Revitalisierung der Gatzaue und mediales Echo

Die Dolomiten fragte am Montag, den 25. Jänner 2016:”Wieviel Hilfe braucht die Natur?” Der Verein des Artenschutzzentrums St. Georgen hatte dem Landeshauptmann nämlich Verstösse gegen die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie für drei Natura-2000 Gebiete geschickt, in denen prioritär zu schützender Auwald gerodet worden war, zwei betrafen die beiden Natura 2000 Gebiete an der Ahr, in denen prioritär geschützer Auwald gerodet worden war- als Renaturierung bzw. Revitalisierung. Als eine neuerliche Rodung von Auwald als Revitalisierung in der Gatzaue anstand, erschien ein kritischer Artikel, mit dem Titel „Wieviel Hilfe braucht die Natur?“

Amtsdirektor Sandro Gius rechtfertigt in diesem Artikel die Revitalisierung in der Gatzaue mit den Schotterentnahmen in den 1970er Jahren, durch welche das Bachbett der Ahr in bestimmten Abschnitten um mehr als 5m abgesenkt wurde. Tatsächlich transportieren Südtirols Bäche Geschiebe mit, das an bestimmten Stellen abgetragen (Erosion) und an bestimmten Stellen abgeladen (Akkumulation) wird. Die Bäche gestalten so die Struktur des Bachbettes und lagern mit der Zeit Material ab, auch an Stellen wo vorher Material entnommen wurde. Die Schotterentnahen der 1970er Jahre können heute nicht als Rechtfertigung für Eingriffe verwendet werden.

eine kleine Fichte hat in der Gatzaue die Revitalisierung heil überstanden- die Auwaldbäume nicht
eine kleine Fichte hat in der Gatzaue die Revitalisierung heil überstanden- die Auwaldbäume nicht

Sandro Gius behauptet in dem Artikel, im Auwald würde sich ein Vegetationswechsel breit machen und typische Auwaldsträucher absterben. Doch ein Grauerlenauwald, wie in der Gatzaue, bildet bei ausgeglichen Sedimentationsprozessen (Akkumulation und Erosion) eine Dauergesellschaft aus und geht nicht in einen Hartholzauwald oder Fichtenwald über. Die Gatzaue ist ein solcher Grauerlenauwald, der nicht in einen Fichtenwald übergeht (Auwald Vegetation siehe auch http://biodiversitaet.bz.it/baeche-und-seen/). Dem Vordringen von einzelnen Fichten in Grauerlenauwälder an der Ahr, müsste man waldbaulich begegnen und Fichen fällen, wie es auch in der Waldtypisierung für die Grauerlenwälder der Tallagen empfohlen wird. Aber auf die Waldtypisierung wird bei Revitalisierungen und Renaturierungen nicht zurückgegriffen.

Neuer Bachlauf in der Gatzaue: 3 ha Auwald gerodet
Neuer Seitenarmin der Gatzaue: ca 3 ha Auwald gerodet

Nun wurde in der Gatzaue ein Seitenarm angelegt und Auwald gerodet. Aus landschaftsökologischer Sicht ist damit eine schöne mäanderförmige Flussschleife, mit dem Prallhang (Erosion) auf der einen und dem Gleithang (Akkumulation) auf der anderen Seite, zerstört worden.

In der Tageszeitung vom 17.Juni.2015 (Titel: Umkämpfte Auen) sagt Peter Hecher von der Abteilung Wasserschutzbauten, dass der Auwald nicht vital wäre, also Fichten eindringen würden. Die Unterscheidung der Fichte von Laubbaäumen stellt offensichtlich für einige Experten der Wildbachverbauung eine Schwierigkeit dar, denn in der Gatzaue gibt es so gut wie keine Fichten. Von Fichten- beherrschte Grauerlenwälder gibt es an der Ahr, jedoch nicht in der Gatzaue.

Hecher spricht davon, dass das Gelände abgesenkt wurde, damit der Auwald geflutet wird. Solche Absenkungen hat man bereits in den 1970 Jahren gemacht, als man Schotter entnahm. Heute wird der Schotter eben aus dem Auwald genommen, der Auwald kommt weg und Gruben werden ausgebaggert. Diese Grube oder Geländeeinteifung ist dann entweder ein Seitenarm oder ein Teich. Die Schottergruben sind für die Abteilung Wasserschutzbauten auch Rückhaltebecken, da die Ahr dort Material bei Hochwässern ablagern kann. Diese Flächen werden langfristig wieder mit Material aufgefüllt werden und zuwachsen (wenn die Ahr große Mengen von Sedimenten bei Extremereignissen mitführt). Die Gatzaue wird dann wieder ausschauen, wie sie vor der Revitalisierung ausgeschaut hat. Der Film “Auenlandschaften in Südtirol” spielt an und in einer solchen Abbauzone. 

Die Abteilung Wasserschutzbauten macht den Fehler, dass sie sich nicht an den tatsächlich vorhandenen Verhältnissen orientiert, sondern mit Karten des Flusslaufes des 19. oder 20.. Jahrhunderts heutige Maßnahmen rechtfertigt. Der Hochwasserschutz und der Naturschutz müssen sich an der rezenten/heutigen Ausstattung und Charakteristik einer Fläche richten. Die Rekonstruktion eines Seitenarms in der Gatzaue ist durch die Wasserrahmenrichtlinie nicht zu rechtfertigen. Im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie müssen die Vorraussetzungen geschaffen werden, dass die Ahr die Flusslandschaft selbst gestaltet. Künsltiche Seitenarme und Teiche näheren die Flusslandschaft nicht dem Naturzustand an. Der Naturzustand ist der sehr gute öklogische Zustand der Wasserrahmenrichtlinie. Die Ahr im Bereich zwischen Sand in Taufers bis Stegen war vor der Revitalisierung ein relativ naturbelassener Fluss-und Auenbereich, ohne nennswerte Querbauwerke, welche die Fischwanderung behinderten und mit großen Auwaldflächen und einer reichhaltigen Flora und Fauna. 

Verwüsteter Auwald am neuen Seitenarm
Verwüsteter Auwald am neuen Seitenarm

Ohne Revitalisierungsarbeiten wären die Auen längs der Ahr ausgetrocknet”, sagte Rudolf Pollinger in diesem Interview in der Tageszeitung. Wie wunderbar ausgetrocknete Auen sind, kann man im Nationalpark Donauauen bewundern: die dortigen Heissländen sind ausgetrocknete ehemalige Überflutungsflächen der Donau, welche heute ein Trockenlebensraum von herausragendem Wert für den Artenschutz sind (https://www.donauauen.at/natur-wissenschaft/lebensraeume/). 

Gegen Eintiefungen, welche aufgrund des Geschiebemangels durch die Verbauung der Nebenbäche mit Auffangbecken und anderen Querbauwerken, stattfindet, wurde nichts unternommen. Die Ahr tieft sich teilweise ein, wodurch Maßnahmen zur Stabilisierung des Bachbettes notwendig wären, um dem Abtrag von Material zu verhindern. 

„Nel basso corso dell’Aurino è stata praticata fino agli anni 70 un’intensa attività estrattiva con prelievo d’ingenti quantità di materiale ghiaioso. Contemporaneamente la sistemazione idraulica e la regimazione dei principali affluenti dell’Aurino, necessaria per mettere in sicurezza i centri abitati nel fondo valle, hanno contribuito all’impoverimento del torrente in termini di trasporto solido.“ C. Ghiraldo(1), M.Moser(2), P. Hecher 

Tieft sich die Ahr heute in Abschnitten ein, so ist dies die Folge der Verbauungen der Seitengewässer. Die Seitenbäche transportieren nicht mehr Sand, Kies und Steine, welche in der Ahr abgelagert werden.

Zum Verbot der Rodung von Auwäldern behauptete der jetzige Chef der Agentur für Bevölkerungschutz Pollinger im Artikel der Tageszeitung:” Das Verbot der Rodung von Auwäldern gilt nur, wenn man daraus Kulturgrund macht.” Martin Hilpold rief dann den Amtsdirektor der Forstabteilung in Bozen an und fragte, ob dies stimme. Er antwortete:”Glauben Sie nicht alles, was in der Zeitung steht!” .

Die Rodung von Auwald und Zerstörung von Ufervegetation ist im Naturschutzgesetz Artikel 17 geregelt:

Art. 17 (Ufervegetation und Auwälder)

(1) Es ist verboten, Ufervegetation oder Auwald zu roden oder auf sonstige Weise zu zerstören.

(2) Der Direktor bzw. die Direktorin der Landesabteilung Natur und Landschaft kann ausnahmsweise zur Rodung ermächtigen, sofern öffentliche Interessen dies erfordern.

Bereits in der Studie zur Fluss- und Auenrenaturierung in Südtirol, in der auch Projekte an der Ahr enthalten sind, wurde eine systematische Zustandserfassung bei Renaturierungen gefordert. Jedoch erfolgte eben keine Zustandserfassung, weder auf Art- noch auf Ökosystemebene. Es werden einfach nur ständig Gestaltungen vorgenommen, welche es absolut nicht braucht, wie eben einen neuen Seitenarm in der Gatzaue. Die einzige Fläche in der Gatzaue, welche renaturiert werden müsste, ist das Schotterwerk in der Gatzaue. Schotterwerke sind nicht Teil der Naturlandschaft wie die Auwälder. Derartige Anlagen müssen prioritär renaturiert werden und Auwälder müssen prioritär geschützt werden.

Südtirols „Wächter der Flüsse“ (https://www.salto.bz/de/article/10032016/die-wachter-der-flusse) sind zufrieden mit den Arbeiten und werden weiter kontrollieren und kritisch sein. Dass ohne Zustandserfassung gearbeitet wird, scheint diese Leute nicht zu stören- mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/revitalisierung-wasserrahmenrichtlinie/