Insektensterben

Die Studie von Krefeld (Hallmann et al., 2017) rückte erstmals das Insektensterben in den Fokus und Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, die Masse der Insekten hat in ca. 30 Jahren stark abgenommen, nur noch ein Viertel der Masse an Insekten blieb übrig: Die Messeung der Masse erfolgte mit Malaise Fallen in 63 Naturschutzgebieten. Die Biomasse wurde gewogen und es ergab sich in 27 Jahren eine Abnahme von 76% und im Hochsommer sogar von 82%. Dieser Verlust an Biomasse konnte nicht mit Landnutzungsänderungen, Biotopveränderungen oder Wetterphenomen erklärt werden.

Weltweit nehmen die Insekten ab, über 40% der Insektenarten ist im Bestand bedroht und drohen auszusterben. Das sechste Große Artensterben in der Geschichte der Menscheit vollzieht sich:

  • ein großer Teil der Wasserinsektenarten ist bereits ausgestorben.
  • Der Lebensraumverlust und die Umwandlung zu intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen ist der Hauptgrund
  • Pestizide, invasive Arten und Klimawandel sind weitere Gründe für das Insektensterben weltweit.

(Weltweite Studie: https://doi.org/10.1016/j.biocon.2019.01.020)

In Europa werden auch Lebensräume zerstört, jedoch tritt das Insektensterben auch ohne Zerstörung der Lebensräume und den Lebensraumverlust auf, wie die Studie von Krefeld zeigte. Auch in Lebensräumen, die nicht verändert wurden, gibt es das Insektensterben.

sichtbarer Pestizidnebel und Abdrift in den Wald

Doch nicht nur die Masse nimmt ab. Eine groß angelegte Studie (Seibold et al., 2019) untersuchte den Bestand an Insekten und Spinnen in drei Regionen Deutschland, in der Schwäbischen Alb, im Nationalpark Hainich und in der Schorfheide Chorin. Im Zeitraum von 2009 bis 2017 nahmen die Masse und die Artenzahlen ab. Unterschiedliche Lebensräume von Wiesen bis zu Wäldern wurden untersucht (150 Graslandlebensräume und 140 Wälder). Die Zahl der Insektenarten nahm in dieser relativ kurzen Zeitraum massiv ab, wie auch die Biomasse – auf den Wiesen nahm die Biomasse um mehr als zwei Drittel 67% ab, die Häufigkeit nahm um 78% ab und die Anzahl der Arten nahm um 34% ab.

Auch in den Wäldern schrumpfte die Biomasse, um 41%. Die Anzahl der Arten nahm um 36% ab.

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 publizierte einen Insektenatlas für Österreich, viele Insektenarten sind vom Aussterben bedroht, der Lebensraumverlust und Pestizide sind vor allem verantwortlich.

In Österreich gibt es alleine etwa 700 Wildbienen- und 4.000 Schmetterlingsarten. Das sind deutlich mehr als bei unseren deutschen Nachbarn oder in anderen, größeren Ländern. Die Zahl schrumpft allerdings. Etwa die Hälfte der Tagfalter gilt als bedroht.”

Auf den Facebookseiten zur Biodiversität Südtirols, welche von der öffentlichen Verwaltung betrieben wird, wurde 16. April 2020 gepostet:

“Auch für Österreich wurde inzwischen dokumentiert, dass die Insekten stark im Rückgang sind. Bei uns sind wir noch nicht so weit, aber es wird wohl leider nicht viel besser ausschauen. Genauere Daten über bestimmte Gruppen (Tagfalter, Heuschrecken, zum Teil Käfer, Wanzen und Zikaden) werden in den nächsten Jahren dank Biodiversitätsmonitoring zur Verfügung stehen.”

Für das Insektensterben gibt es jedoch auch in Südtirol genügend Belege und da das Biodiversitätsmonitoring erst 2019 beginnt, wird es in einigen Jahren auch nur Ergebnisse zu Veränderungen für die kurze Zeitspanne seit 2019 liefern. Für fundierte Aussagen müssen Langzeituntersuchungen gemacht werden.

Insektensterben in Südtirol:

Die Masse der Insekten hat abgenommen, seien es nun in einzelnen Lebensräumen wie Wiesen oder auch in ganzen Landschaften, wie dem Etschtalboden. Während dort vor Jahrzehnten z.B. auf Brennesseln auch im Etschtal Raupen zu beobachten waren, so findet man heute so gut wie keine Raupen mehr. Blüten voller Inseken, wie im Bild unten eine blühende Engelwurz in einem Wald zeigen, dass es eine größere Artenvielfalt und Masse an Insekten in Wäldern gibt. Wespen, Käfer, Wildbienen usw. besuchen die Blüte.

Käfer besucht Blüte
Wespe besucht Blüte

Für viele Insektengruppen, wie etwa Schmetterlinge, Heuschrecken, Käfer und Libellen liegen in Südtirol genaue Erkenntnisse vor. Rote Roten Listen geben an, welche Arten in ihrem Bestand gefährdet sind und nennen die Gefährdungsursachen. “Die Hauptursache für die Gefährdung der heimischen Heuschrecken ist in Südtirol eindeutig bei der Intensivierung der Landwirtschaft zu suchen.” welche 39% der Arten betrifft, steht in der Roten Liste zu den Heuschrecken geschrieben. Bei den Libellen Südtirols ist “der Artenrückgang auf die starke Urbanisierung der Talsohlen bzw. auf die Intensivierung und Industrialisierung des Obstanbaus, mit dem qualitativen und quantitativen Anstieg von Pflanzenschutzmitteln und der Mechanisierung der Grabenpfege, zurückzuführen.” Diese beiden Roten Listen stammen aus dem Jahr 2018, aktuelle Ergenbisse liegen vor und zeigen auch die Ursachen auf.

Die sehr artenreichen Gruppen der Käfer und Schmetterlinge wurden in Südtirol ebenfalls laufend untersucht, von Nord-Tiroler Experten wie Huemer und Tarmann für Schmetterlinge und Kahlen für Käfer. Libellen und Heuschrecken sind recht übersichtliche Gruppen, weniger als jeweils 100 Libellen- und Heuschreckenarten gibt es in Südtirol. Kahlen wies 4760 Käferarten 2018 im Kompendium der Käfer nach und gab Gefährdungsursachen an. Über Südtirols Schmetterlinge, deren Verschwinden und die Ursachen des Verschwindens gibt es viele Untersuchungen. (Schmetterlingen: http://biodiversitaet.bz.it/2017/12/01/schmetterlinge/ )

Wissenschaftler liefern seit Jahren Beweise: Schmetterlinge, Bienen und Käfer verschwinden. Hauptursache ist die intensive Landwirtschaft. Doch davon will man im Land zwischen Brenner und Salurn nichts wissen. “, schrieb die Wochenzeitschrift ff am 12. April 2018 treffend und offensichtlich soll man noch viele Jahre warten, bis das Biodiverstitätsmonitoring Ergebnisse liefert. 

Das Insektensterben betrifft nicht nur den Arten- und Naturschutz. Insekten spielen im Ökosystem eine wichtige Rolle, auch in Agrarökosystemen zur Lebensmittelproduktion (betroffen sind alle, von der industriellen Lebensmittelproduktion bis zur  Subsistenzwirtschaft).

«Es droht eine Kettenreaktion»

Glenn Litsios, der in der Schweiz für das Biodiversitäts-Monitoring zuständig ist, sagte in NZZ (15.04.2020: «Es droht eine Kettenreaktion.» Denn unzählige andere Arten von Vögeln oder Reptilien ernähren sich von Insekten. Jene sind wiederum die Nahrungsgrundlage für andere Tiere. Und auch für die Menschen gibt es Konsequenzen: «Einige Insekten ernähren sich von Schädlingen. Wenn beispielsweise Blattläuse keine natürlichen Feinde mehr haben, wird das für die Bauern und Gärtner zum Problem.» Es drohen sogar Ernteausfälle und Blattlausplagen sind mit der Vergiftung von Insekten (z.B. Florfliegen, Marienkäfer) vorprogrammiert.