Schmetterlinge in Südtirol

 

Die Schmetterlinge oder Falter bilden weltweit mit mehr als 180.000 beschriebenen Arten in 127 Familien und 46 Überfamilien nach den Käfern die an Arten zweitreichste Insekten-Ordnung. Jährlich werden weltweit etwa 700 Arten neu entdeckt.

Es gibt ca. 3100 Schmetterlingarten in Südtirol, von Kleinschmetterlingen (57%) über große Tagfalter (6%) bis zu den nachtaktiven Schwärmern und Eulen. Wie viele Arten es genau gibt, ist ungewiss, denn je genauer geforscht wird, desto mehr Arten tauchen auf.

 

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Nachtfalter: Nachtpfauenauge

Es gibt auch Neozoen unter den Schmetterlingen, neue Arten in einem Gebiet (z.B. Kleinschmetterlinge wie Robinienblattmotte).

Viele der heimischen Schmetterlingarten sind in den letzten Jahrzehnten immer seltener geworden und viele Arten sind gefährdet oder sogar ausgestorben.

Doch nicht nur Arten sind ausgestorben, auch die Zahl der Individuen und damit Biomasse nahm ab: „Auch der Reichtum an Individuen hat in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen. Studien schätzen für die Nordschweiz einen Schwund von 99% der Tagfalter im 20. Jh. Ähnliches gilt auch für intensive genutztes Gebiete Südtirols“ Amt für Landschaftsökologie der Provinz Bozen über Schmetterlinge, 2006.

Gefährdung:

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Mauerfuchs (Lasiommata megera), kaum gefährdet

40% der ungefähr 1300 Großschmetterlingarten in Südtirol sind gefährdet.

Rote Liste der gefährdeten Arten Südtirol von 1994:

  • ausgestorben: 88 Arten
  • vom Aussterben bedroht: 73Arten
  • stark gefährdet: 75
  • gefährdet: 156 Arten
  • potentiell gefährdet: 120 Arten
Verwüsteter Auwald in der Gatzaue an der Ahr
Verwüsteter Auwald in der Gatzaue an der Ahr durch Revitalisierung- Pflanzenarten der Auwälder, wie Weiden, Erlen oder auch der Faulbaum, sind Nahrungsfutterpflanzen von Schmetterlingen Auwälder wichtige Fortpflanzungshabitete der Schmetterlinge,

 

Allgemeine Gefährdungsursachen:

  • Habitatverlust (Lebensraumverlust): Zerstörung von Auwäldern, Verlust von artenreichen Magerwiesen, Verlust von Feuchtwiesen, Verlust von Hecken
  • Pestzide: Insektizide kontaminieren Schmetterlingslebenräume, durch Abdrift gelangen Pestzide auch in Wälder, Wiesenlebensräume, Hecken usw.
  • Intensivierung der Nutzung: Überweidung, Überdüngung mit Mist- und Gülle, Bewässerung von Wiesen, Eutrophierung von ehemals mageren Wiesenstandorten, Entwässerung von Niedermooren und Feuchtwiesen usw.
  • Zunahme von naturfernen Flächen (Strassen, Siedlungen)
  • Invasive Neophyten: Eingeschleppte Pflanzen, die sich zum Beispiel entlang von Gewässern stark verbreiten, sind eine Gefahr für die Artenvielfalt der Schmetterlinge.
Schachbrett (Melanargia galathea), Rote Liste: drohende Gefährdung
Schachbrett (Melanargia galathea), Rote Liste: drohende Gefährdung

 

Strukturreiche Lebensräume, wie z.B. die bestockte Weide im Bild unten in der Gemeinde Gais, sind Lebensraum für Schmetterlinge. Auf der Weide wurden insgesamt 20 Arten direkt nachgewiesen. Anhand der erhöhten Bestanddichten oder der Präsenz an zwei Erhebungenstagen wurde die Fläche für 14 Arten als  Entwicklungshabitat oder als prmäres Futterhabitat beschrieben. Die strukturreiche Weidefläche ist im Landschaftsplan der Gemeinde Gais als geschütztes Landschaftselement eingetragen, es ist eine bestockte Weide. Bestockte Wiesen und Weiden sind von besonderem landschaftlichem Wert und ebenso von besonderem Wert für die Biodiversität. Auf der bestockten Weide in Gais soll jedoch Schotter abgebaut werden und der Lebensraum der Schmetterlinge ist in Gefahr. 

bestockte Weide in Gais- muss dem Schotterabbau weichen
bestockte Weide in Gais- Schmetterlinglebensraum

Bei den  Schmetterlingen in der bestockten Weide in Gais handelt es sich um Arten aus ganz unterschiedlichen Lebensräumen. Arten, welche typischerweise Waldränder (Pieris napi, Gonepteryx rhamni, Celastrina argiolus, Ochlodes sylvanus) besiedeln oder Trockenrasenlebensräume (Coenonympha pamphilus, Coenonympha arcania, Aphantopus hyperantus, Maniola jurtina, Polyommatus icarus, Polyommatus amandus). Viele Arten in der Wiese gelten allgemein als Ubiquisten (Pieris brassicae, Pieris rapae, Colias croceus, Vanessa atalanta, Vanessa cardui). Unter den Arten finden sich auch Arten, die in der Roten Liste als potentiell gefährdet eingestuft sind, wie z.B. Celastrina argiolus (Faulbaum-Bläuling). Seltenere Gehölze, wie Faulbaum und Stinkwacholder wachsen in dieser Weide. Der Faulbaum ist Futterpflanze für Schmetterlingraupen und die Wiese ein Futterhabitet.

Die Zerstörung von Schmetterlingslebensräumen und vor allem auch die Intensivierung der Nutzung sind Haupgründe für den Verlust an Arten. Ein anderer Hauptgrund für den Verlust der Artenvielfalt von Schmetterlingen sind Pestizide, Pflanzenschutzmittel der Landwirtschaft. Insektizide kontaminieren Schmetterlingslebenräume, durch die Luft, den Wind und die Abdrift gelangen Pestzide auch in Wälder, Wiesenlebensräume, Hecken usw. Aus dem Vergleich der historischen und der aktuellen Verbreitung der Berghexe (Chazara briseis) und der Widderchen (Zygenidae) zeigte ein komplettes Verschwinden der Widderchen in talnahen Gebieten mit ihren Apfelplantagen (Tarmann, G. 2020).

 

310Schutz vor Abdrift von Pestiziden: Die totale Einhausung von integrierten Obstwiesen würde die Abdrift stark verringern und wären für den Schmetterlingschutz sinnvoll, solange noch chemisch-synthetische Pestizide wie Neonicotinoide in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen.

Schmetterlinge sind in Südtirol auch in Schutzgebieten wie dem Natura 2000 Gebiet Castelfeder oder Trockenrasen bei Staben nicht ausreichend geschützt: So belegten Huemer & Tarmann (2001) in Halbtrockenrasen bis zu 54 Tagfalter- und Widderchenarten, in Trockenrasen bis zu 79 Arten. Intensive Belastungen durch Spritzmittel führten jedoch auch hier zu einem weitgehenden Zusammenbruch der Diversität mit nur noch 14 Arten am Trockenhang in Staben. Aber auch massive Überbeweidung der Halbtrockenrasen von Castelfeder hatte ähnlich negative Konsequenzen mit lediglich noch 7 Arten. Bei Untersuchungen der Schmetterlinge des Schlern, wurde die Beweidung ebenfalls als Ursache für den Schmetterlingsschwund identifiziert.

(https://www.researchgate.net/publication/268267189_Artenvielfalt_und_Bewirtschaftungsintensitat_Problemanalyse_am_Beispiel_der_Schmetterlinge_auf_Wiesen_und_Weiden_Sudtirols)

Untersuchungen der Schmettleringe in Vinschgauer Trockenrasen (Tarmann, G. M. 2009) in 23 Probeflächen ergaben, dass 7 Probeflächen minderwärtig und degradiert sind. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Vinschger Trockenrasen im Alpenraum artenreiche Lebensräume für Schmetterlinge mit einer spezifischen Fauna darstellen. In den vom Obstbau nicht beeinflussten Lagen (Obervinschgau, höhere Lagen, Seitentäler) entsprechen die Artenzahl und die Individuen- dichte den historischen Erfahrungen. Nahe den Intensivobstbaugebieten sind jedoch massive Veränderungen nachzuweisen, die bis zur völligen Degradierung der Biotope für ein Leben von bodenständigen Schmetterlingspopulationengeführt haben.“ stellte der Wissenschaftler G. Tarmann fest.

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Bild: Thymian-Widderchen (Zygaena purpualis). Widderchen- Arten sind durch Pestizide aus vielen Lebensräumen verschwunden.

Durch aktive Naturschutzarbeit können Arten ebenfalls gefährdet werden, ein Beispiel aus Deutschland: So wurde ein Bereich im bayerisch-württembergischen Donaumoos (Leipheimer Moos / Langenauer Ried), der als teilweise trockene, ehemalige Niedermoorfläche beweidet wurde, vom Naturschutz trotz aller Bedenken langjähriger Kenner des Gebiets wiedervernässt. In der Fläche haben sich sehr viele akut vom Aussterben bedrohte Trockenbewohner wie u.a. Pyrgus armoricanus und Polyommatus baton (beide Rote Liste) angesiedelt, benachbarte Feuchtflächen erweisen sich für die Feuchtarten als ausreichend. So kann sich eine Wiedervernässung dahingehend negativ auswirken, dass die beiden wichtigen Zielarten des Naturschutzgebietes verschwinden oder zumindest stark geschädigt werden.

Bei Revitalisierungen in Südtirol werden Wälder und Auwälder gerodet. Schmetterlinge, wie der Weidenkarmin, die auf Weiden angewiesen sind, verlieren ihre Raupenfutterpflanzen (Weidenkarmin ist vom Aussterben bedroht und wurde an der Etsch nachgewiesen). Auf den Baggerflächen breiten sich oft  invasive Neophyten aus. Im Auwald bei Bad Ratzes wurden über 300 Schmetterlingarten gefunden und oft werden in Südtirol Auwälder im Zuge von Renaturierungen gerodet und damit zerstört. Mehr zu diesem Thema http://biodiversitaet.bz.it/revitalisierung-wasserrahmenrichtlinie/

Invasive Neophyten: Herbivore Insekten wie Schmetterlinge sind von invasiven Neophyten betroffen. Untersuchungen in der Schweiz zeigten, dass die Artenvielfalt an Schmetterlingen negativ mit der Zunahme an invasiven Neophyten korreliert. Keine einzige Schmetterlingart kann von invasiven Neophyten profitieren, jedoch leiden 24 % der Arten unter der Anwesenheit von invasiven Pfanzenarten (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/ddi.12513).

Beim Projekt Lebensraum Etsch wurde ebenfalls die Durchsetzung des Auwaldes längs der Etsch von P. Huemer 2004 als starke Beeinträchtigung des Schmetterlinglebensraums hervorgehoben: „Sämtliche Untersuchungsflächen sind stark negativ durch Neophyten beeinträchtigt. Besonders negativ wirkt sich die intensive Durchsetzung der Auwaldes mit Robinien aus. Hier werden einerseits autochthone Baumbestände verdrängt, andererseits findet eine Eutrophierung des Bodens mit nachfolgender Einwanderung von konkurrenzstarken Kräutern statt, insbesondere Neophyten wie Solidago canadensis und Impatiens glandulifera bilden daher teilweise fast Reinbestände.“

Biologie und Ökosystem

Die Entwicklung des Schmetterlings läuft vom Ei, Raupe, Puppe zum bekannten Schmetterling ab.

Schmetterling
Kaisermantel am Waldrand

Beispiel Kaisermantel (Bild) : Sie leben an sonnigen Waldrändern, blütenreichen Waldlichtungen mit strauchbewachsenen Rändern und lockeren Wäldern mit einer gut entwickelten Krautschicht. Die Falter fliegen jährlich in einer Generation von Juni bis August. Sie saugen mit Vorliebe an Brombeerblüten, Skabiosen und Distelköpfen. Nach der Paarung werden die Eier vorwiegend auf Baumstämmen abgelegt, in deren Nähe Veilchen wachsen. Das Weibchen beginnt in den Baumkronen seinen Suchflug. Hat es einen geeigneten Baum gefunden, lässt es sich senkrecht auf einen besonnten Platz am Boden fallen und sonnt sich. Danach fliegt es kurze Strecken dicht über den niederen Pflanzen und landet auf ihnen. Nahrungspflanze für die Raupen sind Feilchenarten (Viola sp.) und das Mädesüss (Philipendula ulmaria). Die Raupen schlüpfen im Spätsommer und verstecken sich am Stamm, ohne zu fressen, um zu überwintern. Erst im nächsten März werden sie aktiv und kriechen nach unten, um Nahrungspflanzen aufzusuchen und zu wachsen. Am Tag halten sie sich auf der Unterseite von Blättern verborgen und kommen nur in der Nacht hervor. Sie verpuppen sich an Kiefern oder an Zweigen in Bodennähe. Nach der Verpuppung schlüpft der Schmetterling aus der Puppe und sucht Skabiosen und Brombeeren auf, von deren Nektar er sich ernährt.

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Blütenreiche Waldlichtung bietet Faltern Nahrungspflanzen

Wälder mit ihren Lichtungen sind heute in Südtirol Lebensräume, in denen Schmetterlinge noch zahlreich sind. So wurden bei Untersuchungen am Schlern nicht etwa die Wiesen als Schmetterlingshochburgen identifiziert, sondern eine Kiefernwald- Brandfläche in Tiers mit 363 Arten, der Kiefernwald Weisslahn mit 344 Arten, der Auwald Bad Ratzes mit 322 Arten und der Fichten- Tannenwald Bad Ratzes mit 315 Arten.

Durch die vielen verschiedenartigen Fressfeinde der Schmetterlinge haben sich im Laufe der Evolution zur Tarnung und Warnung auf den Flügeln der Schmetterlinge oft Zeichnungen entwickelt, die entweder wie Tieraugen aussehen oder auch gefährliche und giftige Tiere imitieren oder durch auffällige Färbung vor ihrer Giftigkeit warnen. Es sind dies hochspezialisierte Anpassungen an die Umwelt, ebenso wie die Tarnung mancher Schmetterlinge, welche wie Rinde oder Blätter aussehen.

Schmetterling 2

Viele Schmetterlinge sind auf ganz bestimmte Lebensräume angewiesen und spezialiert. Es reicht bei weitem nicht aus, dass etwa die Raupenfutterpflanze einer Art in ausreichender Menge an einem Standort vorkommt, auch das Vorhandensein weiterer, etwa für andere Entwicklungsstadien notwendiger Requisiten (z.B. Faltersaugpflanzen) müssen vorhanden sein. Dazu kommen Faktoren wie Flächengröße und Isolationsgrad des Lebensraums, beides wichtige Kenngrößen für die langfristige Überlebensfähigkeit der Population. Isolierte Vorkommen einer Art können leicht erlöschen, wenn ein Ereignis eintrifft (natürliche oder anthropogene Einflüsse), das die Population dahinrafft.

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Admiral, Vanessa atalanta, auf seiner Raupenfutterpflanze Brennessel

 

Schmetterlinge sind auch gute Bioindikatoren. Aufgrund der engen Bindungen an ihren Lebensraum weist das Auftreten eines gewissen Schmetterlings auf ein bestimmtes Biotop hin. Fast alle heimischen Schmetterlinge kommen nur an ganz speziellen Orten vor, wo Futterpflanzen für Raupen und geeignete Lebensräume für Schmetterlinge zu finden sind. Darüberhinaus spielen sie im Ökosystem eine wichtige Rolle, z.B. Bestäubung von Pflanzen. Auch in der Nahrungskette spielen sie eine wichtige Rolle, da Raupen für bestimmte Vogelarten eine wichtige Futterquelle sind und Nachtfalter eine Hauptnahrungsquelle von Fledermäusen darstellen.

 

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Bläuling

Die Raupen einiger Schmetterlingsfamilien leben in Symbiose mit Ameisen, nämlich die Bläulinge. Die Raupe sondert mit Drüsen am Rücken eine zuckerhaltige Flüssigkeit aus. Diese lockt Ameisen an. Die Ameisen trommeln mit ihren Beinen auf den Rücken der Raupe, um die Produktion der süßen Flüssigkeit anzuregen. Im letzten Raupenstadium schleppen die Ameisen Bläulingraupen in ihren Bau. Hier nimmt die Raupe den Geruch der Ameisen an und lebt nicht mehr symbiotisch mit den Ameisen, sondern tritt als Sozialparasit auf und ernährt sich von der Brut der Ameisen. Im Bau verpuppt sie sich und überwintert je nach Jahreszeit.