Eichelhäher und Tannenhäher

Die Waldmacher: Eichelhäher und Tannenhäher 

Ein Wald ist ein komplexes Ökosystem und einige Tierarten spielen im Waldökosystem eine ganz zentrale und wichtige Rolle, nämlich die Rolle der Samenverbreitung. Einige Baumarten, wie Weiden und Pappeln haben sehr leichte Samen, welche vom Wind in alle Richtungen und sehr weit getragen werden (Windverbreitung= Anemochorie).

Baumarten mit sehr großen und schweren Samen, etwa Kastanien oder Eichen, werden vom Wind überhautpt nicht weit getragen. Solche Samen sind wie die Beeren auf Sträuchern jedoch Nahrung für Vögel und Vögel transportieren die Samen über weite Strecken. Ornithochorie wird die Verbreitung der Samen durch Vögel genannt. Beerensamen (Hagebutten, Holunder usw.) werden von Vögeln gefressen, verdaut und ausgeschieden. Ihr Keimen wird dadurch vorbereitet und Gehölzarten werden verbreitet. Nussfrüchte von Bäumen werden von Vögeln weiter transportiert und auch vergraben. Sie werden regelrecht eingesät. Hähersaaten werden Ansaaten genannt, die von  Eichelhäher und der Tannenhäher anleget werden und für die Bildung ganzer Baumbestände in Wäldern verantwortlich sind.

Tannenhäher auf Gipfel einer Fichte im Herbst: ähnlich wie die Elster und andere Rabenvögel klingt sein schwer überhörbarer Ruf.

 

Hauptsächlich die Nadelwälder der subalpinen Stufe sind Lebensraum des Tannenhähers in den Alpen. Die Arealgrenze von Nadelgehölzen und Hasel hängt eng mit der Verbreitung des Tannenhähers und seiner ausgereiften Technik der Vorratswirtschaft zusammen. Der Tannenhäher verfügt über einen Unterzungensack, in dem er Zirbelsamen transportiert. Die Schnabelgröße und –form variiert sehr stark bei den verschiedenen Populationen des Tannenhähers im Verbreitungsareal.

Der Tannenhäher ist spezialisiert auf subalpine zirbenreiche Wälder, Zirbensamen frisst er am liebsten, füttert seine Jungen damit und gräbt sie als Wintervorrat ein. Der Tannenhäher kann aber auch in Latschengebüschen, Fichtenwäldern oder Fichten- Buchen- Tannenwäldern beobachtet werden, wobei das Vorkommen der Hasel eine Rolle spielt. Er ernährt sich auch von den Samen anderer Nadelgehölze und dort, wo es keine Zirben gibt, auch von Haselnüssen. In subalpinen Lärchen- Zirbenwäldern wurden Dichten von 2 Reviere pro 10 Hektar ermittelt, in den subalpinen Fichtenwäldern ist die Dichte wesentlich geringer.

In den Kehlsack des Tannenhähers passen bis zu 25 Haselnüsse und bis zu 136 Zirbelnüsse, welche dort versteckt werden, wo es wenig Bodenvegetation gibt. Der Tannenhäher vergräbt 6 bis 8 Nüsse je Versteck und trägt Samen hinauf bis auf 2800m, also weit über die Waldgrenze. Die Waldgrenze liegt heute in den Alpen durch die Almbeweidung wesentlich tiefer und der Tannenhäher trägt die Samen weit auf Berge hinauf, wo es keine Samenbäume gibt. Von den versteckten Zirbensamen werden ca 85% im Winter, wo das Nahrungsangebot knapp ist, wieder gefunden und die restlichen 15% der Samen dienen der Verjüngung der Zirbe. Der Tannenhäher ist wie der Eichelhäher aktiv an der Verbreitung der Baumarten und Verjüngung des Waldes beteiligt.

 

IMG-20180405-WA0003
toter Eichelhäher mit Schusswunde, abgeschossen und liegengelassen

 

Während der Tannenhäher zur Naturverjüngung und Ausbreitung von Samen in Nadelwäldern beiträgt, leistet der Eichelhäher in Mischwäldern und Laubwäldern von der planaren bis in die montane Stufe (z.B. Eichen- Föhrenwäldern, Fichten- Buchen- Tannenwäldern) einen unersetzbaren Dienst zur natürlichen Waldverjünung. Er verbreitet die Samen der Eichen und Buchen. Im Herbst sammelt er Bucheckern, Haselnüsse und besonders Eicheln und vergräbt die Baumfrüchte in Hunderten von Verstecken. Bis zu zehn Eicheln transportiert der Eichelhäher in Kehlsack und Schnabel vom Fundort bis zum Versteck. Im Winter liegt die wesentliche Überlebensstrategie des Eichelhähers in der Nutzung seiner bevorrateten Nahrungsreserven, wobei auch er nicht alle findet. Die nicht gefundenden Samen von Haselnüssen, Eichen und Buchen keimen im folgenden Jahr unter der Erde.

Fallen z.B. Eicheln vom Baum hinunter, so keinem unter den Eichen so gut wie keine Eicheln. Eicheln keimen nämlich unter der Erde und der Eichelhäher gräbt die Eicheln einzeln oder in kleinen Gruppen ein, wodurch die Samen optimale Keimbedingungen vorfinden.

Montiggler Wald: von Natur aus ein Eichenwald, doch fehlen im Montiggler Wald die Eichen weitgehend ebenso wie der Eichelhäher.

In Südtirols potentiellen Eichenwäldern fehlen die Eichen teilweise vollkommen. Kein übergeordnete Waldtyp wie Eichenwälder ist in Südtirol derart arm an der Hauptbaumart, wie die Eichenwälder. Ob im Pustertal, Eisacktal, Wipptal, Passeiertal oder im Vinschgau, in den Eichenwäldern fehlen die Eichen und Eichelhäher sind in Südtirols Wäldern selten zu sehen. Sie sind leicht zu beobachten und leicht zu hören, da sie auch recht laut sind und oft auch Wanderer regelrecht krächzend im Wald begleiten. Doch nur sehr selten kann man Eichelhäher sehen, sie wurden und werden durch die Jagd dezimiert und alljährlich abgeschossen.

Bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts stieg die Jagdstrecke an und erreichte zwischen 1975 und 1984 mit knapp 50.000 erlegten Individuen (über 30 erlegte Eichelhäher pro Revier) ihr Maximum. Die legalen Abschüsse nahmen im Folgejahrzehnt um fast 50 Prozent ab (insgesamt 26.000 erlegte Eichelhäher). Im Jahr 2019 wurden noch 1758 Eichelhäher in Südtirol abgeschossen und der Eichelhäher ist in vielen Laubwäldern der kollinen Stufe nicht mehr anzutreffen.

 

Abschusstatistik 2019:

Jagdbezirk Bozen Brixen Bruneck Meran Oberpustertal Sterzing Unterland Vinschgau Provinz
Eichelhäher 497 178 167 529 41 40 92 214 1758

 

Die verordnete Abschussplanung und der Abschuss von Vogelarten, welche für das Ökosystem Wald eine besondere Rolle spielen, ist mit dem Erhalt und der Verbesserung des ökologischen Zustands von Waldtypen mit Eichen und Buchen nicht vereinbar. Dem Ökosystem Wald und der Natur wird dadurch geschadet.

Inbesondere in Zeiten des Klimawandels, wo die weitere Ausdehung und Verbreitung der Eiche als an wärmere und trockenere Klimabedingungen angepasste Baumart notwendig ist, muss ein Waldmacher wie der Eichelhäher gefördert und nicht abgeschossen werden.

Dem Eichelhäher wird auch unterstellt, er würde Singvögel gefährden. „Der Eichelhäher ist traditionell bei uns als schädlich gebrandmarkt…Und immer wieder wird versucht, den Bestand zu dezimieren und einer angeblichen Übervermehrung zum Schaden der Singvögel des Waldes Einhalt zu gebieten…Vom Standpunkt des Artenschutzes sind also Vernichtungskampagnen gegen den Eichelhäher nicht erforderlich.“ Einhard Bezzel, Spektrum der Natur, Band 1. Singvögel.

Die AVK hat einen Brutvogelatlas veröffentlicht, wonach Schäden durch Eichelhäher besonders dort spürbar seien, wo Obstanlagen direkt an Laubwälder angrenzten. Der Eichelhäher sei ein häufig brütender Jahresvogel und er fehle in keinem Laub- und Mischwald Südtirols, wurde dort geschrieben. In der Verbreitungskarte des Brutvogelatlas ist jedoch klar ersichtlich, dass es nur (!) 14 sichere Brutnachweise für den Eichelhäher in den Jahren 2000 bis 2015 in einem Rasterfeld gab. Der Tannenhäher hingegen bringt es auf 29 und es liegen wesentlich mehr Beobachtungen vor. Der Eichelhäher ist sicher nicht häufig und fehlt in vielen Laub- und Mischwäldern Südtirols als sicherer Brutvogel.