. Daran schlossen sich nach außen die Neststandorte der Girlitze an. In den periphersten Bereichen fanden sich die Stieglitze. Hänflinge brüteten in niedriger Vegetation. Streuobstbäume bieten eine große Auswahl an verschiedenen ökologischen Nischen für Vögel.
Untersuchungen zu Spinnen und Käfern in zwei Streuobstwiesen in Baden-Württenberg ergaben 137 Arten von Spinnen und 472 Arten von Käfern. Mit einem Anteil von 50% Waldarten und 36% Offenlandarten, dominierten die Waldarten. Zwei Ökosysteme, Wald und Wiese sind in einer Streuobstwiese vereint. Die Untersuchungen in Baden-Würtenberg ergaben, dass 20% aller bekannten Spinnenarten im Biotop Streuobstwiese vorkommen. Bei den Käfern fanden sich in der Wiese 147 Arten einer taxonomischen Einheit und im Stamm und Kronenbereich der Bäume 45 Käferarten einer anderen taxonomischen Einheit. Aus den Untersuchungen zur Spinnen- und Käferfauna der Streuobstwiesen vermuten Joachim Holstein und Werner Funke 1995, dass die Streuobstwiese über ein hohes Regulationspotential gegenüber anderen trophischen Gruppen besitzt, das für die Ausgewogenheit interspezifischer Beziehungen ohne Einfluss von Pestziden von großer Bedeutung sein dürfte.
Einige Insektenarten, welche agrarindustriell heute mit Pestiziden bekämpft werden, wie z.B. der Apfelwickler, sind Nahrungsgrundlage von anderen Insekten, wie dem Ohrwurm. Ohrwürmer fressen gerne die Eier des Apfelwicklers, überwinternde Raupen am Stamm werden von vielen Vögeln (Meisen, Spechte,usw.) als Nahrungsquelle genutzt. Schlupfwespen und Raupenfliegen parasitieren Larven und Puppen des Apfelwicklers.
Streuobstwiesen werden auch heute noch meist traditionell bewirtschaftet und es werden keine Pestizide der Agroindustrie, wie z.B. Glyphosat, eingesetzt. Eine Streuobstwiese darf nicht mit einer agroindustriellen Apfelplantage verwechselt werden! Solche Anlagen sind für Höhlenbrüter vollkommen defizitäre Flächen. Agroindustrielle Apfelplantagen sind Systeme, welche durch den Einsatz von Kunstdünger und Pestziden aufrecht erhalten werden. Apfelplantagen in Südtirol werden 20- bis 40 mal zwischen einer Ernte und der nächsten chemisch behandelt. Pestizide sind eine große Gefahr für die Biodiversität, die biologische Schädlingsbekämpfung und für die Ökosysteme.
mehr zu Pestiziden und ihre Gefahr für die Biodiverstität http://biodiversitaet.bz.it/pestizide/
Apfelplantagen und Biodiversität
Fahrgassen der Apfelplantagen werden in Südtirols entsprechend AGRIOS Richtlinien (integrierter Anbau) möglichst blütenfrei durch Mulchen gehalten. Honigbienen suchen Blüten in den Beikräutern der Apfelplantagen auf und können so in Kontakt mit den Pflanzenschutzmitteln kommen, was zu einem erhöhten Bienensterben führen kann (Apistox-Studie). Die Streuobstwiese bietet hingegen einen reich gedeckten Tisch für Honigbienen, nicht nur während der Blüte. Biologisch bewirtschaftete Apfelplantagen werden nicht blütenfrei gehalten und Biolandwirte versuchen, Nützlinge in den Blühstreifen der Fahrgasse zu fördern. Die Biodiversität arbeitet kostenlos in der Apfelplantage, die Biodiversität erbringt eine Leistung.
Der Pflanzenschutz nimmt in Erwerbsobstwiesen neben der Ernte und dem Schnitt am meisten Zeit in Anspruch und im intergrierten Obstbau stellen die Kosten der Pestizide den größen alljährlichen Kostenfaktor dar.
Die kostenlose biodiversitätsgebundene Schädlingsbekämpfung mit Nützlingen wird in biologischen Anlagen gefördert, Florfliegen, Marienkäfer und andere Nützlinge sollen in biologischen Apfelplantagen Schädlinge in Schach halten.
Gabriele Probst beschrieb im Buch „Biologischer Pflanzenschutz“ 1998 wie eine biologische Apfelplantage aussehen soll: Ein idealer Fahrgassenbewuchs ähnelt mehr einer kräuterreichen Wiese als einem immer kurzen gemulchten Rasen (vgl. Fahrgasse Bild oben mit kurz gemulchten Rasen in nicht- biologischer Obstplantage).
Die Beikrautvegetation in der Fahrgasse und unter Bäumen sollte einen mehrstufigen Aufbau haben: die Blütenschicht einer Wiese bietet Nektarfressern Nahrung, wie Bienen, Hummeln, Schmetterlingen, Schwebfliegen, Blattwanzen und Blattkäfern. Auch samenfressende Vögel finden in dieser Wiesenvegetation Nahrung.
Unter den Blattwanzen und Blattkäfern finden sich viele Nützlinge, wie Blumenwanzen als Feinde der Apfelgallmücke. Auch samenfressende und natürlich insektenfressende Vögel vertilgen eine große Masse an Insekten, gerade im Sommer bei der Aufzucht der Jungen Vögel. Die Obstbäume profitieren von den vertilgen Raupen.
Raubwanzen stellen stellen die bedeutensten Feinde der Roten Spinne dar. Blattläuse werden zielgerichtet von Florfliegen effizient in Schach gehalten und Marienkäfer, die Blattkäfer sind, vertilgen ebenfalls Blattläuse, welche manchmal dem Apfelanbau Probleme bereiten.
Obstbaumschädlinge werden am Boden etwa von räuberischen Laufkäfern verzehrt. Diese leben in der Streuschicht und Asseln zersetzen dort organisches Material.
Weberknechte, Schnecken, Kurzflügler, Ameisen und Laufkäfer bewohnen ebenfalls die Beikräuter und tragen auch zum ökologischen Gleichgewicht in der Plantage teil.
Die Wiesenvegetation in der Fahrgasse sollte jedoch nicht zu üppig werden, es sollten nicht Hochstauden wachsen, da die auf schwach wachsenden Unterlagen angebauten Apfelbäume den kräftigen Wurzeln von Hochstauden etwa in Konkurrenz unterliegen- sie können den Apfelbäumen die Nährstoffe und das Wasser absaugen.
Im Boden zersetzten und mineralisieren mikroskopisch kleine Tiere und grössere wie Regenwürmer Pflanzenteile und ausgebrachten Kompost, Mineralstoffe und Nährstoffe werden für die Apfelbäume verfügbar gemacht, der Boden gelockert und die Durchwurzelung gefördert.
Apfelbäume sind Flachwurzler, die Wurzeln liegen nahe der Bodenoberfläche und ein guter Boden bewirkt dadurch die Gesunderhaltung der Apfelbäume. Wenig Beachtung findet im Erwerbsobstbau die Verdichtung der Böden durch das Befahren mit Traktoren. In verdichteten Böden können die Apfelbäume schwerer Nährstoffe aufnehmen und die Wurzeln der Bäume leiden.
Kleearten im Beiwuchs tragen ganz erheblich zur Nährstoffversorgung der Apfelbäume bei, da sie Luftstickstoff aus der Luft binden und im Boden anlagern. Düngeempfehlungen im Erwerbsobstbau waren oft falsch, es wurde mehr Stickstoff gedüngt als durch Stickstoff durch die Apfelernte und durch die Zersetzungsprozesse aus verbraucht werden. Überdüngte Böden und Nitratanreicherung im Grundwasser können die Folge sein.
In den Integrierten Apfelplantagen kommen Künstdünger zum Einsatz, chemische Dünger welche nur durch den massiven Verbrauch von fossilen Brennstoffen gewonnen werden.
Bewässerung im Erwerbsobstbau und Obstwiese
Traditionell wurden Apfelwiesen Südtirols auch bewässert. Waalsysteme brachten das Wasser zu den Wiesen und die Wiesen wurden mit Wasser geflutet. Die Apfelwiesen standen für kurze Zeit im Wasser und wurden so gegossen. Die heutigen Apfelplantagen werden seit einigen Jahrzehnten mit Beregnern von oben bewässert, die Bäume werden nass, Pilzkrankheiten werden gefördert (Pilzkrankheiten auf Blättern und Früchten) und Wasser geht durch Verdunstung auch verloren.
Die Gesunderhaltung von Apfelbäumen ist zentral, um auf Pflanzenschutzmaßnahmen verzichten zu können. Die Beregnung ist ein wichtiger Faktor für die Gesunderhaltung und durch die knapper werdende Ressource Wasser durch den Klimawandel ist ein effizienter Einsatz wichtig. Pilzkrankheiten, wie der falsche und echte Mehltau werden durch unsachgemäßes Beregnen gefördert, an wärmeren Tagen Kopfberegner einschalten, bedeutet Pilzkrankheiten zu fördern.
Moderne Tropfanlagen anstelle von Kopfberegnern helfen Wasser zu sparen und gezielt das Wasser nur dort einzusetzen, wo es Wasser wirklich braucht. Die Wiesenvegetation der Obstplantage muss nicht gegossen werden, auch um die standortangepasste Wiesenvegetation zu fördern. Die traditionellen Apfelwiesen des Etschtales waren großteils Feuchtwiesen, viele lokale Ortsbezeichnungen wie Rieder und Möser geben dies wieder (Rieder bedeutet Ried, also mit Schilf bestandene Flächen, Möser bedeutet Moore, anmoorige Bodenverhältnisse mit z.B. Sauergräsern). Feuchtgebiete waren im Talboden vorhanden, der Grundwasserspiegel war höher (er wurde systematisch durch Entwässerungsgräben vertieft) und zustätzlich mit der Waalbewässerung waren die Obstwiesen auch gleichzeitig Feuchtgebeite. Heute ist die Feuchtwiesenvegetation in den Monokulturen der Apfelplantagen weitgehend verschwunden und die meisten Waale wurden verrohrt. In der Wiese des Obstbaumuseums gibt es noch eine Feuchtwiese, eine Mädesüßhochstaudenflur (Filipendulion).
Die Biodiversität hilft bei der Gesunderhaltung von Apfelbäumen wie auch das richtige Beregnen und Düngen die Gesundheit fördert und übermäßiges Beregnen und Düngen die Obstbäume krankheitsanfälliger macht. In der modernen Agroindustrie und im Erwerbsobstbau reagieren die Landwirte vor allem auf auftretende Schäden, indem sie Pestizide einsetzen. Die Frage, wie man gesunde, vitale, krankheitsfreie Bäume hat, wird weniger gestellt.
mehr zu Wiesen und ihren Artenreichtum auf http://biodiversitaet.bz.it/wiesen/