(Titelbild: kunterbunte Herde von Schafen auf Alm: Juraschafe und Farbenmix von Bergschafen in den Sarntaler Alpen)
Biodiversität beinhaltet auch die genetische Vielfalt der Nutztierrassen und die Vielfalt der Nutztierrassen ging verloren. Dabei werden in Südtirols Öffentlichkeit Meldungen verbreitet, wonach durch Wölfe seltene Schafrassen wie das Schwarze Brillenschaf oder gar die Tierzucht bedroht sei ( z.B. ttps://www.stol.it/artikel/chronik/woelfe-bedrohen-almwirtschaft-und-seltene-schafrasse, https://www.stol.it/artikel/chronik/wolf-bringt-tierzucht-ins-wanken). Doch sowohl die Gefährdung von Nutzttierrassen als auch die Abnahme- oder Zunahme von tierhaltenden Betrieben hat in Südtirol ganz andere Ursachen.
Tierhaltende Betriebe haben etwa durch die Ausdehnung des Obstbaus in vielen Gemeinden stark abgenommen. Die heutigen Apelbaubetriebe Südtirols waren bis 1960 meist noch Mischbetriebe, Viehhaltung und Obst/Weinwirtschaft wurde betrieben. Der Getreideanbau verschwand schon führer in Südtirol weitgehend. Die Bewirtschaftungsart der Bauernhöfe änderte sich im 20. Jahrhundert grundlegend, aus Selbstversorgerhöfen und Mischbetrieben wurden spezielisierte Betriebe. Sofern nicht zu Wohngebäuden umgebaut, zeugen Ställe und Heustädel in Obstbaugemeinden Südtirols noch von dieser einstigen traditionellen Landwirtschaft Südtirols. Ein Blick zurück in die Geschichte hilft, um die Gegenwart und die heutige Situation zu verstehen. Es waren nicht Wölfe und Bären, die zum Verlust der Rassenvielfalt oder Abnamhe tierhaltender Betriebe führten.
Das Schaf war in vielen Regionen der Ostalpen bis zum ausgehenden Mittelalter das wichtigste Nutztier. In manchen Gebieten, wie etwa auf Sardinien sind Schafe heute auch noch die häufigsten und wichtigsten Nutztier. In den Alpen ist dies nicht (mehr) der Fall.
- 1929 gab es in Südtirol 61.857 Schafe,
- 1961 gab es 46.781 Schafe
- 1970 gab es nur noch 25.271 Schafe.
Die Anzahl der Schafe nahm ab und ebenso die Anzahl der schafhaltenden Betriebe. Nach der starken Abnahme bis 1970/ 1980 nahm die Anzahl der Schafe wieder zu. Die Schafhaltung hat in Südtirol jedoch wesentlich weniger abgenommen als etwa die Schweinehaltung:
- Im Jahr 2000 gab es in Südtirol 47.100 Schafe, 2010 gab es 49.300 und 2018 gab es 40.114.
- Im Jahr 2000 gab es in Südtirol 26.380 Schweine, 2010 gab es 11.100 und 2018 nur noch 8.557.
Es gibt in Südtirol einige ländliche Gemeinden mit fast keinen Schweinen und nur wenige Alpenschweine konnten vor dem Aussterben gerettet werden. Engagierte Rasseerhalter vermehren und erhalten etwa das extrem seltene Schwarze Alpenschwein, die autochthone Rasse Südtirols. Wölfe und Bären sind für derartige Entwicklungen nicht veranwortlich. Wie das Südtiroler Markenprodukt Speck zustande kommt, obwohl es so wenig Schweine in Südtirol gibt, spricht Bände über die heutige Lebensmittel- und Agrarproduktion.
Die Tierzucht und die Haltung von Tierarten wird weniger von Wölfen und Bären beeinflusst als vielmehr auch von den Vorlieben der Tierhalter. Die Sympathie und Liebhaberei für bestimmte Arten oder Rassen hat einen großen Einfluss auf den Tierbestand. Arten wie Yaks oder Lamas oder Rassen wie Schottische Hochlandrinder oder Zwergschafe werden von einigen Tierhaltern auch in Südtirol gezüchtet und vermehrt. Sogar Kamele werden in Südirol gehalten. Aus Liebhaberei entstanden auch manchmal gewinnbringende wirtschafliche Tätigkeiten.
Historisch war das Schaf ein sehr wichtiges oder wohl auch das wichtigste Nutztier, denn es konnte mehrfach genutzt werden:
- Wolle/Leder: für Kleidung, Decken, Filzwaren, Schuhe usw.
- Milch: für die Verarbeitung zu Käse
- Fleisch: Lämmer und ausgewachsene Tiere werden getötet und gegessen
Grundbedürfnisse wie Kleidung und Nahrung deckt das Schaf wie kein anderes Nutztier ab und dadurch kam dem Schaf eine zentrale Bedeutung in der Tierhaltung zu.
Abgaben mussten Bauern über Jahrhunderte in Form von Naturalien leisten und bis ins Mittelalter waren Käselaibe die „Hauptzahlungsform“. Danach wurde auf Butterschmalz, welches nur aus Kuhmilch hergestellt werden kann, umgestellt und dadurch geriet das Schaf zur Milchproduktion ins Hintertreffen, die Rinderhaltung gewann an Bedeutung. Die Abnahme von Schafen und Zunahme von Rindern ist auch mit derartigen historischen Entscheidungen verbunden. Einige Rassen wie etwa das Brillenschaf wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrrhunderts durch vorgeschriebende Rassebereinigungen in ihrem Bestand gefährdet (siehe unten Brillenschaf).
Schafrassen Südtirols und ihre Gefährdung
Auch für Nutztierrassen gibt es Rote Listen, in denen der Gefährdungsgrad angegeben wird. Die FAO hat eine umfassende Liste erstellt. In Südtirol gehaltene Schafrassen und ihre Gefährdung nach Einstufung der FAO gefährdet:
- Tiroler Bergschaf (LC- nicht gefährdet)
- Alpines Steinschaf (EN- stark gefährdet)
- Schwarz-braunes Bergschaf DD (Daten unzureichend)
- Villnösser Brillenschaf (VU- gefährdet)
- Schnalser Schaf (VU- gefährdet)
Diese Rassen sind die autochthonen Rassen Südtirols, wobei alle bis auf das Alpine Steinschaf in Südtirol heute züchterisch mit Herdbüchern betreut werden. Das Tiroler Steinschaf, eine aus Nordtirol stammende Schafrasse wird in Südtirol ebenfalls züchterisch betreut, sie ist gefährdet (VU).
Das Alpine Steinschaf geht auf neolithische Torfschaf zurück und wurde vor allem auch zur Milchproduktion genutzt. Es hat eine relativ hohe Milchleistung. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das klein- bis mittelrahmige, sehr ursprüngliche Steinschaf, wie es heute das Alpine Steinschaf noch darstellt, im gesamten Ostaltenraum und auch in Südtirol anzutreffen. In Südtirol war es damals noch im Obervinschgau, Eisack- und Passeiertal und oberen Pustertal beschrieben worden. Heute gibt es dieses Steinschaf in Südtirol praktisch nicht mehr und sein Verschwinden wird in der Öffentlichkeit und in Schafhalterkreisen nicht wahrgenommen. Das Alpine Steinschaf ist entsprechend Einstufung der FAO stark gefährdet, es gibt nur wenige Hundert Tiere.
Neben dem Alpinen Steinschaf gibt es in den Ostalpen heute noch weitere Steinschafrassen. Genetische Untersuchungen (Baumung 2003) der verschiedenen noch existierenden Steinschafrassen erbrachten eine erhebliche genetische Distanz zwischen den drei Rassen Montafoner-, Krainer– und Tiroler Steinschaf. Alle diese regionalen Steinschafrassen konnten eindeutig genetisch als eigenständige Rassen eingestuft werden.
Vom Villnösser Brillenschaf wird oft behauptet, dass es die älteste Schafrasse Südtirols sei. Doch ist das Brillenschaf im Laufe des 19. Jahrhunderts aus Kreuzungen von autochthonen Landschafen mit Bergamaskerschafen und vor allem auch Paduanerschafen entstanden. Die genetische Diversität der Kärntner Brillenschafe, Villnösser Brillenschafe, Bergschafe und Texelschafe wurde untersucht (Schwend 2001) und es zeigte sich, dass die genetische Differenzierung mäßig ist. Das Villnösser Brillenschaf und das Kärnter Brillenschaf sind erwartungsgemäß genetisch sehr ähnlich.
In Südtirol wird neben echten Brillenschafen, nämlich den Villnösser Brillenschafen auch ein schwarzes Brillenschaf als Rasse gezüchtet. Dieser Rasse fehlen jedoch die typsichen Brillen eines Brillenschafes. Beim Schwarzen „Brillenschaf“ handelt es sich weniger um Brillenschafe als um schwarze Bergschafe. Wölfe sollen diese Schwarzen Brillenschafe gefährden, wobei für echte Brillenschafe kein Schaden durch deren Verschwinden entstünde, da sie nicht die Merkmale eines echten Brillenschafes aufweisen.
Im Gegensatz zu neu entstandenen Rassen wie das Schwarze Brillenschaf gibt es sehr alte und eindeutig als Rasse zu erkennende Schafrassen wie das Zackelschaf. Das Zackelschaf ist eine typische Rasse Ungarns, welche heute in Nationalparks Ungarns in großen Herden gehalten wird. Fleisch liefert das robuste und genügsame Schaf wenig, doch kann es gemolken werden. Das Zackelschaf wäre beinahe ausgestorben. Seit 1950 setzte die kommunistische Regierung Ungarns auf den Erhalt der Rasse. Heute wird das Zackelschaf zur Rasseerhaltungszucht und wegen seines attraktiven Aussehens mit den gedrehten V- förmigen Hörnern häufiger gehalten. Auch Schwarzhalsziegen sind unverkennbar als Rasse, eine autochthone typische Rasse des Wallis in der Schweiz.
Nutztierrassen entstanden in bestimmten Gebieten und sind an die dortigen Umweltbedinungen und den Erfordernissen angepasst. Über Jahrhunderte wurden die Nutztiere von den Bauern selektioniert und es entstanden dadurch lokal angepasste Rassen, wie die Schwarzhalsziege oder das Ouessentschaf.
Das Oussentschaf ist eine sehr kleine, robuste Rasse, die auf der windigen Insel Oussent ganzjährig im Freien leben kann. Das sehr kleine Schaf liefert im Verhältnis zu seiner Größe extrem viel Wolle und als die Schafhalter auf der Insel Oussent die Fleischproduktion steigern wollten, drohte die kleine Schafrasse mit ihrem kargen Schlachtkörper vollkommen auszusterben. Der Schafrasse wäre es fast ergangen wie vielen anderen vom Austerben bedrohten Rassen. Die Rasse konnte jedoch gerettet werden und erfreut sich heute großer Beliebtheit, zur Landschaftpflege oder wegen ihreres attraktiven Äußerem.
Der extreme Preisverfall von Schafwolle nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Schafwollproduktion für viele Schafhalter unrentabel gemacht. Das Schaf als wichtiges Nutztier zur Produktion von Kleidung an Bedeutung stark verloren, obwohl Wolle ein nachwachsender, natürlicher und daher zeitgemäßes Produkt ist. Baumwollkleidung, synthetische Stoffe und billige Wollimporte aus Australien und Neuseeland machten Wolle wertlos und die Wolle Südtiroler Schafe landete auch auf Misthäufen. Den Schafen zur Wollproduktion erging es ähnlich wie den Pferden und Pferderassen als Zugtiere und Lasttiere, welche durch Maschinen ersetzt wurden und schlicht und einfach nicht mehr gebraucht wurden. Es sind nicht Wölfe und Bären daran schuld, dass Nutztierrassen in ihrem Bestand bedroht sind.
Rassezucht in Richtung große und schwere Schafe
Durch den Preisverfall der Wolle wurden viele Schafrassen daher mehr in Richtung Fleisch und Gewicht gezüchtet. Einige Schafrassen, wie das Bergamaskerschaf aus den Alpen der Lombardei, wurde als großes, fruchtbares Fleischschaf in lokale Schafbestände und Rassen eingekreuzt und in den Ostalpen ist diese Schafrasse in Deutschland, Österreich, Italien und Südtirol in den lokalen Schafbeständen und Rassen unübersehbar.
Für Nutztierrassen gab es früher meist keine vorgeschriebenen Rassestandards oder klar definierte Zuchtziele, wie sie heute in der Rassezucht üblich sind. Erst in der Neuzeit wurde mit der systematischen Zucht mit Zuchtbüchern und Rassebeschreibungen begonnen und eine Rasse obliegt nicht mehr den einzelnen Bauern in einem Gebiet, welche Tiere halten, vermehren und selektionieren. Historisch sind die autochtonen Rassen in bestimmten Regionen, wie etwa das Alpine Steinschaf der Ostalpen, das Zackelschaf Ungarns oder das Oussentschaf auf der französischen Insel nicht durch die heutige Rassezucht entstanden. Es sind regional bzw. lokal in einem bestimmten Gebiet entstandene Nutztierrassen. Ähnlich wie natürliche Endemiten, auf ein bestimmtes Gebiet beschränkte Arten, sind autochthone Rassen in einem bestimmten Gebiet entstanden und kamen nur dort vor. Solche autochthonen, historisch entstandenen Rassen sind die Biodiversität, welche es im Sinne des Schutzes der Biodiversität zu erhalten gilt.
Systematisch wurden die historischen autochthonen Schafbestände und Rassen züchterisch durch die Rassezucht verändert und der große Körper, die Ramsnase und die Hängeohren des Bergamasker Schafes kennzeichnen nicht mehr nur eine Schafrasse der Provinz Bergamo sondern viele Schafrassen der Ostalpen, vom Villnösser Brillenschaf bis zum Bergschaf.
Die Bergschafe Südtirols, Österreichs und Deutschlands weisen die Merkmale des Bergamasker Schafes auf, welche systematisch im 20. Jahrhundert eingekreuzt wurden. Es ist ein Siegeszeug des Bergamaskerschafes, welche den Verlust der historischen und ursprünglichen Schafrassen bzw. von Merkmalen in den Alpen zur Folge hat. Das Bergschaf als Rasse ist nicht alt, keine hundert Jahre und vom einstigen autochthonen Steinschaf kann man in einem Bergschaf wenig erkennen.
Nutztierrassen verschwanden oder werden züchterisch verändert. Südtirols häufigste Schafrasse, das Bergschaf, wurde immer größer gezüchtet und erreicht heute ein Widdergewicht von bis zu 130 kg. Schafe sind heute wesentlich schwerer als es Schafe früher waren. Das Alpine Steinschaf, das charakteristische Schaf des Ostalpenraums, gab es als leichte kleinwüchsige Schafrasse im Raum des historischen Tirols mit ca. 30 bis 40 kg Gewicht noch bis vor 100 Jahren. Heute gibt es diese Steinschafe so gut wie nicht mehr und auch die Tiroler Steinschafe wurden zu einer großrahmigen Rasse mit einem Gewicht bis 100 kg. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das klein- bis mittelrahmige Steinschaf die häufigste Schafrasse der Ostalpen und Südtirols (vor allem Vinschgau). Das heutige typische Südtiroler Schaf, das mittel bis großrahmige Bergschaf, ist als Rasse keine hundert Jahre alt und im Vergleich zum leichten historischen Steinschaf ein Schwergewicht. Der Verlust der genetischen Vielfalt von Nutztierrassen zeigt sich in Südtriol vor allem im Verlust des über Jahrhunderte zur Südtiroler Landwirtschaft gehörenden Alpinen Steinschafs.
Wer nun glaubt, das Bergschaf wäre durch die Zucht ein perfektes Fleischschaf, der irrt. Der Rücken ist vergleichsweise schmal und die in der Küche begehrten Lammrücken fallen beim Bergschaf recht bescheiden aus. Dass zunehmend Juraschafe auf den Bergen Südtirols weiden, verwundert nicht weiter, denn an den Rippen dieser Schafe ist viel Fleisch dran.
Auch das Kärntner Brillenschaf wurde immer schwerer: Seit etwa 1980 wurden auch schwere slowenische Jezersko-solcaska Schafe (Seeländer Schafe) eingekreuzt und die Rasse weiter selektioniert. Hatten die Mutterschafe zu Beginn der Erhaltungszucht in Österreich noch durchschnittlich 45 kg, so erreichten sie über 10 Jahre später bereits 80 kg. Das Gewicht der Widder erhöhte sich von 60 bis 70 kg auf 100 kg. Aus der durchschnittlichen Alpenschafrasse wurde ein großes und schweres Schaf.
Das Montafoner Steinschaf (Vorarlberg) und das Ciuta Schaf (Lombardei) gehören zu den letzten Rassen, welche es heute noch gibt und den ursprünglichen rauwolligen, kleinrahmigen Typ der autochthonen und historischen Schafbestände der Alpen repräsentieren und nicht größer und schwerer gezüchtet wurden. Beide Rassen sind extrem selten und drohten vollkommen auszusterben. Wertvollste Erhaltungszucht des Ciuta Schafes und Informationen zum Ciuta Schaf auf den Seiten: https://patrimont.org/de/
Das Alpine Steinschaf ist klein und von zarter Figur. Die Wollfarbe von Steinschafen war oft grau oder eine Mischung von weißlich bis schwarz. Alle Farben sind zugelassen. Typische Kleidungsstücke, wie etwa Sarner Jacken in Südtirol, sind grau. Im 20. Jahrhundert wurden vor allem weiße Schafrassen gehalten. Mit Chemie lässt sich weiße Wolle leicht färben und braune oder schwarze Farbschläge waren nicht mehr gefragt. Heute erfahren dunkle Farben eine Renaissance, da in der Direktvermarktung und Verarbeitung von Wolle unbehandelte und nicht gefärbte Naturwolle ein nachgefragtes Naturprodukt ist.
Brillenschaf/ Pecora Fiemmese- Fleimstaler Schaf/Villnösser Brillenschaf
Kärnter Brillenschafe entstanden aus den Bergamasker, Krainer und Paduaner Schafen. Es kommt in mehreren Gebieten der Ostalpen vor, etwa in Kärnten, Bayern und Slowenien. Bis zum Ersten Weltkrieg war die Rasse in Friaul- Julisch Venetien, Slowenien und Kärnten eine der häufigsten Rassen, auch Rassen wie das Uggowitzer Schaf sind Brillenschafe oder in Südtirol das bekannte Villnösser Brillenschaf. Die Brillenschafe des Fleimstales im Trentino werden als pecora Fiemmese, also Fleimstaler Schaf bezeichnet (https://www.associazionerare.it/ovini-rischio-estinzione/).
Die doktrinierte Rassebereinigung von 1939 führte in Österreich zur Einstellung der Bockhörnungen und das Brillenschaf ging immer mehr im Bergschaf als Rasse auf. Seit den 1940ern setzte ein markanter Rückgang der Rasse ein und 1980 existierten nur noch ein paar wenige reinrassige Tiere. Der Verein zu Erhaltung gefährdeter Haustierrassen und engagierte Züchter ergriffen seit 1980 Initiativen zur Rettung der Rasse und 2013 gab es wieder über 5100 Tiere. Die Rasse ist daher nur noch in der Kategorie NT, drohende Gefährdung, gelistet. 2013 gab es ca. 5000 Brillenschafe allein in Kärnten und in Südtirol 4973 Villnösser Brillenschafe. Das Villnösser Brillenschaf ist gefährdet (VU) nach FAO .
Das Tiroler Steinschaf, wie es heute vor allem in Nordtirol gezüchtet wird und auch in Südtirol herdbuchmäßig betreut wird, hat mit dem historischen Alpinen Steinschaf, wie es bis um 1900 in den Ostalpen und Südtirol verbreitet war, nur mehr wenig gemeinsam. Eine Gemeinsamkeit ist die Wollfarbe, es wurde nicht einheitlich auf eine reine weiße Farbe selektiert sondern zeigt sich in verschiedenen Farben von grau, über schwarz bis weiß.
Die Zucht des Tiroler Steinschafs wurde 1969 im Zillertal begonnen und fünf Jahre später auch die Herdbuchzucht aufgenommen. Das Zuchtziel war eine Verbesserung der Rasse unter Beibehaltung des ursprünglichen Typus (Wollfärbung, Behornung, Alptüchtigkeit und Robustheit). Der heutige Typus des Tiroler Steinschafs ist jedoch deutlich schwerer und großrahmiger als jener um 1970 und durch Einkreuzung von Bergamasker Schafen und Württenberger Schafen wurde das Gewicht der Tiere verdoppelt.
Das Tiroler Steinschaf ist laut FAO gefährdet (VU) und in der Roten Liste Österreichs ist es NT (drohende Gefährdung) gelistet. 2013 gab es 2915 Tiroler Steinschafe. Vom Alpinen Steinschaf, das etwa auch im Vinschgau verbreitet war, gab es in Österreich 2013 nur noch 496 Tiere, die Rasse ist stark gefährdet (EN) und in Südtirol wahrscheinlich vollkommen verschwunden.
Das Krainer Steinschaf hat heute wesentlch mehr Merkmale von diesem ursprünglichen autochthonen Steinschafen Südtirols und Tirols behalten und es wird auch noch gemolken und als Milchschaf gehalten. Klein und leicht wie das Krainer Steinschaf konnte in Österreich das Montafoner Steinschaf vor dem vollkommenen Verschwinden in allerletzter Minute bewahrt werden.
Die Bergschafe sind eine junge Gruppe von Rassen, sie entstanden erst im 20. Jahrhundert nach dem Ersten Welkrieg und die autochthonen Steinschafe verschwanden immer weiter. Die Zucht der Tiroler Bergschafe nahm 1938 in Nordtirol seinen Anfang, lokale Steinschafe waren daran als Ausgangsrasse beteiligtund es wurde vor allem das Bergamasker Schaf eingekreuzt.
Rassen werden von Zuchtvereinen auf bestimmte Merkmale und Eigenschaften selektioniert und Rassen dabei verändert, wie eben das Gewicht. Rassemerkmale stimmen dabei nicht mehr mit den historischen Beständen überein, so etwa auch die Hornlosigkeit des Schnalser Schafes. Früher gab es Widder des Schnalser Schafes mit großen gedrehten Hörnern und heute sind behornte Widder von der Zucht ausgeschlossen. In der Rassezucht wurden und werden markante Merkmale der historischen autochthonen Rassen bzw. Bestände nicht immer so erhalten, wie es für die Erhaltungszucht und Erhalt der genetischen Vielfalt der Nutztierrassen notwendig wäre. Das schwarze „Brillenschaf“ ist ebenfalls ein Ausdruck dieser Fehlentwicklung, ein Brillenschaf ohne charkteristische Brillen.
Für gefährdete und daher vom Aussterben bedrohte Rassen werden Förderungen erteilt. Die Schafrasse Südtirols, welche in ihrem Bestand jedoch am gefährdetsten ist, nämlich das Alpine Steinschaf wird nicht gefördert. Dafür werden zahlenmäßig häufig vorkommenden Rassen wie etwa Grauvieh Rinder gefördert. Die einzige Schafrasse, deren Förderung finaziell und züchterisch in Südtirol tatsächlich notwendig wäre, ist das Alpine Steinschaf.
Heute werden in Südtirol sehr viele Schafrassen gehalten, die Anzahl der Rassen nimmt zu und die historischen autochthonen Schafrassen bzw. Merkmale und Eigenschafen der Schafe Südtirols, wie sie über Jahrhunderte entstanden, verschwanden in den letzten hundert Jahren. Damit nahm die über die Jahrhunderte entstandene Vielfalt der Nutztierrassen ab und ein Stück Kulturgeschichte ging verloren.
Rasse- und Herdbuchzucht
In der Rassezucht von Tierzuchtvereinen werden Herdbücher geführt, in denen Tiere eingetragen sind. In diesen Herdbüchern und in der Rassezucht wird aber nur ein kleiner Teil der tatsächlich vorhandenen Tiere geführt. Herdbuchmäßig wird in Südtirol neben dem Villnösser Brillenschaf auch das Schwarze „Brillenschaf“ betreut. 2019 waren 1312 Villnösser Brillenschafe im Herdbuch vorhanden und 95 Schwarze „Brillenschafe“.
Demgegenüber werden Alpine Steinschafe in Südtirol nicht herdbuchmäßig betreut, die einzige autochthone Rasse Südtirols, über deren Bestand man sich sorgen muss.
Bestand an Schafen in Herdbüchern der Rassezucht Südtirols (Agrar- und Forstbericht 2019):
Bergschaf: 3.436
Schwarzbraunes Bergschaf: 1.746
Villnösser Brillenschaf: 1.312
Villnösser Brillenschaf schwarz: 95
Jura Schaf: 1.402 (Nicht heimische/ autochthone Rasse Südtirols)
Schnalser Schaf: 1.337
Schwarznasenschaf: 228 (Nicht heimische/ autochthone Rasse Südtirols)
Suffolk: 52 (Nicht heimische- autochthone Rasse Südtirols)
Tiroler Steinschaf: 145 (Nicht heimische/ autochthone Rasse Südtirols)
Das Schwarze Bergschaf ist in Deutschland als Rasse schon länger anerkannt (http://www.g-e-h.de/index.php/rassebeschreibungen/72-rassebeschreibungen-schafe/334-schwarzesbergschaf). In Südtirols Herdbuchzucht gibt es die Rasse nicht. Schwarze Bergschafe sind in Südtirol nicht selten zu sehen. Auch rein braune Schafe (Fell und Haut braun) gibt es wie schwarze Bergschafe (Fell und Haut schwarz).
Weitere in Südtirol gehaltene nicht heimische/autochthone Rassen:
aus der Schweiz:
- Juraschaf
- Schwarznasen-Schaf
aus England:
- Sufflok Schaf
aus Frankreich:
- Ouessentschaf
- Lacaune Milchschaf
aus Deutschland:
- Skudden
aus Ungarn:
- Zackelschaf
Autochthone Schafrassen der Alpen Italiens:
Die in den Alpen Italiens vorherrschende Realteilung der Bauernhöfe und die dadurch entstandene kleinteilige und zersplittere Betriebsstruktur ist einer der Gründe, warum in der Vergangenheit mehr Kleinwiederkäuer (Schafe und Ziegen) und weniger Kühe auf den Höfen gehalten wurden. Die Isolation von Bergtälern und Gebieten in der Vergangenheit haben zur Bildung von gebietstypischen und spezifischen Rassen und Schlägen beigetragen.
Rassen der Alpen des Piemont, Gefährdung nach FAO in Klammern:
- Biellese (LC)
- Brigasca (VU)
- Delle Langhe (VU)
- Finarda (VU)
- Frabosana (VU)
- Garessina (CR)
- Saltasassi (CR)
- Sambucana (VU)
- Savoiarda (EN)
- Tasola (DD)
Schafrassen der Alpen der Lombardei:
- Bergamasca (LC)
- Ciavenasca (CR)
- Ciuta (CR)
- Corteno (EN)
- Livo (CR)
Schafrassen de Alpen des Veneto:
- Alpanota (VU)
- Brenegana (wahrscheinlich ausgesorben)
- Brogne (VU)
- Foza/Vicentina (CR)
- Lamon (EN)
Schafrassen der Alpen Friaul- Julisch Venetiens
- Istriana (EN)
- Plezzana (EN)
Schafrassen Aosta
- Rosset (EN)
Brigasca: mittelgroße, autochthone Schafrasse in den Grenzregionen Liguriens, Piemonts Italiens und der Provance Frankreichs (Provinz Imperia und Savona). Es existierten 2004 ca. 2000 Tiere und Prämien wurden für deren Haltung bezahlt. Die Rasse wurde in den Entwicklungsplan für den ländlichen Raum der Region Ligurien aufgenommen und jährlich mit 23 Euro jedes Schaf für die Dauer von 5 Jahren bezuschusst. 2013 gab es 3008 Schafe dieser Rasse und sie ist in gefährdet (VU).
Corteno Schaf (Pecora di Corteno): In der Provinz Breschia vorkommende Schafrasse, die vor allem als Fleischschaf gehalten wird. Das Fleisch hat einen sehr hohem Fettanteil und ist daher geeignet in Terrakottatöpfen konserviert zu werden. 2013 gab es nur noch 295 Schafe und die Rasse ist stark gefährdet (EN). Die Rasse und ihre Zucht wurde finanziell mit EU Geldern (Reg. Cee 2078/92- Misura D2) gefördert.
Saltasassi: klein- bis mittelgroße Rasse in der Provinz Verbano-Cusio-Ossola (Piemont), welche vor allem für Almbeweidung genutzt wurde. Saltasassi bedeutet Steinspringer und der Name drückt die Trittsicherheit der Rasse im Gebirge aus. 2013 gab es nur 40 Tiere der Rasse und die Rasse ist vom Aussterben bedroht (CR).
Garesina: kleine Rasse in der Grenzregion Piemont Liguren beheimatet und eine Rasse des Appenin. Die Rasse wurde dreifach genutzt: Fleisch, Milch und Wolle. Ein Teil der Milch war für die Lämmeraufzucht und ein Teil wurde gemolken und zu Käse verarbeitet. Heute reine Fleischnutzung. Die Rasse ist vom Aussterben bedroht (CR) und 2013 gab es nur 110 Tiere.
Laticauda: bis 100 kg schwere Doppelnutzungsrasse, mit Milchleistung von 1,5 bis 2 Liter pro Tag (Fettanteil 7 bis 13% Proteine 5,5, bis 8,5% und Trockengewicht von 20 bis 25%). Vor allem in den Provinzen Benevento, Avellino und Caserta gehalten. Die Population nahm über Jahrzehnte stark ab.
Rosset Schaf
Wird ausschließlich im Aostata gehalten und wird dort für ihre Wolle und das Fleisch geschätzt. Die Rasse ist stark gefährdet (EN) und nur 919 Tiere wurden 2013 gezählt.
Informationen zu gefährdeten Schafrassen Italiens auf : https://www.associazionerare.it/ovini-rischio-estinzione/
Informationen und Daten zu einzelnen Schafrassen der Alpen in diesem Beitrag stammen u.a. aus dem Buch von Günther Jaritz, „Seltene Nutztierrassen der Alpen, 7000 Jahre geprägte Kulturlandschaft“, erschienen im Verlag Anton Pustet.
Weidetiere und ihr Einfluss auf das Ökosystem
Wölfe und Bären gehören zur Natur Südtirols, sie sind untrenbar mit Südtirol verbunden und heimisch, im Gegensatz zu vielen Rassen oder Arten wie Lamas, Kamelen oder Yaks. Yakauftriebe auf Almen sind in Südtirol zu einem touristischen Event geworden.
Weidetiere haben einen großen Einfluss auf die Vegetation und Biodiveristät der Weiden.
Auf das Ökosystem haben Rassen und die Anzahl von Nutztieren pro Flächeneinheit einen großen Einfluss: die Vegetation wird durch selektives Fressen der Weidetiere (Stichwort Weideunkraut) und vor allem Viehtritt maßgeblich mitbestimmt. Trittschäden bis hin zur Erosion sind die Folge von Überweidung und schwere Rassen verursachen mehr derartige Probleme als leichte Rassen. Die Überweidung und nicht standortangepasste Beweidung stellt in Südtirol sowohl in Trockenrasen als auch in Feuchtgebieten und sogar in Naturschutzgebieten ein Problem dar. Mehr zur Überweidung Hochgebirge auf Almen auf http://biodiversitaet.bz.it/alpine-landschaft/.