Renaturierung und Wasserrahmenrichtlinie Mittleres Eisacktal

Titelbild: Natur am Eisack- Opfer der Bautätigkeit

Zentrales Ziel des Projektes StadtLandFluss Mittleres Eisacktal (2009-2011) war die planerische Festlegung von Maßnahmen zur Verbesserung der Hochwassersicherheit und Erreichung eines guten ökologischen Zustandes der Gewässer. Das Projektgebiet umfasst hauptsächlich die Gemeinde Brixen und Vahrn.

Natur am Eisack in Brixen ohne "Aufwertung" mit natrunahen Auwäldern am Ufer und Flussröhricht
Natur am Eisack in Brixen/Vahrn: naturnahe Auwälder am Ufer und Flussröhricht auf Flussinsel

 

Der Eisack selbst weist einen GUTEN ÖKOLOGISCHEN ZUSTAND auf und eine weitere Verbesserung wäre daher nicht unbedingt notwendig. Jedoch wurden zahlreiche Arbeiten durchgeführt. Naherholungsflächen und künstliche Bachbettmodellierungen wurden im Eisack realisiert. 

 

Holzfällerarbeiten am Eisack in Vahrn
Gefällter Auwald nach Holzfällerarbeiten am Eisack in Vahrn

 

Das Projekt StadtLandFluss Mittleres Eisacktal hat 2009 bis 2011 zahlreiche Defizite und Handlungsfelder zur Verbesserung des ökologischen Zustands im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie für das Mittlere Eisacktal angeführt.

Für das gesamte Projektgebiet wurde der Ist- Zustand erhoben (im Gegensatz zu einzelnen Revitalisierungen/Renaturierungen, bei denen kein Ist- Zustand erhoben wird):

Es wurde festgestellt, dass insbesondere kleinere und mittlere Zubringer harte Verbauungen und naturferne Strukturen aufweisen. Viele Seitengewässer sind für Gewässerorganismen nicht mehr erreichbar oder als Lebensraum ungeeignet. So ist der Bach, der durch Albeins fließt, einer dieser Bäche. Auch der Trametscherbach, der durch Milland fließt, ist ein solch hart verbautes unnatürliches Gewässer. Das Projekt sah Renaturierungen/ Revitalisieungen für die Seitenbäche vor, jedoch wurden die Seitenbäche nicht renaturiert, der Eisack selbst wurde umgebaut. Der Eisack ist jedoch in einem guten ökologischen Zustand, laut Wasserrahmenrichtlinie. Der Eisack wurde emsig umgebaut, neue Verbauungen kamen hinzu und viele Ufergölze (= Auwälder) wurden durchforstet, kahlgeschlagen oder gerodet.

Für den Hochwasserschutz wurden Dämme und Ufermauern erhöhte (Schalderer Bach, Eisack Brixen) und Rückhaltebecken gebaut (Schalderer Bach).

Ufergehölze am Eisack Brixen vor "Aufwertung" des Flussraums
Ufergehölze am Eisack Brixen vor „Aufwertung“ des Flussraums

 

Nach Aufwertung des Flussraumes: fehlende Ufergehölze
Nach „Aufwertung“ des Flussraumes: fehlende Ufergehölze

 

Die Umbauarbeiten führten zum Verschwinden der Ufergehölze und Röhrichte im Bereich des neu modellierten Flusslaufes des Eisacks in Brixen. Die flussbegleitenden dynamischen Lebensräume mit natürlich vorkommenden Arten und Lebensräumen Südtirols sind durch die „Aufwertung“ verloren gegangen und mit Ansaaten und Anpflanzungen wurde die natürlich entstandene Vegetation ersetzt. Der Boden des Flussbettes wurde mit Steinen gestaltet und Erde wurde eingbracht. Das natürliche Bodenmaterial des Flussbettes bestünde aus Sand, Kies und Steinen und nicht aus Erde. Dadurch wurden unnatürliche Bodenverhältnisse geschaffen.

künstlich modelliertes Bachbett innerhalb der Dämme als "Aufwertung"
künstlich modelliertes Bachbett innerhalb der Dämme als „Aufwertung“- wurde dann eingesäät und bepflanzt

 

neue harte Verbaung mit Steinen, keine natürlichen Ufer
neue harte Verbaung mit Steinen, keine natürlichen und dynamischen Ufer

 

Für das Mittlere Eisacktal wurden gerade die hart verbauten Zubringerbäche als Gewässer mit ökologischen Defiziten identifiziert, welche jedoch nicht revitalisiert/ renaturiert  wurden.

Der WWF Bozen hat 2015 auf die misslungene Revitalisierung aufmerksam gemacht, es wurden nicht hart verbaute Bäche revitalisiert (https://wwfbolzano.com/2015/11/20/die-misslungene-revitalisierung-der-fliesgewasser-sudtirols/). Der Vorsitzende der Umweltgruppe Eisacktal, Andreas Hilpold, hat hingegen 2016 die Arbeiten gelobt und behauptet, zu kontrollieren, kritisch zu sein und gut mit Ämtern zusammenzuarbeiten (online nachzulesen auf https://www.pz-media.it/inhalt/wirtschaftumwelt/1317-umweltverbände-ziehen-an-einem-strick-ja-zur-revitalisierung-ausg-06_2016.html). Von diesen fünf „kontrollierenden und kritischen“ Umweltvereinen war jedoch einzig die Arbeitsgemeinschaft für Vogelschutz und Vogelkunde beim Projekt beteiligt. Die Umweltgruppe Hyla ist auch mit den Arbeiten zufrieden, die geleistet werden (schriftliche Mitteilung an das Artenschutzzentrum).

Wenig Raum wurde beim Projet Stadtlandfluss dem Thema Gewässerqualität gegeben: „Die Verschmutzung des Wassers durch Abwässer aus Siedlungen, Industrie und Landwirtschaft sowie durch Einträge giftiger Substanzen oder Nährstoffe.“ (https://umwelt.provinz.bz.it/wasser/monitoring-netz.asp) belasten die Gewässer Südtirols.

Stockenten im Schaumteppich des Eisack in Brixen
Stockenten im Schaumteppich des Eisack in Brixen 2018

 

Querbauwerke unterbrechen die Durchgängikeit für Fische und vor allem beeinträchtigen sie die Gewässermorphologie und den Geschiebetransport.

Beim Projekt Stadtlandfluss wurde das Querbauwerk in Brixen als eines der wenigen Unterbrechungen im Eisack identifiziert. Es wurde nicht vollkommen rückgebaut und der ökologische Zustand dahingehend nicht verbessert.

 

Die ökologische Aufwertung heil überstanden hat dieses Querbauwerk
Die „ökologische Aufwertung“ heil überstanden hat dieses Querbauwerk

 

Neben der Erhehung des gewässerökologischen Zustands der Gewässer im Projektgebiet, erfolgten Erhebungen zur terrestrische Ökologie (Lebensräume und Tiere). Dabei wurde u.a. festgestellt:

  • – Es sind noch Reste ehemaliger Flusslebensräume vorhanden, durch welche sich ein relativ hohes ökologisches Potenzial ergibt. Allerdings werden die für das Überleben von Populationen notwendigen Mindestflächen bereits vielfach unterschritten.
  • -Die Auwaldreste des Eisacks stellen einen wichtigen Lebensraum für den in Südtirol selten vorkommenden Kleinspecht dar.
  • -Das Biotop “Millander Au“ ist von hoher Bedeutung für verschiedenste Libellenarten.
  • -Es besteht ein hohes ökologisches Potenzial für Amphibien wie z.B. Gelbbauchunke und Laubfrosch.
  • -Die ursprüngliche Vegetation des heutigen Flussgebietes ist nur mehr auf kleinen Restflächen vorhanden. Durch die Eintiefung des Eisacks und die damit verbundene Grundwasserabsenkung sind diese vom Austrocknen bedroht.
  • Dynamisch geprägte Lebensräume entlang der Wasserläufe wie Sand- und Schotterbänke, Auwälder oder Röhrichte sind nur mehr spärlich vorhanden.

Nicht erwähnt wurden invasive Neophyten wie der Japanische Staudenknöterich, welcher am Eisack zwischen Vahrn und Brixen unübersehbar wuchert.

Der Japanische Staudenknöterich wurde nicht weggebaggert und hat die Aufwertung heil überstanden.
Der Japanische Staudenknöterich wurde nicht weggebaggert und hat die „Aufwertung“ heil überstanden.

 

Stoffeinträge aus der Landwirtschaft wie Pestizide oder Nährstoffeinträge fanden keine größere Erwähnung, obwohl Pestizide für die Artenvielfalt eine große Bedrohung darstellen.

Der Auwald in der Industriezone Brixen ist Brutplatz des seltenen Kleinstpechts und beherbergt eine Graureiherbrutkolonie. Im Rahmen des Projektes „Biotopvernetzungskonzept Flussraum Mittlerer Eisack“, das vom Landesamt für Landschaftsökologie in Zusammenarbeit mit dem Forstinspektorat Brixen fand eine Aufwertung des Auwaldes statt. „Ziel der Pflegemaßnahmen ist es, den aktuellen Waldbestand in einen standortgemäßen, möglichst naturnahen Auwaldbestand umzubauen und die Lebensraumbedingungen der auentypischen Flora und Fauna zu verbessern“, so der Amtsdirektor. Der Auwaldrest in der Industriezone Brixen, in dem sich Schwarzerlen, Pappeln, Föhren und Fichten finden, ist durch eine Straße vom Eisack getrennt und weist daher keine natürliche Auendynamik mehr auf. Mit dem Brutgebiet des Graureihers beherbergt er jedoch eine ornithologische Besonderheit, auch weil die Brutkolonie die einzige am Eisack ist. „Die Bäume, die dem Graureiher als Brutplätze dienen, werden natürlich belassen“, betonte das Landesamt für Landschaftsökologie.

http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=520195

Der waldbaulichen Verbesserung des Auwaldes steht jedoch der Verlust von Ufervegetion gegenüber.

Eine neue Naherholungsfläche in Brixen am Eisack wurde gebaut. Die Ufergehölze mussten dafür weichen (Bilder oben). Ufergehölze sind sehr artenreiche Lebensräume und erfüllen ökologische Funktionen ( siehe http://biodiversitaet.bz.it/baeche-und-seen/). Warntafeln warnen in der neuen Naherholungszone vor der Gefahr plötzlicher Flutwellen.

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Dynamische Lebensräume, wie Auwälder und Röhrichte waren nur mehr spärlich im Projektgebiet vorhanden und sind noch spärlicher geworden. Im Bereich der neuen Nahrerholungszone am Eisack in Brixen gab es ausgedehnte Bachröhrichte und Auwald auf einer Flussinsel. Diese wertvollen Lebensräume sind weggebaggert worden.

Flussinsel im Eisack bei Brixen 2018 vor „Verbesserung“ mit dynamisch geprägten Lebensräumen wie Auwälder und Röhrichte

 

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Flussinsel Eisack bei Brixen nach „Verbesserung“ 2019

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Durch die „Verbesserung“ ist ein Stück lebendiger Auwald im Flussbett des Eisack zerstört worden.

Weitere Bilder des ehemaligen dynamischen Aulebensraums im Eisack vor der „Verbesserung“:

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Eisack in Brixen vor umfassendem Umbau: sehr großes Flussröhricht (grasdominierte Fläche) auf Schotterbank

 

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Totholz auf der Flussinsel, welches nach der „Verbesserung“ nicht mehr vorhanden ist

 

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Das Totholz selbst ist wiederum Lebensraum für spezialisierte Arten. Die Bäume und das Treibholz wurden entfernt.

 

Die Flussinsel und die Ufer beherbergten dynmische Lebensräume, typische flussbegleitende Lebensräume, welche es nur an Gewässern gibt. Diese wurden jedoch zerstört und Opfer der „Aufwertung“.

"aufgewertetes" durchforstetes und leergeräumtes Bachbett des Eisack 2019
„aufgewertetes“, durchforstetes und leergeräumtes Bachbett des Eisack 2019

Schalderer Bach:

Das Naturdenkmal Schalderer Bach besteht aus einem naturbelassenen unverbauten Bach im Wald des Schalderer Tales, wo jedoch ein riesiges neues Rückhaltebecken aus Beton hineingebaut wurde. Der in diesem Bereich naturnah dahinfließende Bach wurde beeinträchtigt und kein umweltverträgliches Bauwerk wie etwa in der Rienz bei Percha mit einer Seilsperre erreichtet. Die Seilsperre in der Rienz bei Percha, die eine Rückhaltemauer ersetzt, ist eines der wenigen postiven Beispiele eines Hochwasserschutzprojejektes der Revitalisierung in Südtirol: die Durchgängigkeit und der Stofftransport im Gewässer wurden verbessert. Nur bei Extremereignissen wird Material zurückgehalten. Seilsperren unterbrechen das Fließgewässer nicht wie Auffangbecken mit Betonmauern.


Die beiden geschützten Biotope Schrambacher Au und die Milländer Au waren auch Gegenstand sogenannter Renaturierungen. 

Schrambacher Au

Im Auftrag des Landesamtes für Landschaftsökologie setzte das Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung Nord verschiedene Maßnahmen um, um das Lebensraumangebot im Biotop Schrambacher Lacke zu erhöhen: Mit der Schaffung eines fischfreien Laichgewässers und mehrerer kleiner Tümpel mit jahreszeitabhängigen Wasserständen sollen Amphibien und Wirbellose erhalten werden, erklärte Andreas Vettori in der Presseaussendung vom 10.03.2017: „Es ist zu hoffen, dass in Zukunft diese Tümpel wieder von derzeit im Biotop nicht vorhandenen Tierarten, etwa der Gelbbauch-Unke, besiedelt werden“.

Wie diese kleine und seltene Amphibienart ins Biotop gelangen kann, ist unklar. Die Schrambacher Lacke liegt zwischen Autobahn und Eisack und Gelbbauchunken schwimmen nicht durch den Eisack und überqueren keine Autobahn, das Biotop Schrambacher Lacke ist isoliert. Vorkommen von Gelbbauchunken in der Umgebung sind rar und eine natürliche Ansiedlung der Gelbbauch-Unke ist sehr unwahrscheinlich.

Durch die Schrambacher Lacke führt der übergemeindliche Radweg, er zerschneidet das kleine Biotop. „Dieser Waldstreifen mit seinem kleinen Teich ist ein wichtiger Rastplatz für Zug- und Wandervögel„, berichtet Andreas Vettori vom Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung Nord der Agentur für Bevölkerungsschutz. Viele Wasservogelarten reagieren aber mit Fluchtverhalten auf die Anwesenheit von Menschen. Man hätte den Radweg um das Biotop führen können, damit eine größere ungestörte Fläche entsteht. Der Fahrradweg wurde nicht verlegt und eine Chance vertan, das Gebiet attraktiver für Wasservogelarten zu gestalten.

Es wurden auch keine neuen Retentionsflächen für den Eisack geschaffen, zur natürlichen Bildung von Schotterbänken, Autümpeln und Auwäldern. „Allerdings ist das Biotop nicht mehr an die natürliche Gewässerdynamik des Eisacks angebunden, weswegen die auentypische Flora und Fauna zusehends abnimmt“, erklärte Vettori und das Biotop wurde mit den Renaturierungen auch nicht wieder an die Gewässerdynamik angebunden, sondern nur Gestaltungen vorgenommen. Einen Trockenlebensraum hat man im kleinen Biotop auch noch untergebracht, als Trittsteinbiotop zur Lebensraumvernetzung. Kalkfelsen für Mauerläufer oder eine Almweide für Murmeltiere wurden in der Schrambacher Au nicht gebaut.

Beim Projekt StadtLandFluss war als Maßnahmenprogramm die Vergrößerung des Aubiotops geplant worden. Im kleinen Biotop hat sogar noch ein Trockenbiotop Platz.

Millander Au: Auwald roden, Feuchtwiese und Erhäufen anlegen

Tafel Biotop Millander Au mit dahinterliegender Wiese und Aue
Tafel Biotop Millander Au mit dahinterliegender Wiese (liegt höher als umgebende Kulturfläche) und Auwald des Biotops

Bagger- und Holzfällarbeiten werden vom Forstinspektorat Brixen im Auftrag des Amtes für Landschaftsökologie 2017 durchgeführt. Das kleine Auwaldbiotop Millander Au ist einer der letzten Reste eines einst ausgedehnten Sumpf- und Augebietes südlich von Brixen. Da die natürliche Überflutung durch den Eisack aufgrund seiner Verbauung und der Kultivierung der angrenzenden Flächen ausbleibe, müsse die Vitalität dieses Lebensraumes durch verschiedene Pflegemaßnahmen ständig gefördert werden, sagte Christoph Hintner vom Forstinspektorat Brixen. Beim Projekt StadtLandFluss wurde festgestellt, dass durch die Eintiefung des Eisacks und die damit verbundene Grundwasserabsenkung die Auflächen vom Austrocknen bedroht sind. 

Auf einer Teilfläche am Rande der Millander Au ist in der Vergangenheit Material aufgefüllt worden und die angrenzende Wiese liegt ca 1m höher als die umliegenden landwirtschaftlichen Kulturen.

Im Zuge der „Renaturierung“ bzw. Auwaldvernichtung wurde eine Bodenschicht im Biotop abgetragen und das entnommene Material aus der Au abzutransportiert, wobei in der Millander Au seit dieser Renaturierung Erdhäufen stehen.

Erdhaufen in Millander Au
Junger Erdhaufen in Millander Au 2019

 

Rechts hinten neuer großer Erdhaufen, wo einst Auwald stand
Rechts hinten im Bild neuer großer Erdhaufen, wo einst Auwald stand

 

Durch die Maßnahme des Abtrages der Bodenschicht soll jedenfalls eine Feuchtwiese entstehen, die von der Grundwasserdynamik beeinflusst wird. Auch eine weitere Fläche in der Mitte des Auwaldes soll mit Erdmaterial aufgefüllt worden sein. Hier wurde ebenfalls damit begonnen, dieses Material abzutragen, um wieder eine natürliche Auwald-Dynamik zu ermöglichen. Jedoch sind seit der Renaturierung Erdhäufen im Biotop vorhanden, welche vorher nicht da waren.

Die natürliche Audynamik soll ermöglicht werden, aber nicht die des Flusses mit Hochwässern, sondern nur die indirekte Dynamik des Grundwassers. Die Dynamik des Eisacks, nämlich seine Hochwässer und seine Niedrigwässer, sein Transport von Sedimenten und seine Kraft eine natürliche Gewässerstruktur zu schaffen nicht genutzt und das Biotop wurde nicht an die natürlichen Hochwässer des Eisack angebunden. Es wird kein neuer Auwald sondern eine Feuchtwiese angelegt und damit werden nicht lebendige natürliche Auen geschaffen, wie man sie eigentlich bei der Aufwertung von Gewässerlebensräumen erwarten würde. Die Feuchtwiese wurde eingesät und der Auwald der Millander Au wurde wieder kleiner, wie schon in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten. 

Millander Au: Auwald wurde zu "Feuchtwiese" (rechts- unten im Bild)
Millander Au: Auwald wurde zu „Feuchtwiese“ (im Bild rechts und unten – Fläche mit spärlichem Bewuchs)

 

Die Fauna des Feuchtgebietes gilt als besonders reichhaltig und hat für ganz Südtirol eine einzigartige Bedeutung als Lebensraum der letzten Laubfroschpopulation Südtirols. Der Laubfrosch (lat. Hyla) ist eine typische Art der Auen und überwintert an Land- im Auwald (unter Wurzeln, Moss, Laub, Erdlöcher). Er ist nur zur Laichzeit (April- Juni) im Wasser anzutreffen. 

Mehrere Laichgewässer für die vom Aussterben bedrohten Laubfrösche wurden angelegt und nun wurde der Auwald im Winter 2017 umbegaut, obwohl der Laubfrosch dort gerade überwintern könnte. Tiere in Winterstarre haben nicht die Möglichkeit, vor den Holzfällerarbeiten und Baggerarbeiten zu flüchten. Auwälder gelten als Lebensräume für eine Vielzahl an gefährdeten Tier- und Pflanzenarten, doch wird bei Renaturierungen keine Zustandserfassung der zu renaturierenden Fläche vorgenommen. Nur mehr ein rufender Frosch wurde im Jahr 2018 und 2019 gezählt. „Es besteht ein hohes ökologisches Potenzial für Amphibien wie z.B. Gelbbauchunke und Laubfrosch. „, galt noch im Jahr 2011. Das hohe Potential für Amphibien hat sich ins Gegenteil gewendet, die letzten Laubfrösche Südtirols sterben aus.

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Viele Millionen Euro wurden im Mittleren Eisacktal investiert, Bäume gefällt und gebaggert. Doch früher war es besser, da gab es sogar noch Laubfroschpopulationen am Eisack (eine in der Millander Au und eine am Eisack weiter südlich).

Edellaubwälder

Titelbild: Ziegenweide im Edellaubwald

Edellaubbäume prägen einige für die Biodiversität bedeutende Lebensräume, wie Hang- und Schluchtwälder. Zu den Edellaubbäumen gehören Esche, Ahorn, Ulme, Linde, Vogelbeere usw. Diese Wälder sind auf bewaldeten Hängen, auf Block- und Schutthalden und in Schluchten ausgebildet. Es sind besondere Waldtypen, welche für die Artenvielfalt und als Lebensraum bedeutend sind.

Maßnahmen zum Erhalt und Verbesserung der Biodiversität von Hang- und Schluchtwälder wurden z.B. im Oberen Donautal in Deutschland und Österreich  umgesetzt. Durch den Ankauf von Waldflächen und großräumige Extensivierungen konnte beidseits der Grenze ein ökologisch intakter Naturraum geschaffen werden. Von diesen Maßnahmen profitierten Arten wie Uhu, Schwarzspecht, Wespenbussard, Hirschkäfer, Gelbbauchunke und Kammmolch.
Maßnahmen:
  • Flächenankauf im Wald;
  • Aufbau eines Netzes von Naturwaldparzellen;
  • Umbau von Nadelholzbeständen in standortheimische Laubwälder;
  • Förderung von artspezifischen Lebensräumen
  • usw.

 

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Hang- und Schluchtwälder in der montanen Stufe

In der Vegetationskarte von Südtirol, welche auf der Kartierung der Vegetation Südtirols durch Thomas Peer beruht, sind relativ große Schluchtwälder in der montanen und obercollinen Stufe eingezeichnet (Aceri -Fraxinetum und Aceri -Fagetum). In den Orginalkarten, welche nicht online verfügbar sind, sind auch Mischformen von Wäldern, z.B. montane Fichenwälder mit Schluchtwäldern eingezeichnet, welche in der veröffentlichten Version fehlen.

Schluchtwälder und Edellaubwälder sind Wälder, welche gut mit Nährstoffen und Wasser versorgt sind und eine üppige Kraut- und Strauchschicht aufweisen. Zahlreichen Tierarten, vom Großen Schillerfalter bis zum Feuersalamander, bietet ein Schluchtwald einen idealen Lebensraum.

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Schluchtwald mit fehlenden Laubbäumen in der ersten Baumschicht, in der zweiten Baumschicht kommen Ulme, Buche, Eschen und Linde auf.

Zahlreiche Laubwälder (Auwälder, Eichenwälder, Buchenwälder, Eschen- Ulmenwälder usw.) werden heute von Nadelbäumen dominiert.

Ein Fichtenforst ersetzt Buchenwald im Bärental bei Salurn
Ein Fichtenforst ersetzt Buchenwald im Bärental bei Salurn

 

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Wald- Geissbart, Aruncus dioicus, typische Schluchtwaldart

 

Die Krautschicht des Waldes verrät häufig, dass Wälder nicht natürlich sind. Der Wald- Geißbart ist z.B. eine Pflanze, welche charakteristisch für Linden- Ahornwälder der feuchten Standorte ist (Verband Tilio-Acerion). Schluchtwälder aus diesem Verband sind oft verändert worden und werden in der Baumschicht von Fichten beherrscht. Der Wald- Geißbbart ist u.a. die Nahrungsfutterpflanze der Raupen des Schwarzen Schillerfalters, welcher in Südtirol vom Austerben bedroht ist.

Bei der Waldtypisierung von Südtirol wurden ebenfalls Schluchtwälder beschrieben. Diese Laubmischwälder mit Edellaubbäumen, wie Eschen, Linden, Ahorn, Ulmen usw. sind für die Biodiversität und naturschutzfachlich sehr bedeutend. Vielfach werden die Wälder jedoch durch Fichten stark beeinträchtigt. Gefährdet sind die Wälder auch durch Beweidung. Diese Waldgesellschaften sind durch die FFH- Richtlinie priorität zu schützende Lebensräume.

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Haselnuss (Mitte), Buche (links) und Esche (rechts) im Schluchtwald mit fehlenden Laubbäumen

 

Linden- und Eschenwälder

(Zitate aus Waldtypisierung) „ Auffallend ist der hohe Struktur- und Artenreichtum, die Bestände bieten vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum“. Mehrere Waldgesellschaften wurden dieser Kategorie zugeordnet und verschiedene Waldgesellschaften, deren Restbestände meist stark verändet und vegetationskundlich schwer zuordenbar sind, da sie nur fragmentarisch ausgebildet sind, wurden dabei festgestellt. Die Flächen sind durch den Menschen geprägt: „Nach Kahlschlag und Aufforstung mit Fichte oder Lärche entstanden naturferne Ersatzgesellschaften, die den standörtlichen Bedingungen nicht entsprechen

Naturnahe Bestände sind daher selten, die natürlichen Schlucht- und Hangschuttgesellschaften gelten als gefährdet.

„Die Linden- Eschenwälder sind besonders sensibel gegenüber anthropogen bedingten Einflussfaktoren, da ihre Vorkommen nur kleinflächig und die Randeffekte dadurch hoch sind. Zudem wurde/ wird die ober- colline Höhenstufe aufgrund ihrer Siedlungsnähe meist stark durch die Landwirschaft beeinflusst, so wurden Bestände lokal intensiv beweidet.“

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Ziegenweide in einem potentiellen Schluchtwald- Wälder werden durch Beweidung starkt verändert

 

Waldgesellschaften: Inneralpische Linden- Eschenmischwald (Primulo veris- Fraxinetum)

Die Baumschicht besteht aus Edellaubbäumen: Winterlinde, Esche, Vogelkirsche, Traubeneiche, Spitzahorn, Bergulme. Die Strauchschicht ist artenreich, wmit Haselnuss, Rote Heckenkirsche, geminer Liguster, Purgier- Kreuzdorn, Wolligem Schneeball, Gemeinen Schneeball und Schwarzem Holunder. Die Krautschicht ist von Krautigen Arten wie Wiesen- Schlüsselblume, Klebrigem Salbei, Echter Nelkenwurz, Leberblümchen und Nesselblättriger Glockenblume artenreich. Geschützte Orchideen können vorkommen, insbesondere in den Sonnlagen.

Prioritär geschützter Lebensraum nach FFH- Richtlinie, Code 9180

Geißbart- Linden- Eschenmischwald mit Edelkastanie (Arunco- Fraxinetum castanetosum)

Durch den Menschen stark verändert wird dieser Waldtyp oft von Fichte dominiert. Die eigentlichen natürlich vorkommenden Baumarten sind die Winterlinde, Esche, Bergulme, Vogelkirsche und auch Schwarzerle und Grauerle. Hopfenbuche, Buche und Edlekastanie sind ebenfalls eingesprengt bis subdominant. Die Krautschicht ist üppig und artenreich, Wald- Geißbart, Weiße Pestwurz und Christophskraut bilden als Hochstauden einen üppigen Unterwuchs. Die Strauchschicht wird von Haselnuss, Roter Heckenkirsche und Holunder charakterisiert.

Die Vitalität der Fichte in den Wäldern wird glücklicherweise durch Borkenkäfer, Scheinschlag und Windwurf etwas reduziert.

Prioritär geschützter Lebensraum nach FFH- Richtlinie, Code 9180

weitere Gesellschaften: Silikat- Block-Lindenwald mit Tüpfelfarn, Linden- Schuttwald

Biodiversität der Äcker und am Wegesrand

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Viel der heutigen Biodiversität ist erst durch die Tätigkeit des Menschen entstanden. Neben natürlichen Lebensräumen wie Wäldern sind Lebensräume aus Menschenhand entstanden. Getreideäcker und Beikräuter/Unkräuter der Getreideäcker kommen in der Natur nicht vor. Für Pflanzen wie Mohn, Kornrade und Kornblume und Tiere wie Rebhuhn oder Feldhamster bieten Getreideäcker Lebensraum.

Die Artenvielfalt ist jedoch bedroht und Arten sind gefährdet. Die Intensivierung der Landwirtschaft (Pestizide), Monokulturen, ausgeräumte Landschaften und Landnutzungsänderungen haben einst häufige Arten verschwinden lassen. Der Feldhamster ist in Westeuropa vom Aussterben bedroht. Einst als Schädling bekämpft ist er heute Ziel von Artenschutz- und Ackerschutzprogrammen.

 

 

Das Rot des Klatschmohns und das Blau der Kornblume ist heute in Getreideäckern nur sehr selten zu finden. Kornblumen und andere Ackerunkräuter werden in der agrarindustriellen Landwirtschaft mit Pestiziden aus dem Ackerland eliminiert. Die Ausrottung und Ausmerzung aller nicht- erwünschten Arten in einem Acker gelingt mit Herbiziden wie Glyphosat (ausgenommen Arten, welche Resistenzen entwickelt haben). In monotonen Ackerbaugebieten Europas fehlen die bunten Ackerunkräuter und ihre Bewohner, wie Rebhühner und Feldhamster.

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Kornrade (Agrostemma githago),  in Deutschland und Südtirol vom Aussterben bedroht

 

Der Verlust der Artenvielfalt ist gerade bei Arten der Äcker unübersehbar. Die moderne Landwirtschaft ist zum großen Vernichter der Artenvielfalt geworden. Pflanzengesellschaften der Ackerunkräuter sind verschwunden oder stark verändert.

Beispiele von verschwundenen/ stark veränderten Pflanzengesellschaften von Unkräutern/Beikräutern:

Getreideäcker inneralpin:

Adonisröschen- Ackerrittersporn- Gesellschaft

Unter den Getreideunkrautgesellshaften der inneralpinen Trockeninseln ist die Adonisröschen- Ackerrittersporn- Gesellschaft (Adonido- Delphinietum consolidae) eine Unkrautflur, welche in inneralpinenTrockeninseln (Wallis, Vinschgau, Oberinntal, Graubünden) vorkam. Bereits 1970, als die Vegetation von Braun- Blanquet beschrieben wurde, wurde ihr Erlöschen festgestellt. Die Gesellschaft beherbergt mehrere charakteristische und seltene Ackerunkräuter: Adonisröschen (Adonis aestivalis), Kornrade (Agrostemma githago) und Acker- Wachtelweizen (Melampyrum arvense).

Der Getreideanbau ist in den Alpen weitgehend verschwunden und von intensiver Milchkuhhaltung abgelöst worden. Ackerunkräuter verloren ihren Lebensraum und die Landnutzungsänderungen hatten den Biodiversitäsverlust zur Folge.

Weinberge:

Weinbergslauch- Gesellschaft

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Weinberge beherbergten in der Vergangenheit ebenfalls eine charakteristische eigene Unkrautgesellschaft: Die Weinbergslauch- Gesellschaft (Geranio rotundifolii- Allietum vineale). Früher wurden Weinberge gehackt, der Boden aufgebrochen, und ruderale Arten und Geopyhten (Zwiebel- und Knollenpflanzen) bestimmten das Bild der Weinbergfluren. Die Weinbergs- Traubenhyazinthe (Muscari neglectum), Milchsternarten (Ornithogalum sp.), Weinberglauch (Allium vinele) und die Wilde Tulpe (Tulipa sylvestris) sind charakteristische Arten. Diese typischen Arten sind in den Weinbergen jedoch bereits weitgehend ausgerottet.

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Doldiger Milchstern (Ornithogalum umbellatum) in Weinberg

 

Zahlreiche segetale Arten (Arten der Äcker, Gärten und Weinberge) sind in Südtirol vom Aussterben bedroht oder schon ausgestorben. Auswahl von Ackerunkräutern/Segetalvegetation Rote Liste Gefäßpflanzen Südtirol (ausgestorben= RE, gefährdete Arten= CR, EN,VU,NT):

  • Adonis aestivalis CR
  • Agrosemma githago CR
  • Ajuga chamaepitys RE
  • Allium vineale NT
  • Anthemis arvensis EN
  • Aristolochia clematitis VU
  • Asperula arvensis RE
  • Avena fatua VU
  • Bromus arvensis RE
  • Bromus commutatus ssp decipiens CR
  • Bupleurum rotundifolium RE
  • Camelina alyssum RE
  • Camelina microcarpa NT
  • Cauclis platycarpos EN
  • Cerinthe minor CR
  • Consolida regalis EN
  • Cuscuta epillinum RE
  • Cyanus segetum EN
  • Euphorbia exigua RE
  • Euphorbia falcata RE
  • Fagopyrum tataricum RE
  • Gagea villosa EN
  • Galium tricornutum RE

23% der in Südtirol ausgestorbenen Pflanzenarten gehören zur Segetalvegetation

 

Ruderalfluren

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angelegte Ruderalflur (Wildpflanzensaatgut) mit Saatwucherblumen und Wilde Möhre

 

Pflanzenbestände aus Stauden, Gräsern, ein- und zweijährigen Kräutern auf  vom Menschen stark veränderten, gestörten Standorten wie Wegrainen, Böschungen, geschotterten Plätzen in Siedlungen, Schuttflächen, ehemaligen Abbauflächen, Industriebrachen, Bahndämmen usw. sind Ruderalfluren. Auch an gestörten Ufern von Teichen und Fließgewässern ist Ruderalvegetation ausgebildet.

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Viele Kamillenarten besiedeln ruderale Standorte

Die Ruderalvegetation entwickelt sich auf den verschiedenen Standorten höchst unterschiedlich. Auf trocken- warmen Standorten auf Böschungen, an Wegen und Feldrändern entwickelt sich z.B. die Eseldistelgesellschaften (Onopodrdion acanthii) mit der charakteristischen Eseldistel und an Seen, Teichen, Gräben oder in feuchten Fahrspuren verbreitet sind die Zweizahnfluren (Bidention tripartitae). Der Stechapfel kommt in Mitteleuropa besonders in kurzlebenden Ruderal-Gesellschaften der Ordnung Sisymbrietalia vor, auf stickstoffreichen, sonnigen Standorten.

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Stechapfel (Datura stramonium) stickstoffliebende= nitrophile Ruderalvegetation

 

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Bunte Vielfalt ruderaler Arten im Artenschutzzentrum St. Georgen

 

Die Ruderalvegetation setzt sich aus zahlreichen Pflanzenarten von zweijährigen Arten wie Disteln und Königskerzen oder einjährigen Arten wie Gänsefußarten oder Stechapfel  zusammen. Die Ruderalvegetation ist durch ihren ausgesprochenen Artenreichtum für die Biodiversität bedeutend.

Eine besonders schöne Ruderalgesellschaft ist das Steinklee Gestrüpp

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Echtes Leinkraut (Linaria vulgaris) und Natternkopf (Echium vulgare)

 

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Gelber Steinklee (Meliolotus officinalis)

 

An Bahnanlagen, auf Ödland, Strassenrändern, Kies- und Schottergruben mit skelettreichen, kalkreichen Schottern im temperaten Mitteleuropa gedeihen bunte farbenfrohe Bestände, die von Steinkleearten und Natterkopf beherrscht werden. Diese Gesellschaft (Echio- Meliotetum) bildet hochwüchsige Bestände, wobei das Blau des Natterkopfs und der Anchusa officinialis, das Gelb des Gelben Steinklees und der Königskerzen sowie das Weiss des Weissen Steinklees eine optisch ansprechende und schöne Ruderalflur darstellt.

Ruderale Halbtrockenrasen sind ebenfalls auf ruderalen Standorten ausgebildet. Das Gewimperte Perlgras (Melica ciliata) beherrscht öfter Böschungen auf trocken- heissen Standorten und Trockenrasenarten und ruderale Arten gedeihen nebeneinander.

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Halbruderaler Trockenrasen auf Dammböschung

Für den Erhalt der Artenvielfalt ist die Erhaltung von Ruderalfluren von großer Bedeutung. Rainfarn, Malven, Disteln und Königskerzen sind für Wildbienen und Honigbienen wichtige Nektar- und Pollenquellen im Hochsommer.

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Wildbiene auf Rainfarn

 

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Honigbiene auf Malve

 

Zahlreiche Tierarten, von Insekten bis Vögeln, finden auf Ruderalflächen Nahrung und einen Lebensraum. Die Samenstände der Disteln bieten Nahrung für den Stieglitz (auch Distelfink genannt) und andere Vögel und Säugetiere, welche sich von Samen (Körner) ernähren. Viele ruderale Arten blühen üppig und bieten Wildbienen, Schmetterlingen und anderen Insekten Nahrung. Ruderale Lebensräume, wie Schotterflächen, sind zudem Biotope für Eidechsen. Zahlreiche ruderale Pflanzenarten sind auch Nahrungspflanzen von bestimmten Tierarten, wie der Steinklee für bestimmte Bläulingsarten. Ruderalfluren sind sehr wertvolle Biotope in der landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft und im Bereich von Siedlungen.

Gefährdung von Ruderalvegetation:

9% der in Südtirol ausgestorbenen Pflanzenarten gehören zur Ruderalvegetation

Auswahl gefährdeter und ausgestorbener ruderaler Arten der Roten Liste Südtirol (ausgestorben= RE, gefährdete Arten= CR, EN,VU,NT):

  • Marrubium vulgare EN
  • Plantago arenaria RE
  • Plantago holosteum RE
  • Potentilla multifida EN
  • Reseda luteola VU
  • Rumex pulcher CR
  • Senecio jacobaea EN

32% der in Südtirol ausgestorbenen Pflanzenarten sind Arten der Segetalvegetation und Ruderalvegetation. Nur in den Feuchtgebieten sind noch mehr Arten ausgestorben. Der Artenverlust ist enorm und mit dem Aussterben weiterer Arten muss gerechnet werden. Vom Aussterben bedrohte Arten (CR) werden in nächster Zeit aussterben, wenn die Gefährdungsursachen weiterhin einwirken und wenn keine Maßnahmen zum Erhalt der letzten Bestände getroffen werden. Auch bei stark gefährdeten Arten (EN) können bereits geringste Eingriffe zu ihrem Verschwinden führen.

Ruderalfluren im Siedlungsraum und in der Kulturlandschaft gehen verloren. Die Ursachen für den Artenverlust sind:

  • Asphaltierung und Versiegelung von Flächen
  • Mähen und Mulchen (Wegränder, Böschungen)
  • Einsatz von Pestiziden
  • Verschönerungensaktionen in Siedlungen (Mit Bodendeckern und Rindenmulch werden potentielle Standorte von Ruderalfluren in Siedlungen zugepflastert)

Eine große Gefahr für die Arten der ruderalen Lebensräume sind invasive Neophyten, welche neue ruderale Standorte rasch besiedeln und Königskerzen, Natterkopf und CO verdrängen. Häufig siedeln sich heute auf Brachen und gestörten Flächen invasive Neophyten an. Die Flächen werden von Gehölzen (Robinien und Götterbaum) oder von der kanadischen Goldrute besiedelt. Die invasiven Neophyten bilden Verdrängungsgesellschaften und verdrängen heimische und alteingebürgerte Pfalnzenarten. Mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/invasive-neobiota/

 

Ruderalfluren können gefördert werden durch:

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Natternkopf auf Parkplatz: Parkplätze können Lebensraum sein, wenn man die Pflanzen wachsen lässt

 

  • Verzicht auf Mahd und Mulchen (Böschungen, Weg- und Strassenränder)
  • Entsiegelung von Flächen und Vermeidung weiterer Versiegelung
  • Zulassen von natürlicher spontaner Begrünung und Verzicht auf Einsaat von Samenmischungen aus dem Handel (ausgenommen Saatgut heimischer Arten)
  • Verzicht und Verbot von Pestiziden auf öffentlichen Flächen und überall dort, wo es Ruderalvegetation gibt.
  • Anlage von Ruderalfluren und Ansaat von heimischen Arten
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Begrünung mit ruderalen heimischen Arten und Zierpflanzen in Berlin

 

Kastanienhain

Kastanienhaine sind von Edelkastanien (Castanea sativa) bestandene Wald- und Wiesenflächen. Im 19. Jahrhundert gehörten Kastanienbäume noch zu den Baumarten einer Obstwiese, in historischen Büchern werden sie zum Obstbau gezählt. Heute gelten Kastanienbäume vielfach als Bäume des Waldes. Auch die Kastanienhaine Südtirols sind “Wälder”, obwohl sie keine echten natürlichen Waldtypen sind und häufig mit Weidetieren beweidet werden. Die Kastanie (Castanea sativa) wurde in vielen Gebieten Europas kultiviert und ist eine autochthone Baumart Europas. Heute werden in Kastanienhainen auch Japanische Kastanien (Castanea crenata) und Hybriden kultiviert, da diese weniger krankheitsanfällig sind. Diese ersetzten die heimische Edelkastanie, die Biodiversität der Edelkastanie ist in Gefahr.

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reife Esskastanie, auch Maroni genannt, am Boden

 

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unreife Kastanienfrucht am Baum

 

Wenn die Esskastanien reif sind, fallen sie zu Boden und werden dann eingesammelt. Kastanien wurden vielfältig genutzt. Es gibt Sorten zur Mehlherstellung und in vielen Gebieten (Südalpen, Griechenland, Bulgarien, Nordspanien) waren Kastanien ein wichtiges Nahrungsmittel. Kastanienmehl konnte konserviert werden und wurde vielseitig verwendet. Kastanien dienten auch als Futter für Tiere (z.B. Schweine). Süsse Kastaniensorten, welche sich leicht schälen lassen, sind zum Braten geeignet. Es gibt eine große Vielfalt an verschiedenen Kastaniensorten im Mittelmeerraum und bekanntere Sorten Italiens sind: Carpinese, Lojola und Montan.

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Kastanienigel und Blätter im Kastanienhain

Kastanien wurden bereits in der Römerzeit in Europa verbreitet und Kastanienbäume wachsen auch spontan. Kastanienwälder sind dadurch auch außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes der Kastanie entstanden. Kastanienwälder sind ein Natura 2000 Lebensraum mit dem Code 9260. Kastanienwälder werden von Kastanien dominiert und sind mit Eichen (Quercus petrea, Quercus robur) und Linden vergesellschaftet.

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Kastanienhain

 

Artenvielfalt Kastanienhain

Vögel

Kastanienhaine mit alten Kastanienbäumen beherbergen sehr häufig Bruthöhlen. Spechte (vor allem Bunt- und Grünspecht) legen Höhlen in den Kastanienbäumen an und gestalten dadurch auch für andere Arten geeignete Lebensräume. Kastanienhaine sind dadurch gegenüber Wirtschaftswäldern im Umland ein wesentlich attraktiverer Lebensraum, da in diesen Wäldern fast immer alte und absterbende Bäume fehlen.

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Bruthöhlen für Kleiber und Meisen sind in alten Kastanienhainen in Überfluss vorhanden. Monumentale Bäume in Wäldern sind Mangelware. In Kastanienhainen stehen alte große und auch absterbende Bäume und durch diese monumentalen Kastanienbäume bilden Kastanienhaine einen ausgesprochen wichtigen Lebensraum zur Erhalt der Biodiversität.

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Käfer

Untersuchungen zur Artenvielfalt der Käfer von Kastanienhainen am Oberrhein in Deutschland förderten eine unglaubliche biologische Vielfalt an den Tag, in denen auch Urwaldarten der natürlichen wärmeliebenden Eichenwälder vorkommen. Käfer, Moose, Flechten und Pilzarten dieser Kastanienhaine wurden untersucht:

131 Proben mit 29.076 Käfern wurden gewonnen und bis auf Artebene bestimmt. Dabei wurden 1002 Käferarten dokumentiert, zwischen 278 Arten im schattigen Jungbestand und 571 im historischen Kastanienhain. Rund 45 % der Käferarten sind an Waldbiotope gebunden, wobei ein auffällig hoher Anteil lichte Gehölzstrukturen präferiert. Aufgrund der starken Auflichtung dreier Bestände wurden auch über 200 Offenlandbewohner gefunden. Die Zahl xylobionter Arten (eigentliche Totholzkäfer) erweist sich mit insgesamt 329 Spezies als sehr hoch, wobei die Altbestände bis zu 20 % mehr Arten aufweisen. Die Altbestände zeichnen sich durch artenreichere Mulm- und Nestkäfergilden mit seltenen Arten aus (insbesondere Baumhöhlenbewohner). Folglich fanden sich im historischen Kastanienhain 104 Arten der Roten Liste Deutschlands und im Altbestand bei Edenkoben (nahe Villa Ludwigshöhe) 80 Arten. Höchst beachtlich ist auch die Anzahl von 9 Urwaldreliktarten in den Altbeständen.

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Monumentaler Kastanienbaum mit abgestorbenen Kern: Lebensraum von xylobionten Käfern, Mulm- und Nestkäfergilden

Im standardisierten Vergleich mit der Totholzkäferfauna rheinland-pfälzischer Naturwaldreservate erweisen sich die älteren Edelkastanienbestände als ähnlich artenreich wie die international bedeutsamen Reservate im Bienwald. Die Käferfauna der Kastanienbäume ähnelt denen der Eiche.

Moose

30 verschiedene Moose festgestellt (26 Laubmoose, 4 Lebermoose). Im Durchschnitt wurden 10,5 Arten pro Baum nachgewiesen, bei einem Maximum von 17 Arten auf einem Einzelbaum, darunter auch Arten, welche vom Aussterben bedroht sind.

Flechten

99 verschiedene Flechtenarten (lichenisierte Pilze einschließlich eines traditionell von den Flechtenkundlern miterfassten Pilzes) und 9 Flechten bewohnende (lichenicole ) Pilze bestimmt. Im Durchschnitt wurden 40,3 Flechtenarten pro Baum (ohne flechtenbewohnende Pilze) nachgewiesen, bei einem Maximum von 55 Flechtenarten auf einem Einzelbaum.

Pilze: auf Einzelbäumen wurde eine hohe Zahl von Pilzen festgestellt, 84 Taxa.

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Moose und Flechten auf Kastanienbaum

 

Vielfältige Pflanzenwelt des Kastanienhains

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In den Kastanienhainen Südtirols kommen oft viele Pflanzenarten vor (außer der Boden wurde melioriert, neu eingesät, überweidet oder anderweitig zerstört). Im traditionellen Kastanienhain, welcher als extensive Weide oder Mähwiese genutzt wird, kommen Wiesenarten und Waldarten nebeneinander vor. Auch Arten des Waldsaumes sind vertreten. Die Artenvielfalt an Pflanzen eines traditionell erhaltenen Kastanienhains ist größer als im umgebenden Wald. Leider werden Kastanienhaine heute oft überweidet oder mit irgendwelchen Narzissen verhübscht. Wird die Bewirtschaftung eines Kastanienhaines aufgelassen, so gewinnt der Wald die Oberhand und mit den alten Kastanienbäumen entsteht ein naturnaher Wald mit mächtigen Bäumen. Die Vegetation der extensiv genutzten Wiesen eines Kastanienhains ist aber von großen Wert. Die Schneeweisse Hainsimse (Luzula nivea) bestimmt im Sommer die Wiese eines Kastanienhains (Bilder unten) und geschützte Orchideen und Rote Liste Arten (z.B. Knollenmädesüß) kommen im traditionell und vorbildlich gepflegten Kastanienhain vor.

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Blutroter Storchschnabel (Waldsaumart) und Hainsimse (Waldart)

 

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Pfirsichblättrige Glockenblume (Wiesen- und Waldart)

 

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Knollenmädesüss, Magerwiesenart, Rote Liste Art

 

Die Überweidung ist vielfach ein Problem auf Weiden. Weideunkräuter dominieren Flächen oder die Weiden sind einfach kahlgefressen, wie im Bild unten. Fehlt die Grasnarbe so kommt es zur Erosion und zum Verlust der Humusschicht. Der Boden verliert die Artenvielfalt des Bodens und wird artenarm wie ein Ackerboden. Zahlreiche Bodenlebewesen beleben einen lebendigen Wiesen- oder Waldboden.

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überweideter Kastanienhain: keine Pflanzendecke und erodierender Boden

 

Maximum der Artenvielfalt im Kastanienhain

Die höchste Artenvielfalt erreichen Kastanienhaine, welche traditionell extensiv bewirtschaftet werden. Während wiederbewaldete Kastanienhaine „nur“ ein Waldökosystem sind, treffen im traditionell bewirtschafteten Kastanienhain zwei Lebensräume zusammen: Wald und Wiese. Dadurch ergibt sich ein großer Artenreichtum (http://pro2.unibz.it/ecoralps/wp-content/uploads/2012/04/Booklet_April2015_DT_small_format.pdf).

Fledermäuse wie Alpensegler, Vögel wie Wiedehopf, Käfer, Wildbienen, Schmetterlinge und in trockenen offenen Kastanienhainen auch eine Gottesanbeterin sind Zeugen der Bedeutung des Kastanienhains für die Biodiversität. Dies jedoch nur, wenn tatsächlich alte Bäume auf extensiv genutzten Wiesen stehen und nicht Kastanienhybriden auf bewässerten und überweideten Wiesenflächen, welche offiziell Wald sind. Auch die Abdrift von Pestiziden aus Apfelplantagen schmälert die Biodiversität der Kastanienhaine.

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Kastanienhain umgeben von Apfelplantagen

 

Streuobstwiese

Streuobstwiesen sind eine extensive Form des Obstanbaus und diese sind ein herausragender Biotoptyp. Auf Streuobstwiesen stehen Bäume mit verschiedenen Obstarten, wie Pflaumen, Kirschen, Birnen, Äpfel, Aprikosen usw. In Abhängigkeit vom Klima eines Gebietes gedeihen unterschiedliche Obstbäume, wärmebedürftiges Obst wie Aprikosen, Quitten, Pfirsiche in klimatisch milderen Gebieten und Pflaumen, Kirschen, Äpfel und Birnen auch in klimatisch kühleren Gebieten. Streuobstwiesen sind für den Erhalt der genetische Vielfalt der Obstsorten wichtige Lebensräume. Weltweit sind heute alleine an die 4900 Apfelsorten bekannt. An die 3000 verschiedenen Apfelsorten wuchsen und wachsen in den Streuobstwiesen Mitteleuropas. Auch die biologische Vielfalt anderer Obstarten ist groß, verschiedene Birnen- oder Pflaumensorten, lokale Sorten und typsiche Sorten für bestimmte Gebiete wuchsen und wachsen in Streuobstwiesen, die Palabirne des Vinschgaus ist eine solche Sorte oder der Köstliche, eine Apfelsorte des Burgrafenamtes. Sorten wie der Köstliche sind den Apfelproduzenten Südtirols heute meist unbekannt.

Weißer Wintercalvill, entstanden in Frankreich 1758 mit harmonischen Geschmack und großen grünlich- weißen Äpfeln
Tiroler Spitzlederer, eine Südtiroler Sorte. Es ist ein Winterapfel und zur Lagerung geeingnet- einige Sorten müssen frisch gegessen werden andere Sorten sind lange lagerfähig und werden erst mit der Lagerung gut, z.B. Birne Pastorenbirne

Als es noch keine Kühlschränke und keine riesigen Lagerhallen gab, in denen Äpfel viele Monate unter immensen Energieverbrauch gelagert werden, waren Winteräpfel und Winterbirnen auch im Winter als Frischobst verfügbar. In einer Garage, im Keller oder einfach in einer Holzkiste am Balkon lässt sich das Winterobst lange lagern.

Viele alte Obstsorten sind gefährdet und einer Gefährdungskategorie zugeordnet, stark gefährdet in Österreich ist etwa die weisse Pelzbirne oder die Rote Heindlbirne (http://www.zobodat.at/pdf/OEKO_1991_3_0022-0030.pdf).

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Streuobstwiese links im Bild, rechts Apfelplantage

Eine Obstwiese ist ein Nebeneinander von Wiese und Obstbäumen. Unterschiedliche Wiesentypen gedeihen in Streuobstanlagen, von Feuchtwiesen über Fettwiesen bis Magerwiesen (http://biodiversitaet.bz.it/wiesen/).

Schautafel des Obstbaumusuems: Bis 1950 wurden keine synthetischen Pestizide in den Apfelwiesen Südirols eingesetzt und Kühe konnten das Gras der Apfelwiesen noch fressen. Durch den Pestizideinsatz ist das Gras der Apfelplantagen nicht mehr als Viehfutter geeignet.

Die Wiesen der Streuobstwiese werden gemäht und dienen dann als Futter für Tiere wie Kühe und Schafe. Die Streuobstwiese kann man doppelt nutzten, Obstbau und Viehwirtschaft. 

Die Wiesenvegetation einer Steuobstwiese bietet Schmetterlingen, Käfern und zahlreichen anderen Insekten Nahrung. Raupenfutterpflanzen und Nektarquellen sind dabei die krautigen Pflanzen der Wiesen. Landwirtschaftlich genutzte Honigbienen finden das ganze Jahr über reichlich Nahrung in einer Streuobstwiese. Beginnend mit der Obstbaumblüte und den Frühjahrsblühern im Frühling und der Blüte der Wiesenpflanzen im Sommer ist eine reiche Honigernte den Imkern gewiss.

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artenreiche Fettwiese in einer Streuobstwiese im Frühling: Vergissmeinnicht und Löwenzahn blühen

Nach Schätzungen des NABU-Bundesfachausschusses Streuobst gibt es rund 300.000 Hektar Streuobstwiesen in Deutschland und etwa 1,5 Millionen Hektar in Europa. Zugleich sind sie mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten sowie über 3.000 Obstsorten Hotspots der Biologischen Vielfalt für ganz Europa. Streuobstwiesen weisen zahlreiche Mikrohabitate auf, welche für einzelne Arten einen Lebensraum darstellen. Dabei reichen diese von Tümpeln (z.B. Laichplätze für Amphibien) bis zu Totholz (z.B. Pilze, xylobionte Käfer).

Auch für Säugetiere bieten Streuobstwiesen ideale Lebensräume. Igel, Rehe oder Siebenschläfer und Gartenschläfer können in Streuobstwiesen vorkommen. Im Boden graben Maulwürfe ihre Röhren und Füchse machen Jagd auf Feldmäuse.

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Alter Apfelbaum mit Höhle des Buntspechtes unten am Stamm und Nest der Amsel oben

Die Hochstammobstbäume der Streuobstwiese bieten Vogelarten geeignete Brutmöglichkeiten, von Wiedehopf bis Specht, von Amsel bis Blaumeise. Die Streuobstwiese besteht aus Hochstammobstbäumen, welche wie die Bäume des Waldes irgendwann alt werden. Spechte können in alternden Hochstammobstbäumen Höhlen anlegen. Die Höhlen und auch Hohlräume in Obstbäumen bieten Höhlenbrütern oder Säugetieren wie Siebenschläfern oder Halbhöhlenbrütern wie Meisen oder Rotschwanz geeignete Brutplätze. Nistökologische Untersuchungen in Streuobstwiesen von Erich Glück zu einigen Vogelarten ergaben interspezifisch statistisch sicherbare Unterschiede in der Nesthöhe, der Höhe der Nestbäume, Entfernung von der Stammitte usw. Die Untersuchungen ergaben folgendes Verteilungsmuster: Im innersten Baumbereich brüteten Buchfink und Kernbeißer, wobei letzterer nur die Sonnenseite der Bäume nutzte. Im mittleren Bereich und teilweise auch in den weiter peripher gelegenen Bereichen fanden sich die Grünfinkennester. Daran schlossen sich nach außen die Neststandorte der Girlitze an. In den periphersten Bereichen fanden sich die Stieglitze. Hänflinge brüteten in niedriger Vegetation. Streuobstbäume bieten eine große Auswahl an verschiedenen ökologischen Nischen für Vögel.

Streuobstwiese
Streuobstwiese: Apfelbäume auf einer Wiese

 

Untersuchungen zu Spinnen und Käfern in zwei Streuobstwiesen in Baden-Württenberg ergaben 137 Arten von Spinnen und 472 Arten von Käfern. Mit einem Anteil von 50% Waldarten und 36% Offenlandarten, dominierten die Waldarten. Zwei Ökosysteme, Wald und Wiese sind in einer Streuobstwiese vereint. Die Untersuchungen in Baden-Würtenberg ergaben, dass 20% aller bekannten Spinnenarten im Biotop Streuobstwiese vorkommen. Bei den Käfern fanden sich in der Wiese 147 Arten einer taxonomischen Einheit und im Stamm und Kronenbereich der Bäume 45 Käferarten einer anderen taxonomischen Einheit. Aus den Untersuchungen zur Spinnen- und Käferfauna der Streuobstwiesen vermuten Joachim Holstein und Werner Funke 1995, dass die Streuobstwiese über ein hohes Regulationspotential gegenüber anderen trophischen Gruppen besitzt, das für die Ausgewogenheit interspezifischer Beziehungen ohne Einfluss von Pestziden von großer Bedeutung sein dürfte.

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Für Honigbienen bietet die Streuobstwiese das ganze Jahr reichlich Nektar

Einige Insektenarten, welche agrarindustriell heute mit Pestiziden bekämpft werden, wie z.B. der Apfelwickler, sind Nahrungsgrundlage von anderen Insekten, wie dem Ohrwurm. Ohrwürmer fressen gerne die Eier des Apfelwicklers, überwinternde Raupen am Stamm werden von vielen Vögeln (Meisen, Spechte,usw.) als Nahrungsquelle genutzt. Schlupfwespen und Raupenfliegen parasitieren Larven und Puppen des Apfelwicklers.

Streuobstwiesen werden auch heute noch meist traditionell bewirtschaftet und es werden keine Pestizide der Agroindustrie, wie z.B. Glyphosat, eingesetzt. Eine Streuobstwiese darf nicht mit einer agroindustriellen Apfelplantage verwechselt werden! Solche Anlagen sind für Höhlenbrüter vollkommen defizitäre Flächen. Agroindustrielle Apfelplantagen sind Systeme, welche durch den Einsatz von Kunstdünger und Pestziden aufrecht erhalten werden. Apfelplantagen in Südtirol werden 20- bis 40 mal zwischen einer Ernte und der nächsten chemisch behandelt. Pestizide sind eine große Gefahr für die Biodiversität, die biologische Schädlingsbekämpfung und für die Ökosysteme.

mehr zu Pestiziden und ihre Gefahr für die Biodiverstität http://biodiversitaet.bz.it/pestizide/

Apfelbaum- in Südtirol gibt es fast keine echten Apfelbäume mehr, also Bäume mit einem Stamm und dicken Seitenästen.

Apfelplantagen und Biodiversität

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Apfelplantage: Fahrgasse und Baumreihe

Fahrgassen der Apfelplantagen werden in Südtirols entsprechend AGRIOS Richtlinien (integrierter Anbau) möglichst blütenfrei durch Mulchen gehalten. Honigbienen suchen Blüten in den Beikräutern der Apfelplantagen auf und können so in Kontakt mit den Pflanzenschutzmitteln kommen, was zu einem erhöhten Bienensterben führen kann (Apistox-Studie). Die Streuobstwiese bietet hingegen einen reich gedeckten Tisch für Honigbienen, nicht nur während der Blüte. Biologisch bewirtschaftete Apfelplantagen werden  nicht blütenfrei gehalten und Biolandwirte versuchen, Nützlinge in den Blühstreifen der Fahrgasse zu fördern. Die Biodiversität arbeitet kostenlos in der Apfelplantage, die Biodiversität erbringt eine Leistung.

Der Pflanzenschutz nimmt in Erwerbsobstwiesen neben der Ernte und dem Schnitt am meisten Zeit in Anspruch und im intergrierten Obstbau stellen die Kosten der Pestizide den größen alljährlichen Kostenfaktor dar.

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Monokultur von Apfelplantagen mit Hagelnetzen

Die kostenlose biodiversitätsgebundene Schädlingsbekämpfung mit Nützlingen wird in biologischen Anlagen gefördert, Florfliegen, Marienkäfer und andere Nützlinge sollen in biologischen Apfelplantagen Schädlinge in Schach halten.

Gabriele Probst beschrieb im Buch „Biologischer Pflanzenschutz“ 1998 wie eine biologische Apfelplantage aussehen soll: Ein idealer Fahrgassenbewuchs ähnelt mehr einer kräuterreichen Wiese als einem immer kurzen gemulchten Rasen (vgl. Fahrgasse Bild oben mit kurz gemulchten Rasen in nicht- biologischer Obstplantage).

Die Beikrautvegetation in der Fahrgasse und unter Bäumen sollte einen mehrstufigen Aufbau haben: die Blütenschicht einer Wiese bietet Nektarfressern Nahrung, wie Bienen, Hummeln, Schmetterlingen, Schwebfliegen, Blattwanzen und Blattkäfern. Auch samenfressende Vögel finden in dieser Wiesenvegetation Nahrung.

Unter den Blattwanzen und Blattkäfern finden sich viele Nützlinge, wie Blumenwanzen als Feinde der Apfelgallmücke. Auch samenfressende und natürlich insektenfressende Vögel vertilgen eine große Masse an Insekten, gerade im Sommer bei der Aufzucht der Jungen Vögel. Die Obstbäume profitieren von den vertilgen Raupen.

Raubwanzen stellen stellen die bedeutensten Feinde der Roten Spinne dar. Blattläuse werden zielgerichtet von Florfliegen effizient in Schach gehalten und Marienkäfer, die Blattkäfer sind, vertilgen ebenfalls Blattläuse, welche manchmal dem Apfelanbau Probleme bereiten.

Obstbaumschädlinge werden am Boden etwa von räuberischen Laufkäfern verzehrt. Diese leben in der Streuschicht und Asseln zersetzen dort organisches Material.

Weberknechte, Schnecken, Kurzflügler, Ameisen und Laufkäfer bewohnen ebenfalls die Beikräuter und tragen auch zum ökologischen Gleichgewicht in der Plantage teil.

Die Wiesenvegetation in der Fahrgasse sollte jedoch nicht zu üppig werden, es sollten nicht Hochstauden wachsen, da die auf schwach wachsenden Unterlagen angebauten Apfelbäume den kräftigen Wurzeln von Hochstauden etwa in Konkurrenz unterliegen- sie können den Apfelbäumen die Nährstoffe und das Wasser absaugen.

Im Boden zersetzten und mineralisieren mikroskopisch kleine Tiere und grössere wie Regenwürmer Pflanzenteile und ausgebrachten Kompost, Mineralstoffe und Nährstoffe werden für die Apfelbäume verfügbar gemacht, der Boden gelockert und die Durchwurzelung gefördert.

Apfelbäume sind Flachwurzler, die Wurzeln liegen nahe der Bodenoberfläche und ein guter Boden bewirkt dadurch die Gesunderhaltung der Apfelbäume. Wenig Beachtung findet im Erwerbsobstbau die Verdichtung der Böden durch das Befahren mit Traktoren. In verdichteten Böden können die Apfelbäume schwerer Nährstoffe aufnehmen und die Wurzeln der Bäume leiden.

Kleearten im Beiwuchs tragen ganz erheblich zur Nährstoffversorgung der Apfelbäume bei, da sie Luftstickstoff aus der Luft binden und im Boden anlagern. Düngeempfehlungen im Erwerbsobstbau waren oft falsch, es wurde mehr Stickstoff gedüngt als durch Stickstoff durch die Apfelernte und durch die Zersetzungsprozesse aus verbraucht werden. Überdüngte Böden und Nitratanreicherung im Grundwasser können die Folge sein.

In den Integrierten Apfelplantagen kommen Künstdünger zum Einsatz, chemische Dünger welche nur durch den massiven Verbrauch von fossilen Brennstoffen gewonnen werden.

Bewässerung im Erwerbsobstbau und Obstwiese

traditionelle Wasserleitung im subalpinen Gelände, in den Apfelmonokulturen sind die meisten traditionellen Wasserleitungen (Waale) verrrohrt.

Traditionell wurden Apfelwiesen Südtirols auch bewässert. Waalsysteme brachten das Wasser zu den Wiesen und die Wiesen wurden mit Wasser geflutet. Die Apfelwiesen standen für kurze Zeit im Wasser und wurden so gegossen. Die heutigen Apfelplantagen werden seit einigen Jahrzehnten mit Beregnern von oben bewässert, die Bäume werden nass, Pilzkrankheiten werden gefördert (Pilzkrankheiten auf Blättern und Früchten) und Wasser geht durch Verdunstung  auch verloren.

Die Gesunderhaltung von Apfelbäumen ist zentral, um auf Pflanzenschutzmaßnahmen verzichten zu können. Die Beregnung ist ein wichtiger Faktor für die Gesunderhaltung und durch die knapper werdende Ressource Wasser durch den Klimawandel ist ein effizienter Einsatz wichtig. Pilzkrankheiten, wie der falsche und echte Mehltau werden durch unsachgemäßes Beregnen gefördert, an wärmeren Tagen Kopfberegner einschalten, bedeutet Pilzkrankheiten zu fördern.

Moderne Tropfanlagen anstelle von Kopfberegnern helfen Wasser zu sparen und gezielt das Wasser nur dort einzusetzen, wo es Wasser wirklich braucht. Die Wiesenvegetation der Obstplantage muss nicht gegossen werden, auch um die standortangepasste Wiesenvegetation zu fördern. Die traditionellen Apfelwiesen des Etschtales waren großteils Feuchtwiesen, viele lokale Ortsbezeichnungen wie Rieder und Möser geben dies wieder (Rieder bedeutet Ried, also mit Schilf bestandene Flächen, Möser bedeutet Moore, anmoorige Bodenverhältnisse mit z.B. Sauergräsern). Feuchtgebiete waren im Talboden vorhanden, der Grundwasserspiegel war höher (er wurde systematisch durch Entwässerungsgräben vertieft) und zustätzlich mit der Waalbewässerung waren die Obstwiesen auch gleichzeitig Feuchtgebeite. Heute ist die Feuchtwiesenvegetation in den Monokulturen der Apfelplantagen weitgehend verschwunden und die meisten Waale wurden verrohrt. In der Wiese des Obstbaumuseums gibt es noch eine Feuchtwiese, eine Mädesüßhochstaudenflur (Filipendulion).

Die Biodiversität hilft bei der Gesunderhaltung von Apfelbäumen wie auch das richtige Beregnen und Düngen die Gesundheit fördert und übermäßiges Beregnen und Düngen die Obstbäume krankheitsanfälliger macht. In der modernen Agroindustrie und im Erwerbsobstbau reagieren die Landwirte vor allem auf auftretende Schäden, indem sie Pestizide einsetzen. Die Frage, wie man gesunde, vitale, krankheitsfreie Bäume hat, wird weniger gestellt.

mehr zu Wiesen und ihren Artenreichtum auf http://biodiversitaet.bz.it/wiesen/

 

Mykorrhiza- eine Symbiose zwischen Pilz und Baum

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Pilze sind ökologisch wichtige Organismen und gehen mit Bäumen eine enge Beziehung ein: Pilzhyphen liefern den Bäumen Nährsalze und Wasser und erhalten im Gegenzug Produkte der Phosynthese. Diese Pilze werden Mykorrhiza genannt. Auch das Bodenleben im Wurzelhorrizont, z.B. die Menge an luftstickstoffbindenden Bakterien, wird durch Pilze stark gefördert. In einem Lärchen- Zirbenwald der subalpinen Stufe liefert z.B. der Elfenbeinröhrling (Suillus placidus) und der Braune Zirbenröhrling (Suillus plorans) Nährstoffe und Wasser für die Zirbe. Mit der Lärche bildet der Goldröhrling (Suillus flavus) eine Partnerschaft, auf Kalkboden der Rostrote Lärchenröhrling (Suillus tridentinus). Auch der Lärchenscheckling (Hygrophorus lucorum) und der Graue Lärchenröhrling (Suillus aeruginas) bilden Mykorrhizen. Für das Überleben von Bäumen und das Gedeihen der Wälder im subalpinen Bereich sind die Mykorrhizen überlebensnotwendig.

 

Bilder Revitalisierung Ultental

Bilder Revitalisierung Falschauer Ultental

Die Falschauer entwässert das Ultental auf einer Länge von 41 km mit einem Einzugsgebiet von rund 300 km². Das Umland der Falschauer wird landwirtschaftlich genutzt: in Ulten herrscht intensive Grünlandwirtschaft vor, in Lana intensive Apfelanbau. Das hydrographische Einzugsgebiet der Falschauer ist von zahlreichen Staubecken gekennzeichnet, von denen aus das abgeleitete Wasser in fünf großen Kraftwerken zur Stromerzeugung verwendet wird. Die Falschauer besteht aus Restwasserstrecken, die von Stauseen unterbrochen werden. Von der Falschauer geht für einst hochwassergefährdete Gemeinden wie Lana heute durch den Stauseenbau keine Gefahr mehr aus (Staussen halten Material und Hochwässer zurück). Entlang der Falschauer wachsen Grauerlenauwälder und Lavendelweidenauen nur noch linear längs der Falschauer.

Der ökologische Zustand der Falschauer im Ultental ist nach offizieller Bewertung entsprechend Wasserrahmenrichlinie gut bis sehr gut. Die Wasserqualität ist unbelastet bis gering belastet. Das Gewässerökosystem der Falschauer wird vor allem duruch die Wasserkraftwerke und die Hochwasserschutzbauten beeintächtigt.

Im Ultental wurden mehrere Revitalisierungen an der Falschauer durchgeführt. Dabei wurden aber nicht hart verbaute Bäche, wie etwa Künetten (siehe Bild) rückgebaut und renaturiert. Es wurden auch so gut wie keine Querbauwerke rückgebaut.

Künette bei St. Nikolaus im Ultental- Nicht Verbauungen wurden entfernt, sondern Wälder gerodet und Ufergehölze durchforest.

Es erfolgte auch kein Umbau der veänderten Wälder in Gewässernähe. Fichten prägen den Talboden, die Flächen wo Auwälder mit ihren Laubbäumen (Weiden, Eschen, Erlen usw.) gedeihen müssten.

Wald an der Falschauer im Talboden: kränkelnde Fichten (Nadelverlust) beherrschen die Baumschicht, sie wurden nicht gefällt um Laubbäumen, der standortgerechten Vegetation auf diesen Flächen, Platz zu machen.

Beispiele an der Falschauer in Bildern:

1.) Revitalisierung Falschauer Gemeinde St. Pankratz (unterhalb des Sportplatzes- ein „Vorzeigeprojekt“ der Revitalisierung):

Die Arbeiten beginnen mit Kahlschlägen (Ufergehölze und Wald), Rodung und der Einrichtung der Baustelle:

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Revitalisierung- Totalverlust naturnaher gewachsenener Strukturen

Revitalisierung- Zerstörung der naturnahen Ufergehölze

Nach Abschluss der Bauarbeiten, inklusive Aufstellen von Sitzbänken und Tisch, ist die Falschauer nun renaturiert. Bilder September 2018:

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Auf der Fläche wurden zahlreiche Grauerlen gepflanzt, einige Purpurweiden und Bergahorn. Angesiedelt haben sich die Kanadische Goldrute und der Sommerflieder in beeindruckend großer Zahl. Diese beiden Arten sind invasive Neophyten, welche nicht Teil des natürlichen Erbes Südtirols sind. Als lebendige vitale Au kann man die Fläche nicht bezeichnen, da die Hochwässer der Falschauer am gepflanzten Auwald vorbeifließen. Die Falschauer bildet auf der renaturierten Fläche keine Schotterbänke oder andere typische Auenlebensräume, welche man in lebendigen vitalen Auen erwarten würde und welche einst typisch für die Falschauer waren. Durch den Staussenbau und die Verbauung der Seitenbäche hat die Falschauer die Kraft dynamische Lebensräume am Gewässer zu bilden weitgehend eingebußt.

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Ein neuer kleiner Bach und ein künstlicher Teich wurden parallel zur Falschauer angelegt. Für Fischer bietet der Teich einen gemütlichen Aufenthaltsort.

Faunistisch, betreffend Wildtiere positiv und sehr gut gelungen ist der neue Wanderweg, welcher von zahlreichen Heuschrecken bewohnt wird (z.B. Blauflügelige Ödlandschrecke).

2.) Revitalisierung Falschauer Gemeinde St. Walburg im Ultental:

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Falschauer ohne Revitalisierung- unmittelbar unterhalb der „revitalisierten“ Flächen.

 

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Falschauer mit Revitalisierung

 

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Anlage von Stillgewässer mit großen Steinbrocken neben der Falschauer

 

Ziel der Revitalisierung ist die Schaffung lebendiger und vitaler Auen. Ob dies eine lebendige Au oder einfach nur ein Teich neben der Falschauer und aufgeworfene Schotterhäufen sind….invasive Neophyten findet man auch hier (Sommerflieder und Drüsiges Springkraut).

Die Fichten- dominierten Wälder im Talboden des Ultentales sind das Resultat der forstwirtschaftlichen Nutzung und Umformung des Waldes. Die Waldtypisierung hat Handlungsempfehlungen für derartige Wälder geliefert, mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/waelder/. Auch hier wurde Wald gerodet, Oberboden und Wald abgetragen und Schotterflächen geschaffen, welche sich aber nicht zu dynmaischen Auen weiterentwickelt haben. Die revitalisierte Fläche ähnelt mehr einer Schuttfläche (v.a. Unkräuter wachsen). Die Schutthügel könnten von jählichen Überschwemmungen nicht überlfutet werden, da sie zu hoch sind.

Revitalisierung Ulten St. Gertraud

Ein „Vorzeigeprojekt“ ist die Revialisierung der Falschauer in St. Gertraud im Ultental. Dort wurde eine Sitzgelegenheiten geschaffen, gebaggert und Holzfällarbeiten druchgeführt.

Weniger eine lebendige Au als Sitzgelegenheiten für müde Wanderer wurden in St. Gertraud realisiert.
Weniger eine lebendige Au als eine Sitzgelegenheit für müde Wanderer wurde in St. Gertraud als Revitalisierung realisiert. Nur wenige Bäume am Ufer durften stehen bleiben.

Im Bereich von St. Gertraud wurden vor allem Durchforstungen an der Falschauer durchgeführt, Bäume entlang des Baches wurden gefällt.

Falschauer in St. Gertraud mit Ufergehölzen
Falschauer in St. Gertraud mit Ufergehölzen und Auvegetation

 

Skurrile Pflanzung von Zirben in den Ufergehölzen.
Skurrile Pflanzung von Zirben in den Ufergehölzen.

 

Zirben wurden an der Falschauer gepflanzt. Diese Bäume sind charakteristisch für die subalpine Stufe und kommen in Stufen darunter nicht vor. Sie wurden in den Ufergehölzen der Falschauer in der monatanen Stufe jedoch angepflanzt.

Inwieweit sich der ökologische Zustand der Falschauer durch „Aufwertungen“ der Falschauer im Zuge der Revitalisierung verbessert hat, muss kritisch hinerfragt werden.

Ohne Zweifel und mit hundertprozentiger Sicherheit kann aber gesagt werden: „Die Sitzgelegenheiten sind gut gemacht! Bravo!“

 

 

 

 

Biodiversität Vögel

Die illustrierte Checkliste der Vögel der Welt, publiziert 2014 und 2016, umfasst 11.121 Vogelarten, wobei immer neue Arten dazukamen. Genauere Artuntersuchungen führen dazu, dass Vogelarten, welcher nur einer Art zugeordnet wurden, tatsächlich mehrere Arten darstellen und die Zahl der Vogelarten dadurch zunimmt (z.B. Mittelmeermöwe).

Weltweit beobachten Menschen gerne Vögel in ihrer Umwelt. Ohne egoistische Absichten werden Vögel im Winter am Futterhäuschen von Menschen gefüttert. Vogelfutter ist das einzige Wildtierfutter, das in Supermarktregalen angeboten wird. In Südostasien werden Krähen und andere Vögel von Menschen mit gekochtem Reis gefüttert, im Nahen Osten werden Stadttauben gefüttert usw.

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bunte Vogelhäuser

Die Artenvielfalt der Vögel ist jedoch bedroht, Populationen nehmen ab und Arten sterben aus. Einige Arten entwickeln sich auch positiv und zeigen einen positiven Populationstrend. Der Weissstorch war um 1950 in der Schweiz ausgestorben, heute gibt es ihn dort wieder. In einigen Gebieten haben die Weissstorchpopulationen zwischen 1980 und 2013  zugenommen, in einigen Gebieten aber abgenommen (EBCC 2015). Der weltweite Bestand gilt als nicht gefährdet. Er besiedelt offene Landschaften wie Graslandschaften mit extensiv genutzten Wiesen und Weiden und Flussniederungen mit periodischen Überschwemmungen, wo er Insekten, Frösche, Mäuse und Regenwürmer verzehrt.

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Weissstorch in extensiv genutzter Graslandschaft (Weide).

 

Vögel werden als Bioindikatoren von Landschaften und Naturräumen herangezogen. Um den Zustand von Natur und Landschaft unter dem Einfluss vielfältiger Nutzungen abzubilden, können Vögel als Indikatoren herangezogen werden und ihre Bestandsveränderung gibt Auskunft über den Zustand der Natur. In Deutschland wurde für fünf Landschaftstypen (Agrarlandschaft, Wald, Siedlung, Binnengewässer, Küsten/Meere) ein Monitoring eingerichtet und der Bestand bestimmter Vogelarten beobachtet. Heute liegen die Bestandszahlen deutlich unter den Werten von 1970 und 1975.

STATE OF THE WORLD’S BIRDS, 2018 BirdLife International:

„Analysis of the IUCN Red List shows that there has been a steady and continuing deterioration in the status of the world’s birds since the first comprehensive assessment in 1988. Highly threatened species continue to go extinct, while formerly common and widespread species are in sharp decline. At least 40% of bird species worldwide (3,967) have declining populations, compared with 44% that are stable (4,393), 7% that are increasing (653) and 8% with unknown trends (823)“

Hochgradig gefährdete Vogelarten sterben weiter aus, während ehemals häufige und weit verbreitete Arten weiter abnehmen. 40% der Vogelpopulationen weltweit nehmen ab und Arten die einst nicht gefährdet waren, sind heute gefährdet. In der Roten Liste der IUCN waren 1994  die meisten Geierarten als nicht gefährdet eingestuft, heute sind die Hälfte der Geierarten weltweit vom Aussterben bedroht. In Europa kommen der Schmutzgeier, der Bartgeier, der Mönchsgeier und der Gänsegeier vor, alle vier sind in ihrem Bestand gefährdet.

z.B. Rote Liste Italien:

  • Gänsegeier (Gyps fulvus), vom Aussterben bedroht
  • Bartgeier (Gypetus barbatus), vom Aussterben bedroht
  • Schmutzgeier (Neophron percnopterus), global stark gefährdet (Rote Liste IUCN), Italien vom Aussterben bedroht
  • Mönchsgeier (Aegypius monachus), in Italien einst heimisch, jedoch ausgestorben und nicht in der Roten Liste erwähnt.

Der Mönchsgeier war auch ein Brutvogel Österreichs. Der Mönchsgeier wurde nicht wieder angesiedelt, jedoch kreisen Bartgeier wieder über den Alpen Österreichs, sie wurden aktiv angesiedelt. Einst wurden diese Arten vom Menschen ausgerottet: verfolgt, geschossen, vergiftet, erschlagen. Am Balkan sterben heute noch Geier an Vergiftungen (https://www.4vultures.org/our-work/anti-poisoning/balkan-anti-poisoning-project/). Vor 30 Jahren starteten zahlreiche Initiativen zur Rettung und Wiedereinbürgerung dieser Arten in Euorpa.

Geier
Gänsegeier

 

Der Gänsegeier gehört in Deutschland zu den ausgestorbenen oder ausgerotteten Vogelarten. In Deutschland ausgestorben sind außerdem Blauracke, Doppelschnepfe, Mornellregenpfeifer, Papageitaucher, Rosenseeschwalbe, Rothuhn, Schlangenadler, Schwarzstirnwürger, Steinsperling, Triel, Waldrapp und Zwergtrappe.

2015 wurde unter Führung von BirdLife International eine neue Rote Liste der Vogelarten Europas vorgelegt und von den 533 Vogelarten des Kontinents sind 18% der Vogelarten gefährdet:

  • 2% (11 Arten) vom Aussterben bedroht
  • 4% (16 Arten) stark gefährdet
  • 12% (55 Arten) gefährdet
  • 6% (26 Arten) potentiell gefährdet

Jede Hilfe zu spät kommt für Arten, welche global ausgestorben sind, wie dem Kanaren-Austernfischer und dem Riesenalk. Diese waren Brutvögel Europas und sind dort und damit weltweit ausgestorben. Für endemische Arten, also Arten die ausschließlich in einem begrenzten Gebiet vorkommen, trägt jedes Land seine besondere Verantwortung.

 

Abnahme Vogelpopulationen Europa

Mehlschwalben
Mehlschwalben

Das Langzeitmonitoring der gewöhnlichen und häufigen Arten in Europa von 1980 bis 2016 belegt, dass die Vogelpopulationen abnehmen oder gar dramatisch sinken. Bedroht sind vor allem Arten, die in Agrarlandschaften leben. Insgesamt ist die Zahl der Brutpaare in den landwirtschaftlichen Gebieten in der EU demnach zwischen 1980 und 2010 um 300 Millionen zurückgegangen, was einem Verlust von 57 Prozent entspricht. Insgesamt sind die gewöhnlichen Vögel um 15% zurückgegangen und die gewöhnlichen Waldvögel um 6% (State of common European breeding birds 2018).

In Österreich wurden Bestandstrends von 66 häufigen Brutvogelarten ermittelt (Teufelbauer, N., B. S. Seaman & M. Dvorak (2017): Population changes of common Austrian breeding birds in the period 1998-2016 – Results of the breeding bird monitoring). Gut die die Hälfte aller Arten (36 Arten bzw. 54,5 %) zeigte in den Jahren 1998-2016 eine statistisch signifikante Abnahme, etwa ein Viertel der Arten hatte einen stabilen Bestandstrend (19 Arten bzw. 28,8 %) und nur gut ein Sechstel aller Arten nahm in ihren Beständen zu (11 Arten bzw. 16,7 %).  Untersuchungen zu Brutvögeln in der Kulturlandschaft haben bereits 2015 einen negativen Bestandstrend in Österreich ergeben. Dieser Trend hat sich fortgesetzt, und aktuell steht der Farmland Bird Index bei 59 % des Ausgangswertes aus dem Jahr 1998 (Teufelbauer & Seaman 2017a) – d. h., dass in diesem Zeitraum von 19 Jahren gut ein Drittel der Vögel der Kulturlandschaften verschwunden ist. Im Lebensraum Wald bietet sich ein besseres Bild.

Der Farmland Bird Index für Italien Rete (Rurale Nazionale & LIPU, 2018) startet im Jahr 2000. Für den Zeitraum von 2000 bis 2017  hat der Index ein Minus von 17,9 % in Südtirol ergeben. 4 Arten haben leicht zugenommen und 4 Arten haben leicht abgenommen. Viele Arten sind stabil und für viele Arten fehlen Daten. Extrem abgenommen hat die Feldlerche mit minus 91,9% und das Braunkehlchen minus 86,7%.

„Verstummen die Vögel“ ist der Titel eines Buches des Ornithologen Bezzel Einhard aus dem Jahr 1973. In diesem Buch kommt Südtirol vor: „Ein bayrischer Vogelfreund, beeindruckt von der Vogelleere und dem starken Raupenfraß in Wäldern Südtirols, hatte den Einfall, Meisen zur biologischen Schädlingsbekämpfung von Bayern nach Italien zu exportieren, um sie dort als Keimzelle für eine neue Meisenbevölkerung einzusetzten. Er beantragte ordnungsgemäß bei den zuständigen Behörden, 50 Paare bayrischer Meisen fangen und in Südtirol aussetzten zu dürfen. Von beiden Seiten der Grenze wurde ihm die Erlaubnis erteilt, jedoch erregte das Vorhaben öffentlichen Protest, wodurch die Pläne aufgegeben wurden.“ Südtirols Kulturlandschaft ist auch heute nicht reich an Kohlmeisen und Arten starben seitdem auch aus oder ihre Populationen nahmen ab.

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Mehlschwalben haben in 30 Jahren in Südtirol um 60% abgenommen

 

Allseits bekannte Schwalben, einst häufige Brutvögel an Gebäuden der Kulturlandschaft, sind in der Kulurlandschaft des 21. Jahrhunderts selten geworden. Erich Gasser von der AVK hat die Bestandsentwicklung der Schwalben in Südtirol untersucht. Aus dem Vergleich der Anzahl der bebrüteten Nester für den 30-Jahres-Zeitraum 1987-2016 wurde ein Rückgang der Mehlschwalben von 60%, jenen bei den Rauchschwalben gar von 80% festgestellt.

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Hohltaube: Die Hohltaube war ein häufiger Brutvogel in Südtirol, wurde jedoch immer seltener und ist heute als Brutvogel in Südtirol ausgestorben. Sie war früher fast ebenso häufig wie die Ringeltaube (Dalla Torre-Anzinger, 1896/97). Hohltauben  benötigen zur Brut große Bruthöhlen (z.B. Höhlen des Schwarzspechtes), was zeigt, wie wichtig Spechthöhlen für andere Vogelarten sind. In der Schweiz zeigt die Hohltaube einen positiven Populationstrend, der Brutvogelbestandindex nahm seit 1990 zu. Europa beherbergt 80% der globalen Population und von 1980 bis 2013 zeigte die Art europaweit eine leiche Zunahme. Ebenfalls in Südtirol als Brutvogel nicht mehr nachgewiesen wurde die Turteltaube, deren Population in vielen Ländern Europas seit 1980 stark abnahm. Als Grund für die Abnahme gilt die Jagd im Mittelmeerraum (die Turteltaube ist die einzige europäische Taubenart, die ein Langsstreckenzieher ist).

Ringeltaube im Bild- in Südirol nicht ausgestorben (Hohltauben und Turteltauben sind in Südtirol als Brutvögel ausgestorben)
Ringeltaube (Hohltauben und Turteltauben sind in Südtirol als Brutvögel ausgestorben)

 

Jedes Land trägt eine besondere Verantwortung für den Erhalt der Artenvielfalt der Vögel. In Italien z.B. brütet über die Hälfte aller weltweit vorkommenden Mittelmeersturmtaucher (Puffinus yelkouan), nämlich 65%. 26% des weltweiten Bestandes an Seinhühnern (Alectoris graeca saxatilis) brütet in Italien. Für den globalen Bestand und die Erhaltung dieser Arten trägt Italien eine besondere Verantwortung.

Eine umfassende Auflistung der Vogelarten und Populationen Europas liefert die internationale Organisation Birdlife:

www.birdlife.org/sites/default/files/attachments/European%20Birds%20of%20Conservation%20Concern_Low.pdf

 

Lebensräume der Vögel 

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Kleiner Überblick: Der Wald ist der optimale Lebensraum von ca 50 Singvogelarten Mitteleuropas, am artenreichsten sind Laubwälder, Mischwälder und Auwälder mit gut ausgebildeter Struktur (üppige Kraut, Strauch- und Baumschicht, absterbende Bäume usw.). Die Nester der Laubsänger und des Rotkehlchens sind am Boden, in den Sträucher brüten Heckenbraunelle und Möchsgrasmücke, in der unteren Baumschicht brüten Singdrossel, Amsel und Gimpel und ganz oben in den Bäumen Buchfink und Pirol. Reine Nadelwälder sind artenärmer, Tannenmeise, Haubenmeise, Fichtenkreuzschnabel und Goldhähnchen leben in diesen Wäldern. Spechte, Eulen und Greifvogelarten brüten auf und in Bäumen der Wälder.

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Um die Artenvielfalt der Waldvögel ist es weniger schlecht bestellt

Viele Waldvögel Europas sind auch Zugvögel und ziehen im Winter vom Norden in den Süden, um dort zu überwintern. Waldschnepfen aus Nord- und Mitteleuropa überwintern im Mittelmeerraum (z.B. in Italien und Griechenland). Bei den Waldschnepfen in Südtirol handelt es sich vorwiegend um Zugvögel, selten brüten sie im Unterland. „Die wichtigsten Brutgebiete der Art liegen in nördlichen Regionen wie Estland oder Lettland. Wenn die Böden dort frieren, zieht die Waldschnepfe in ihre südlichen Überwinterungsgebiete (z.B. Toskana). Auf ihrem Weg macht sie auch in Südtirol Halt. Die Hauptdurchzugszeit liegt zwischen dem 20. Oktober und dem 10. November. “ Unterthurner et al. (2019).

Waldkauz
Waldkauz

 

Wieviele Vögel leben im Wald? Die Vogelwelt des Karwendelgebirges in Nordtirol wurde 2014 erhoben und die Anzahl von Brutvögeln ermittelt. Im 700 km² großen Vogelschutzgebiet wurde die Anzahl der Brutvögel ermittelt, einige Zahlen von Waldvogelarten:  15.000 Rotkehlchen, 5000 Wintergoldhähnchen, 2700 Haubenmeisen, 85 bis 275 Rauhfusskäuze, 300-375 Haselhühner, 300-500 Birkhühner, 275-325 Waldschnepfen usw.

Rotkehlchen

 

Wasservogelarten und Watvögel sind an Feuchtlebensräume gebunden. Ausgedehnte Schilf- und Verlandungszonen, Flachwasserzonen, und Auwälder sind Lebensraum zahlreicher Arten (Enten, Reiher, Eisvogel, Rallen, Fischadler, Flussuferläufer, Bachstelze usw.). Bäche und Flüsse mit natürlich dynamischen Schotter- und Sandbänken bieten Bachstelze, Flussregenpfeifer und Flussuferläufer Lebensraum. Auf ausgedehnten Feuchtwiesen und Mooren brütet der seltene und stark gefährdete Brachvogel.

 

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Graureiher an der Etsch

In Auwäldern oder auf Bäumen in der Nähe von Fischgewässern leben z.B. Graureiher, welche in Südtirol erstmals 1997 brüteten. 2008 gab es mehrere Brutplätze in Südtirol:

Ufervegetation wird von der Wildbachverbauung in Südtirol wild zugerichtet und zerstört.
Eisack ohne Ufergehölze nach Kahlschlag: Ufervegetation wird von der Wildbachverbauung in Südtirol wild zugerichtet und zerstört.

 

In Südtirol wird nicht nur die Ufergehölze an Gewässsern durch die Wildbachverbauung ständig kahlgeschlagen, durchforstet oder anderweitig als Lebensraum für Vögel zerstört, sondern sogar ganze Auwälder werden weggebaggert oder zuzementiert. Die Nachtigall, welche in den Ufergehölzen Südtirols brütet, hat durch die wilden Schlägerungen der Ufergehölze stark abgenommen.

Feuchtgebiete und Uferbereiche von Seen und Flüssen sind herausragende Vogellebensräume: Beispiel Chiemsee: 1994 veröffentlichte Michael Lohmann eine erste Fassung einer „Statusliste der Vögel des Chiemsees (1980-1993). Die Bilanz für den Zeitraum 1980-1993 umfasst 262 Vogelarten, von denen 135 brüteten oder brutverdächtig waren. 127 waren Gastvögel und Durchzügler, davon zwölf Gefangenschaftsflüchtlinge.

Wasseramsel, einziger Singvogel der unter Wasser Insekten jagt
Wasseramsel, einziger Singvogel der unter Wasser Insekten jagt

 

In Südtirol ist das Biotop Falschauermündung ein Vogelschutzgebiet, in dem über 220 Vogelarten nachgewiesen wurden, wobei Zugvögel den Großteil ausmachen. 50 Vogelarten wurden als Brutvögel dort nachgewiesen.

Alpine Landschaften mit alpinen Rasen und Zwergstrauchheiden sind Heimat von Schneehuhn, Alpendohle, Schneefink, Steinschmätzer,  Ohrenlerche, Bergpiper, Alpenbraunelle. In alpinen Landschaften mit Felsen und Geröll kommen auch Steinhuhn, Steinrötel und Hausrotschwanz vor. Der Mauerläufer ist auf Felswänden zu beobachten.

Ornithologische Untersuchungen des Schlern in den Jahren 2005 bis 2007 erbrachten für Dolomitfelswänden 21 Vogelarten. Der Mauerläufer wurde dabei auf sonnseitigen und schattseitigen Dolomitwänden festgestellt. Bei den Bestandserhebungen wurde das Alpenschneehuhn, charakteristischer Vogel der subalpinen und alpinen Lagen, auch in günstigen Habitaten nicht nachgewiesen.

Für Vögel wichtige Lebensräume sind Felswände, zahlreiche seltene Vogelarten (z.B. Wanderfalke, Uhu, Steinadler) brüten auf Vorsprüngen von Felswänden. Felsenschwalbe und Alpensegeler brüten auch auf Felsen.

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Felswände mit Bäumen, potentielle Brutorte des Uhu

 

Landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaften beherbergen 20 bis 30 Singvogelarten. Hochwertige Kulturlandschaften mit Wiesen, Hecken und extensiv genutzten Flächen sind Lebensraum von Neuntöter, Braunkehlchen und Feldlerche und zahlreicher anderer Singvogelarten (hochwertige Kulturlandschaften beherbergen bis ca 70 Arten, Landschaften mit kleinen Feuchtgebieten, Hecken, Waldresten usw.).

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Kulturlandschaft von Apfelmonokulturen: sehr geringe Artenzahlen.

 

Intensiv landwirtschafltich genutzte Kulturlandschaften mit Monokulturen und fehlenden Lebensräumen wie Hecken oder kleinen Feuchtgebieten bieten nur wenigen Arten einen Lebensraum. Brutvogelbestandserhebungen in einem Ackerbaugebiet ( Getreide, Kartoffeln, Raps) im südlichen Weinviertel (Niederösterreich) in den Jahren 1985 bis 1991 Von Ulrich Straka ergaben für ein Gebiet von 350 ha nur 18 Brutvogelarten. Von diesen 18 Arten brüteten nur 10 Arten tatsächlich jedes Jahr im Gebiet. Von den 18 Brutvogelarten waren 14 (78 Prozent) in ihrem Brutvorkommen an den Bach gebunden, der durch die Ackerlandschaft fließt.

In den Apfelmonokulturen des Etschtalbodens können nur drei Brutvogelarten erfolgreich leben und sich fortpflanzen: die Amsel, die Singdrossel und die Wacholderdrossel. Nützlinge wie Meisen, welche Schadinsekten jagen, können durch den massiven Einsatz von Pestiziden in den Monokulturen nicht überleben. In Gewässer- oder Waldnähe können in den Apfelmonokulturen auch andere Vogelarten beobachtet werden.

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Singdrossel auf Wiese

 

Städte und Siedlungen sind Lebensraum zahlreicher Arten. Das Vogelgezwitscher in Parks mit großen Bäumen, in Privatgärten und Friedhöfen mit altem Baumbestand ist vielfältig und einige Vogelarten, darunter auch Waldvogelarten, kommen in Siedlungen und Städten vor, z.B. Kleiber, Ringeltaube, Baumläufer. In Küstenstädten kommen auch Arten der Meere vor, wie Möwenarten.

Mittelmeermöwe in Venedig
Mittelmeermöwe in Venedig

 

Der Haussperling und die Stadttauben sind typische Stadtbewohner. Von 2010 bis 2015 wurden Brutvogelerhebeungen von der AVK in Südtirol durchgeführt, diese ergab 153 Brutvogelarten. Die allseits bekannte Stadttaube fehlt aber in diesem Brutvogelatlas. Die Wildform der Stadttaube oder Strassentaube ist die Felsentaube (Columba livia), welche in Nordafrika und Eurasien natürlich verbreitet ist. Als Stadttaube kommt sie weltweit vor und ist eine der erfolgreichsten Vogelarten der Welt. An Küsten und auf Felsen legt die Felsentaube in der Natur ihr Nest an, in Städten auf Gebäuden und unter Brücken. Zu hohe Taubendichten in Städten sind für die Gesundheit der Tauben nicht förderlich. Natürliche Feinde wie Uhu, Wanderfalke, Sperberweibchen usw. sind in Stadtzentren eher selten und hohe Populationsdichten sind die Folge. „Ziel sollte keine Vernichtung, sondern ein kleiner gesunder Taubenbestand sein, denn auch Stadttauben zählen zur Artenvielfalt unserer Siedlungen.“ Stefan Bosch und Peter Havelka, NABU Deutschland zu Stadttauben.

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Stadttaube, zweifelsohne ein Brutvogel Südtirols

 

Vögel im Ökosystem

Einige Beispiele von Vogelarten, ihre Anpassung und ihre Rolle im Ökosysstem.

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Standvögel bleiben im Winter, Zugvögel zeihen bis nach Südafrika

Vogelarten, die sich etwa von Insekten ernähren, müssen in wärmere Gebiete ziehen, da ihre Nahrung im Winter nicht verfügbar ist. Auch Wasservögel können im Winter in Europa nicht überwintern, wenn Gewässer zufrieren. Einige Langsteckenzieher fliegen alljährlich von Europa bis nach Afrika um zu überwintern. Kurzsteckenzieher ziehen weniger weit und Standvögel ziehen nicht. Zu den Standvögeln gehören etwa Spechte oder auch Schneehühner.

Anpassung an widrige Umweltbedingungen im alpinen Gelände

Die in den Alpen vorkommenden Standvögel der montanen bis alpinen Stufe sind optimal an die Umweltbedingungen angepasst. Das Schneehuhn ist ein gutes Beispiel für die Anpassung an lange und hohe Schneelagen: Auf das verminderte Nahrungsangebot Winter reagieren sie mit einer Drosselung des Stoffwechsels und damit des Energiebedarfes. Der Organismus der Vögel funktioniert im Energie- Spar- Modus. Diese Strategie der Anpassung funktioniert aber nur, solange die Tiere nicht gestört werden. Bei Störung reagieren sie mit Flucht und es wird dabei sehr viel Energie verbraucht. Der Energieverlust durch häufige Flucht kann nur schwer kompensiert werden, da die Nahrung im Winter knapp ist.

Im Winter ist das Gefieder der Schneehühner weiss und im Sommer grau. Der Farbwechsel dient nicht nur der Tarnung, sondern auch dem Schutz vor Kälte, indem ins Wintergefieder Luft eingelagert wird, was wiederum isolierend wirkt. Bei sehr niederen Temperaturen, stürmischen Schneegestöber usw. versteckt sich das Schneehuhn in Schneehöhlen, wo die Temperatur nur wenige Grad unter Null sinkt.

Das Schneehuhn hat sich optimal an die niederen Temperaturen und die langen Winter im alpinen Gelände adaptiert. Erst durch die Anpassungen ist ein Überleben im Hochgebirge möglich.

Vögel als Nützlinge

Vogelarten wie Meisen sind in Wäldern und in der Kulturlandschaft weit verbreitet und im Waldökosystem und in agrarisch genutzten Ökosystemen spielen sie eine wichige Rolle, indem sie Insekten fressen. Einige Insektenarten gelten als Schädlinge, wie etwa Blattläuse und Kohlmeisen suchen im Herbst überwinternde Blattläuse auf Hecken und fressen diese. Im Sommer verzehren sie große Mengen an Spinnen und Insekten. Massenvermehrungen von Insekten wird damit vorgebeugt und sie tragen wesentlich zum ökologischen Gleichgewicht im Ökosystem bei.  Auch der Buchfink mag am liebsten Insekten und Spinnen bzw. deren Larven ebenso wie das Rotkehlchen. Insektenfressende Vogelarten vertilgen ausgewachsene Insekten auch die Larven, etwa Raupen oder Käferlarven und Puppen. Im Wald sucht der Kleiber die Stämme der Bäume nach Insekten ab.

Diasporenausbreitung (Samenverbreitung) durch Vögel

Vögel sind wichtig für das Ökosystem Wald indem sie Samen verbreiten: Eichelhäher und Tannenhäher stecken die Samen von Bäumen in den Boden. Ein Teil dieser Samen keimt und eine neue Generation von Waldbäumen entsteht im Wald. Leider werden Eichelhäher in Europa auch von Jägern geschossen und dem Ökosystem Wald wird dadurch geschadet. Eicheln sind schwere Samen, die mit der Hilfe Eichelhähern über weitere Strecken verbreitet werden können. In Südtirol gibt es sehr wenig Eichelhäher und ebensowenig Eichen in den Eichenwäldern. Die Artenvielfalt und das Ökosystem wird durch die Jagd auf den Eichelhäher beeinträchtigt. http://biodiversitaet.bz.it/2020/10/24/eichtelhaeher-und-tannenhaeher/

Vögel in der Nahrungskette eines Ökosystems

Junger Haubentaucher
Junger Haubentaucher

In Ökosystemen gibt es komplexe Nahrungsbeziehungen (trophische Ebene) zwischen den einzelnen Arten. Produzenten sind jeweils Pflanzen, welche Tieren als Nahrungsgrundlage dienen. Die Pflanzenfresser sind Konsumenten erster Ordnung darauf folgen die verschiedenen Konsumenten zweiter, dritter und vierter Ordnung.  Nahrungsketten und Nahrungspyramiden beschreiben die stoffliche Abhängigkeit im Ökosystem.

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Kalterer See mit Schilfgürtel, Auwald und Haubentaucher

In Ökosystemen gibt es komplexe Nahrungsbeziehungen zwischen den Arten und jede Art füllt eine bestimmte ökologische Nische aus. Fische ernähren sich von Insekten und auch Wasserpflanzen. Raubfische und fischfressende Vögel, wie der Haubentaucher, ernähren sich von Fischen (Konsuenten III Ordnung) und diese können wiederum von anderen Tieren gefressen werden, wie z.B. Greifvögeln.

 

 

Quelle: Public domain

Die Anzahl und Masse von Kosumenten erster Ordnung ist hoch (z.B. Insekten, Fische), während Konsumenten der IV Ordnung (z.B. Baumfalke und Seeadler) sehr gering ist.

Fischschwarm mit kleinen Fischen im kleinen Montiggler See, Nahrung des Hechtes und fischfressender Vögel
Fischschwarm mit kleinen Fischen im kleinen Montiggler See, Nahrung des Hechtes und fischfressender Vögel

 

Spitze der Nahrungskette: Steinadler

Greifvögel- Konsumenten IV Ordnung und an der Spitze der Nahrungskette
Greifvögel- Konsumenten IV Ordnung und an der Spitze der Nahrungskette

 

Seeadler, Uhu und Steinadler sind in Europa Vogelarten, welche an der Spitze der Nahrungskette stehen.

Am Tag der Artenvielfalt 2018, welche im Bereich des Weissbrunnstausees im Ultental stattfand, wurden 54 Vogelarten festgestellt, darunter auch ein Steinadlerpaar. Es wurde dabei vom Vorsitzenden der AVK Leo Unterholzner auf das „Schrumpfen“ der Vogelpopulationen hingewiesen. Viele Vogelpopulationen nehmen nämlich ab. Im alpinen und subalpinen Gelände sind die Vogeldichten aber generell gering.

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Jagdgebiet eines Steinadlerpaares: hinteres Ultental mit Weissbrunnstausee im Nationalpark Stilfser Joch

Der Steinadler ist ein charakteristischer Vogel des Hochgebirges, dessen bevorzugte Beute bei der Aufzucht von Jungen Murmeltiere darstellen. Streif- und Jagdgebiete der Steinadler liegen hauptsächlich oberhalb des Nestbereiches im Bereich der Waldgrenze und darüber, außerhalb der Brutzeit zum Teil auch auf Talböden unmittelbar am Alpenrand. Als Reviergrößen wurden bei 11 Paaren im Werdenfelser Land zwischen 35 und 70 km2 ermittelt. Der Steinadler ist ein Top- Karnivor und ernährt die Jungen zur Brutzeit vor allem von Murmeltieren. Eine hohe Murmeltierdichte in einem Gebiet, sichert dem Steinadler die erfolgreiche Aufzucht der Jungen. In vielen Gegenden Südtirols gibt es aber relativ geringe Murmeltierdichen (z.B. Ultental) und Südtirol ist das einzige Land Italiens, in dem Murmeltiere gejagd werden dürfen.

Gefährdungsursachen für Vögel

STATE OF THE WORLD’S BIRDS, 2018 BirdLife International:

„A range of threats drives declines in bird populations
BirdLife systematically evaluates the threats facing globally threatened bird species as part of its work assessing avian extinction risk for the IUCN Red List. This provides an important insight into the principal drivers not only of bird extinction, but of the biodiversity crisis more widely and informs BirdLife’s conservation strategies and approaches. Humans are responsible for most of the threats to birds. Foremost among them are: agricultural expansion
and intensification, which impacts 1,091 globally threatened birds (74%); logging, affecting 734 species (50%); invasive alien species, which threaten 578 (39%) species; and hunting and trapping, which puts 517 (35%) species at risk. Climate change represents an emerging and increasingly serious threat—currently affecting 33% of globally threatened species—and one that often exacerbates existing threats.“

Gefährdungsursachen weltweit:

  1. Ausdehnung der Landwirtschaft und Intensivierung
  2. Holzeinschlag Forstwirtschaft
  3. Invasive Arten
  4. Jagd und Fang
  5. Klimawandel

Gefährdungsursachen Italien:

Die generellen Hauptgefährdungsursachen für Vögel in Italien sind:

  • Wilderei
  • äußere Gefahren außerhalb der Europäischen Union ( betrifft Zugvögel)
  • Veränderung der Lebensräume

Häufige Gefährdungsfaktoren von großer Wichtigkeit sind:

  • Nutzungsaufgabe von Wiesen und Weiden,
  • Intensivierung der Landwirtschaft
  • hydraulische Veränderungen (Gewässer)
  • Alienarten  (invasive Neobiota)

(Quelle: Nationaler Bericht der ISPRA zur Umsetzung der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten)

Fischadler in einer Wasserfläche einer Hotelanlage in Ägypten
Zugvogel Fischadler: Rast in einer Wasserfläche einer Hotelanlage in Ägypten
Insbesondere Populationen von Zugvögeln, welche in den Staaten Europas brüten und im Winter in anderen Ländern überwinteren, erleiden Verluste auf der Vogelzugstrecke oder im Überwinterungsgebiet. Die illegale Jagd, z.B. der Vogelfang in Ägypten, gefährdet die Populationen und Arten europäischer Brutvogelarten.
Gefährdungsursache Landwirtschaft: die industrialisierte Landwirtschaft bedient sich chemisch- synthetischer Stoffe zum Pflanzenschutz. Diese Stoffe wirken sich auf die Biodiversität (Ökosystem und Arten) aus. Neonikotinoide als Pflanzenschutzmittel gelangen auch ins Wasser und in die Nahrungskette, siehe http://biodiversitaet.bz.it/pestizide/

Die Intensivierung der Landwirtschaft geht auch mit dem Verlust von Habitaten (Lebensräumen) einher. Hecken, Magerwiesen, kleine Feuchtgebiete in der Kulturlandschaft und andere Strukturen sind verschwunden. Übernutzung und Nutzungsänderung (z.B. Ausdehung des Obstbaus in Südtirol auf Gebiete, wo einst der Kiebitz brütete) gefährden ebenfalls die Vogelpopulationen.

Die Intensivierung der Forstwirtschaft und die Förderung der Fichte ist für Laubwaldarten, wie den Weissrückenspecht, eine Bedrohung. Waldrodungen (z.B. Regenwälder Indonesien) bedrohen unzählige Arten.

Durch die Jagd wurden in der Vergangenheit zahlreiche Vogelarten ausgerottet und auch heute noch werden gefährdete Vogelarten von Jägern abgeschossen (z.B. Steinhuhn, dessen Population weltweit abnimmt (IUCN) und in  Italien  in einem schlechten Erhaltungszustand ist http://www.uccellidaproteggere.it/Le-specie/Gli-uccelli-in-Italia/Le-specie-protette/COTURNICE).

Auf das Konto der Jagd fallen ebenfalls Bleivergiftungen durch Schrotkugeln (Das Blei kommt über die Nahrungskette in die Vogelkörper, wenn Vögel Eingeweide und Fleisch von Wildtieren aufnehmen, welche nach dem Abschuss von Huftieren durch Jäger im Freiland verbleiben, Europas gefährdete Geier sind davon betroffen)

Invasive Arten/ Neobiota Die Weisskopfruderente ist durch Hybridisierung mit der Schwarzkopfruderente aus Nordamerika in ihrem Bestand gefährdet. Die Einschleppung von Katzen, Ratten und Mäusen auf Inseln oder Kontinenten (z.B. Australien) ist für viele Vogelarten eine Gefährdungsursache. Gebietsfremde Arten bedrohen weltweit 578 gefährdete Vogelarten.

Weitere Gefährdungsursachen:

  • Störungen durch menschliche Aktivitäten (Schneeschuhwanderer, Angler, Jäger, Jogger usw) gelten zusammen mit der Zerstörung von Lebensräumen und der Verminderung der Lebensraumqualität als eine Hauptursache für den Rückgang vieler Vogelarten in Europa. 
  • Vogelschlag (Vögel verletzten sich oder sterben beim Aufprall auf Glasfassaden an Gebäuden, werden von Autos angefahren usw.)
  • Hochspannungsleitungen (für Uhus eine der Hauptgefährdungsursachen in Südtirol)
  • Windräder: Durch Windkraftanlagen sterben zahlreiche Vögel (z.B. Rotmilane in Deuschland)
  • Hauskatzen: Hauskatzen erbeuten zahllose Singvögel. Reine „Stubentiger“ stellen keine Gefahr dar.
  • Vogellebensräume in Südtirol werden bei Revitalisierungen/ Renaturierungen und Gestaltungen von Biotopen zerstört oder beeinträchtigt (Ufergehölze, Wälder und Auwälder gehen bei Revitalisierungen verloren, ebenso Röhrichte und andere wichtige Lebensräume für Vögel) z.B. Verschwinden von Röhricht in Vogelschutzgebiet Falschauer
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Teich im Vogelschutzgebiet Falschauermündung vor Revitalisierung: ausgedehntes Röhricht und Ufergehölze (Brutplätze von Blässhuhn, Teichhuhn, Zwergtaucher, Zwergdommel usw.)

 

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Nach der Revitalisierung: Röhricht und Ufergehölz ist verschwunden (Grundwasserspiegelanstieg). Im Vogelschutzgebiet ist das einzige größere Röhricht durch die Revitalisierung verloren gegangen.

 

Anlage einer baumfreien Sumpffläche für Vögel geplant von Leo Unterholzner. Auwald im Natura 2000 Gebiet wurde dafür gerodet.
Anlage einer baumfreien Sumpffläche für Vögel und dadurch Verlust von Auwald im Natura 2000 und Lebensraumverlust für Waldvögel (z.B. Grauspecht, Anhang 1 der Vogelschutzrichtlinie)

 

Der Flussregenpfeifer war einst Brutvogel am Unterlauf der Falschauer, jedoch dort heute nicht mehr. Die Turteltaube ist kein Brutvogel mehr in Südtirol und als Brutvogel ausgestorben. Ihr Lebensraum sind auch die Auen der Flüsse, Auwälder und Ufer der Flüsse mit Augehölz.

Der WWF Bozen hat auf die negativen Auswirkungen der Revitalisierung aufmerksam gemacht  ( mehr dazu aufhttp://biodiversitaet.bz.it/revitalisierung-wasserrahmenrichtlinie/) und auch auf die Vergiftung von wildlebenden Tierarten durch Blei.

Rote Liste Vögel Südtirol

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Turmfalke, potentiell gefährdet

 

In der Roten Liste der gefährdeten Tierarten Südtirols (1994) wurden 141 Arten Vogelaren beschrieben und Gefährdungskategorien zugeordnet:

  • 3 Arten sind ausgestorben, ausgerottet oder verschollen
  • 25 Arten vom Aussterben bedroht
  • 25 Arten stark gefährdet
  • 21 gefährdet
  • 13 potentiell gefährdet
  • 54 ungefährdete Arten
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Schotterbänke sind Lebensraum seltener Arten wie des Flussuferläufers oder Flussregenpfeifers

 

Flussuferläufer, Flussregenpfeifer und Eisvogel gehören zu den gefährdetsten Arten….Leider ist auch in Südtirol keine Trendwende zu erkennen; im Gegenteil, die Zahl der gefährdeten Arten und der Grad der Gefährdung nimmt zu. Ursachen dafür sind weitere Lebensraumverluste oder ungünstige Veränderungen derselben sowie intensivere oder veränderte Bewirtschaftung der Kulturlandflächen“ (AVK Nachrichten 63- 2014 S. 25). Trotz der unzähligen Renaturierungen und Revitalisierungen von Gewässern seit dem Jahr 2000, bei denen Lebensraum für bedrohte Arten geschaffen wird, gibt es keine Zunahme bedrohter Arten wie des Eisvogels, des Flussregenpfeifers oder häufigerer Arten wie des Teichhuhns.

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Au mit Gewässer, Schilfröhricht und Auwald

 

Obwohl überall in Südtirol Lebensräume in den Auen und Flüssen geschaffen wurden (Grundwasserteiche, Steilhänge für Eisvögel usw.), ist es gerade um die Vögel der Gewässer und Auen schlecht bestellt. Aus den Auen und Feuchtgebieten Südtirols ist auch die Beutelmeise verschwunden. Der Pirol, der einst in Auwäldern des Etschtales (z.B. Biotop Falschauermündung) zu finden war, ist als Brutvogel nicht mehr nachgewiesen worden. Als Lebensraum für den Pirol gibt die AVK „Pappelanlagen“ an, wobei es in Südtirol keine Pappelanlagen gibt.

Entlang der Etsch im Etschtal konnte die Nachtigall einst häufig beobachtet werden und im Brutvogelverzeichnis steht: „Der Bestand ist in den letzten zwei Jahrzehnten dramatisch zurückgegangen, durch weitere Verluste an Auwaldflächen, Entfernung von uferbegleitenden Gehölzen und des strauchreichen Unterholzes in den Laubwäldern.“

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Bachstelze in der Stadt

 

Und für den Schutz der letzten Auwälder treten in Südtirol nicht alle Umweltschutzvereine kompromisslos ein, siehe Auwald Brixen http://biodiversitaet.bz.it/2019/09/15/auwald-brixen/

Neben den Feuchtgebieten sind Wiesenlebensräume vom Rückgang an Vogeldiversität betroffen: Feldlerchen, Rebhühner, Braunkehlchen und andere Wiesenvögel haben abgenommen oder sind ausgestorben (Rebhuhn).

Stockenten haben in ihrem Bestand nicht abgenommen
Stockenten haben in ihrem Bestand nicht abgenommen

 

„Atlas der Brutvögel Südtirols“ der AVK

Auch Südtirol ist von der Abnahme der Vogelarten betroffen. Von 2010 bis 2015 wurden Brutvogelerhebeungen durchgeführt, 2017 war das Werk abgeschlossen (AVK 2017) und erst drei Jahre später (2018) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Leo Unterholzner leitete die Redaktion.

Beginnend bei der Geologie fallen Fehler ins Auge: Südtirol wird im Atlas geologisch in Ost- und Südalpen aufgeteilt, wobei die Südalpen jedoch Teil der Ostalpen sind und ganz Südtirol zu den Ostalpen gezählt wird.

Die Erhebungen ergaben 153 Brutvogelarten, wobei die Felsentauben bzw. Stadttauben (Columba livia) fehlen, obwohl sie sicherlich zu den Brutvögeln Südtirols gehören. Auch der Fasan scheint nicht als Brutvogel auf, obwohl einige abgeschossene Fasane in der Jagdstatistik angeführt sind. Von der Wachtel wurde in diesem 5 Jahreszeitraum kein sicherer Brutnachweis von der AVK erbracht, obwohl eine Zählung auf der Malser Haide von Mitarbeitern der AVK im Jahr 2011 in diesem Wiesenbrütergebiet genau 20 Reviere zählte (https://www.zobodat.at/pdf/AVK-Nachrichten_67_2016_0014-0021.pdf).

Die Waldschnepfe sei „Regelmäßiger Brutvogel, spärlicher Durchzügler und
Wintergast…Außerhalb der Brutzeit wird die Waldschnepfe auffallend häufig im Monat November beobachtet.“ Als Brutvogel ist die Waldschnepfe selten, als Zugvogel, der im Mittelmeerraum überwintert, ist sie im November freilich häufig zu beobachtender Durchzügeler (Brutgebiete, Überwinterungsgebiete siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Waldschnepfe). Der Pirol lebe in Auwäldern, Parks und Pappelanlagen, wobei es in Südtirol keine „Pappelanlagen“ gibt. Obwohl der Brutvogelatlas lange auf sich warten ließ, ist er durchaus verbesserungswürdig.

Laut Tageszeitung „Dolomiten“ vom 13/14.1.2018 und Interview mit dem Vorsitzenden der AVK Leo Unterholzner haben sich die Brutvogelarten seit den 1970ern verändert:

8 Brutvogelarten seien aus Südtirol verschwunden (Kiebitz, Zistensänger, Wiesenpiper, Bekassine, Rebhuhn, Hohltaube, Steinkauz, Beutelmeise), den Flussregenpfeifer und andere nicht mehr als Brutvögel nachgewiesene Arten wurden im Artikel nicht aufgezählt.

5 Brutvogelarten seien hinzugekommen (Graureiher, Bartgeier, Reiherente, Schwarzmilan und Schlangenadler.)

Der Vorsitzende der AVK Leo Unterholzner erwähnte im Artikel den Fahlsegler nicht. Dieser dehnte sein Areal auf Südtirol aus und kam neu dazu. Der Bartgeier wurde vor ca 100 Jahren in den Alpen ausgerottet. Nachzuchten aus dem Alpenzoo Innsbruck waren die Grundlage für die Wiedereinbürgerung in den Alpen. Er brütet wieder in Südtirol und ist in das Brutvogelverzeichnis der AVK aufgenommen worden, er ist keine neue Vogelart. Wichtig für den Bartgeier ist, dass es einen Bestand von Beutegreifern wie Wolf und Luchs sowie großen Greifvögeln wie den Steinadler gibt, da der Aasfresser Bartgeier von diesen Arten einen Teil der Beute übernimmt.

Über die Vogelwelt Südtirols im Mittelalter oder im 19 Jahrhundert ist sehr wenig bekannt. Ob Graureiher, Schlangenadler oder Schwarzmilan zur Römerzeit oder im Mittelalter in Südtirol gebrütet haben, kann nicht gesagt werden. Das Klima war im Mittelalter wärmer als heute und ausgedehnte Auen und Feuchtgebiete bedeckten die Talböden. Schwarzmilan und Reiher dürften in den breiten Talböden mit Auen sicherlich einen Lebensraum vorgefunden haben. Die Rohrdommel trägt den Namen Mooskua im Südtiroler Dialekt, ist aber schon länger als Brutvogel abwesend.

Die Erfassung der Avifauna druch die AVK findet seit etwa 40 Jahren statt. Zur Verbreitung des „neuen“ Schlangenadlers schrieb Peter Ortner (Tierwelt der Südalpen 1978): „ Wenn man bedenkt, dass das Etschtal südwestlich von Bozen besonders reich an Reptilienarten ist, nimmt es nicht Wunder, dass der Schlangenadler früher regelmäßig am Mendelgebirge gebrütet hat. Er wurde dann auf der Jagd nach Schlangen und Eidechsen im Gebiet der Leuchtenburg (Kaltern) beobachtet. In jüngster Zeit hat man den Schlangenadler nur mehr ganz vereinzelt auf dem Durchzug festgestellt“. Nachweise einer erfolgreichen Brut liefert nun auch die AVK und der Schlangenadler ist von den Vogelkundlern in das Verzeichnis der Brutvogelarten aufgenommen worden. Der Bartgeier ist nicht neu in Südtirol, sondern er ist wieder da, nachdem er ausgerottet worden war, wie andere Tierarten auch (z.B. Wildschwein, Wolf).

Zur Blaumerle steht im Brutvogelatlas: „Vor über hundert Jahren scheint die Blaumerle viel häufiger gewesen zu sein. Nach Dalla torre und anzinger (1897/98) brütete sie im Raum Bozen an Felsen und Burgen, ja sogar an der Pfarrkirche in Bozen und war bis Klausen und Sarnthein verbreitet. Der Bestand ist in den letzten Jahren sehr stark zurückgegangen. Es gibt nur noch wenige Brutpaare im Unterland.“ Dalla Torre und Anzinger (Vögel von Tirol und Vorarlberg, 1896/1897) stellten fest: “Bei Bozen ist sie auf Felsen und bei Schlössern nicht selten, nistet seit undenklichen Zeiten auch auf dem Turme und Kirchdach der Stadtpfarrkirche Bozen und verschwand nach Einbürgerung der Amsel aus den Gärten der Stadt.“ Vor über hundert Jahren ist die Blaumerle durch die Ausbreitung der Amsel bei Bozen seltener geworden.

 

Neozoen

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Neobiota: Höckerschwan

 

Echte Neuheiten der heimischen Vogelwelt sind Neobiota. Der Höckerschwan ist eine Art, welche sich seit etwa 100 Jahren in Europa immer weiter ausbreitet und dessen Bestandszahlen zunehmen. In Dänemark wurde 1917 ein Schwanenpaar angesiedelt und die Anzahl der Schwäne in Dänemark nahm stark zu:

  • 1923, 24 Schwäne
  • 1925, 40 Schwäne
  • 1935, 350 Schwäne
  • 1940, 600 Schwäne
  • 1962, über 1000 Schwäne und heute Zigtausende mit Wintergästen

Erst wenn sich eine Art über mehrere Generationen selbständig in freier Wildbahn fortpflanzt, spricht man von Neozoen. Einige der neuen Vogelarten sind invasive Neozoen (z.B. Jagdfasan, Halsbandsittich) und damit eine Gefahr für die Artenvielfalt. Mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/invasive-neobiota/

Arealveränderungen und die natürliche Ausdehung des Verbreitungsgebietes sind eine ganz natürliche Sache. Einige Arten sind erfolgreicher, konkurrenzstärker, anpassungsfähiger usw. und breiten sich dadurch aus.

In Südtirol wurden folgende Arten beobachtet, welche Neozoen sind:

  • Türkentaube: seit 1959 in Südtirol verbreitet (dehnte Areal natürlich aus)
  • Halsbandsittich: (ca 15 bis 20 in Bozen Stadt) (in Europa nicht heimische Art)
  • Brautente: einige Exemplare bei Meran (in Europa nicht heimische Art)
  • Mandarinente: immer wieder können Bruten beobachtet werden (in Europa nicht heimische Art)
  • Höckerschwan: Bruten am Toblacher und Kalterer See
  • Nilgans: eine bekannte Brut (in Europa nicht heimische Art)
  • Jagdfasan: wurde häufig ausgesetzt und vermehrt sich in einigen Gebieten (z.B. Unterland/ Überetsch) (in Europa nicht heimische Art)
  • Wacholderdrossel (dehnte Areal natürlich aus)
  • Karmingimpel (dehnte Areal natürlich aus)

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Die Türkentaube (Bild oben) ist eine neue Vogelart in Südtirol, welche weit verbreitet und erfolgreich ist.  Die Türkentaube lebt im Gegensatz zur Stadttaube nicht in Gruppen. Türkentaubenpaare verteidigen ihr Territorium gegen Artgenossen. Im Herbst jedoch sammeln sich Türkentauben und überwintern in Gruppen. Türkentauben haben wie einige andere Vogelarten ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet ausgedehnt, ohne Zutun von Menschen. Die Türkentaube breitete sich seit dem 19. Jahrhundert vom südlichen Balkan aus. Es gibt mehrere kontinental- osteuropäische Vogelarten, welche ihr Areal gegen Westen ausdehnen. Auch die Wacholderdrossel hat ihr Areal gegen Westen ausgedehnt und schafft es in Südtirol sogar in Obstplantagen zu überleben. Jedoch hat auch die Zahl der Wacholderdrosseln in Südtirol abgenommen.

Neozoen, welche ihr Areal natürlich ausbreiten, wie Wacholderdrossel oder Türkentaube, sind eine Bereicherung für die Biodiversität.

Biodiversitätsstrategie und Vogelschutzrichtlinie

Silberreiher: Wintergast in Südtirol und Art der Vogelschutzrichtlinie
Silberreiher: Wintergast in Südtirol und Art der Vogelschutzrichtlinie

 

Die EU und die einzelnen Mitgliedsstaaten haben zur Eindämmung des Biodiversitätsverlustes eine Biodiversitätsstrategie bis 2020 formuliert und als erstes Ziel:“ ZIEL 1: VOLLSTÄNDIGE UMSETZUNG DER VOGELSCHUTZ- UND DER HABITAT-RICHTLINIE Aufhalten der Verschlechterung des Zustands aller unter das europäische Naturschutzrecht fallenden Arten und Lebensräume und Erreichen einer signifikanten und messbaren Verbesserung dieses Zustands, damit bis 2020 gemessen an aktuellen Bewertungen i) 100 % mehr Lebensraumbewertungen und 50 % mehr Artenbewertungen (Habitat-Richtlinie) einen verbesserten Erhaltungszustand und ii) 50 % mehr Artenbewertungen

 

Schutzstatus Südtirol: Alle wildlebenden Vogelarten Südtirols sind geschützt (Naturschutzgesetz 2010), jedoch nicht vollkommen und teilweise jagdbar. 

Auf EU Ebene wurde zum Schutz der Vögel 1979 die Vogelschutzrichtlinie erlassen, welche 2009 durch die Richtlinie zur Erhaltung der wildlebenden Vogelarten ersetzt wurde. Diese Richtlinie wird ebenfalls Vogelschutzrichtlinie genannt.

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Das Nest des Seeregenpfeifers wird an der Adria vor Störungen geschützt und Menschen zur Achtung aufgefordert

Vogelschutzgebiete und Vogelschutzrichtlinie

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Brutgebiete geschützter Vogelarten müssen vor Störungen geschützt werden

 

Im Sinne der Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG wurden in Südtirol bislang 17 Zonen ausgewiesen und mit Dekret des Umweltministers vom 19. Juni 2009 in das staatliche Verzeichnis der besonderen Vogelschutzgebiete (BSG) aufgenommen. Dabei handelt es sich um Gebiete in großflächigen Naturparks und kleinflächige Biotope. Von den Biotopen wurden hauptsächlich Auwälder und Steppenvegetation (Trockenrasen) des Vinschgau zu Vogelschutzgebieten:

kleinflächige Vogelschutzgebiete:

  • Biotop Ahrauen
  • Biotop Stegener Ahrau
  • Biotop Falschauermündung 
  • Biotop Kalterer See
  • Biotop Steppenvegetation Sonnenberg
  • Biotop Schludernser Au

Vogelschutzgebiete in großflächigen Naturschutzgebieten:

  • Pfossental im Naturpark Texelgruppe
  • Naturpark Fanes-Sennes-Prags
  • Naturpark Sextner Dolomiten
  • Chavalatschalm im Nationalpark Stilfser Joch
  • Ulten – Sulden im Nationalpark Stilfser Joch
  • Ortler – Madatschspitzen im Nationalpark Stilfser Joch
  • Naturpark Schlern-Rosengarten
  • Naturpark Trudner Horn
  • Villnöß – Peitlerkofel – Raschötz im Naturpark Puez-Geißler
  • Naturpark Rieserferner–Ahrn
  • Lazins – Schneebergzug im Naturpark Texelgruppe

In Südtirol wurden 2017 keine Zonen eingerichtet, in denen Wildtiere möglichst wenigen Störungen ausgesetzt sind. Störungen durch Wanderer, Paragleiter, Jäger usw. beeinträchtigen die Vogellebensräume, gerade zur Brutzeit und auch im Winter oder zur Mauser sollten Vögel nicht gestört werden. Wildruhezonen waren ein Kompromiss mit dem Staat, damit die im restlichen Staatsgebiet untersagte Jagd in Naturschutzgebieten in Südtirol weiterhin möglich bleibt. Etwa zehn Prozent der Naturparkflächen hätten mit einem Jagdverbot und Einschränkung von Freizeitaktivitäten geschützt werden sollen. Dies konnte jedoch nicht verwirklicht werden. In einigen kleinen Naturschutzgebieten (Biotopen) Südtirols gibt es Zonen, die nicht betreten werden dürfen und in denen auch keine Jagd stattfindet.

Vogelschutzrichtlinie Anhang I und Anhang II

Die Vogelschutzrichtlinie zählt die Brutvogelarten und Zugvogelarten auf, für welche Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der Vogelarten getroffen werden müssen. So müssen z.B. Brut- und Balzgebiete vor Störungen durch Aktivitäten von Menschen geschützt werden, da Vögel mit Flucht auf Störungen durch Menschen reagieren und dies den Fortpflanzungserfolg und damit den Bestand der Vögel gefährdet (z.B. Bartgeierhorste müssen vor Kletterern geschützt werden).

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Raufußkauz (Aegolius funereus), Brutvogel in Südtirol, Schutz durch Anhang 1 der Vogelschutzrichtlinie

 

Liste Brutvogelarten Südtirol Vogelschutzrichtlinie Anhang 1:

  • Aegolius funereus (Raufußkauz)
  • Alcedo atthis (Eisvogel)
  • Alectoris graeca (Steinhuhn)
  • Anthus campestris (1) (Brachpieper)
  • Aquila chrysaetos (Steinadler)
  • Bonasa bonasia (Haselhuhn)
  • Bubo bubo (Uhu)
  • Caprimulgus europaeus (Ziegenmelker)
  • Circaetus gallicus (Schlangenadler)
  • Circus aeruginosus (Rohrweihe)
  • Crex crex (1) (Wachtelkönig)
  • Dryocopus martius (Schwarzspecht)
  • Emberiza hortulana (1) (Ortolan)
  • Falco peregrinus (Wanderfalke)
  • Glaucidium passerinum (Sperlimgskauz)
  • Gypaetus barbatus (Bartgeier)
  • Ixobrychus minutus (Zwergrohrdommel)
  • Lagopus mutus helveticus (Alpenschneehuhn)
  • Lanius collurio (Neuntöter)
  • Lullula arborea (Heidelerche)
  • Tetrao tetrix tetrix (Birkhuhn)
  • Milvus migrans (Schwarzmilan)
  • Pernis apivorus (Wespenbussard)
  • Picoides tridactylus (Dreizehenspecht)
  • Picus canus (Grauspecht)
  • Sylvia nisoria (1) (Sperbergrasmücke)
  • Tetrao urogallus (Auerhuhn)

(Liste Vogelschutzrichtlinie Zugvogelarten und Wintergäste siehe http://www.provinz.bz.it/natur-umwelt/natur-raum/natura2000/avifauna.asp#brutvogel)

 

Das Europäische Instrumentarium der Vogelschutzrichtlinie zielt auf Arten von EU- Interesse ab. Für den Erhalt der Biodiversität sind alle Vogelarten und Vogelpopluationen zu erhalten und deren Bestand zu verbessern. Gerade in Hinblick auf Landschaften, wie die Apfelmonokulturen der Talböden, sind Verbesserungen der Situation erstrebenswert. Obstplantagen sind im Gegensatz zu den traditionellen Streuobstwiesen extrem artenarm, mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/2018/10/22/streuobstwiese/

IV Artenschutzprojekte Vögel

In Südtirol werden Artenschutzprojekte wie die Wiedereinbürgerung des ausgerotteten Bartgeiers oder Artenschutzprojekte wie Nistkastenhilfen für Wiedehopfe oder Lebensraumverbesserungen für den Auerhahn umgesetzt.

Wolfgang Platter macht in den AVK Nachrichten von 2018 auf die Gefahr der Bleivergiftung bei Bartgeiern aufmerksam: Im Jahr 2012 gab es 9 Brutpaare Bartgeier in den Westalpen und drei Tiere wurden infolge Bleivergiftung aufgefunden: In Vorarlberg wurde ein Bartgeierweibchen, das in Frankreich freigelassen worden war, geschwächt aufgefunden, der Bleigehalt betrug 8,5 Mikrogramm/ Deziliter Blut. Ein anderes Weibchen, das 2012 im Nationalpark Hohe Tauern freigelassen wurde, wurde in Slowenien geschwächt aufgefunden, Bleigehalt von 656,4 Mikrogramm/ Deziliter Blut. 2012 wurde auch ein Männchen bei Matrei in Osttirol tot aufgefunden, drei Schrotkugeln aus einer Schussverletzung

Artenschutzprojekt: Wiedehopf

Der Wiedehopf stand kurz vor dem Aussterben. Die Bestände haben am Ende des vorigen Jahrhunderts fast europaweit einen Tiefstand erreicht. Die wichtigsten Gründe hierfür sind: 1) Die Intensivierung der Landwirtschaft 2) Ausräumung der Landschaft und Verlust wichtiger ökologischer Strukturen 3) Die Zerstörung der Höhlen als Brutmöglichkeit und 4) der Einsatz vogelgiftiger Insektizide in den Brutgebieten aber auch in den Überwinterungsgebieten. Eines der Hauptbeutetiere des Wiedehopfes, nämlich die Maulwurfsgrille, wurde mit Meserul in der Kulturlandschaft vergiftet. Man hielt die Maulwurfsgrille für einen Schädling im Obstbau. Zur Förderung von Brutmöglichkeiten in Südtirol wurde ein Wiedehopfprojekt gestartet und künstliche Nisthilfen den Vögeln zur Verfügung gestellt. 2006 startete der WWF Bozen das Projekt. 2013 bis 2014 standen 144 Nistkästen bereit. Im Jahr 2010 wurden 55 bis 60 junge Wiedehopfe in den Brutkästen gezählt. 2012 waren 10 bis 11 Wiederhopfnistkästen (8%) besetzt und 36-40 Jungvögel dürften flügge geworden sein.

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Maulwurfsgrille, Nahrung des Wiedehopfs

Auerhahn

Bestandsentwicklung Auerhahn:
1973/ 1974 : 458 Balzplätze 429 Auerhähne
2009/2013 : 343 Balzplätze 277 Auerhähne
11 subalpiner Fichenwald mit Lärchen

Im „Brutvogelatlas“ der AVK wird als Ursache für den Rückgang der Auerhuhnpopulationen genannt: „….und vor allem Verluste bei der Nachkommenschaft in verregneten und kühlen Frühjahrsmonaten angenommen. Verluste sind auch durch zunehmend höhere Dichte von Beutegreifern (Marderartige, Fuchs) zu verzeichnen.“ Südtirols Vogelschützer machen das Wetter und natürliche vorkommende fleischfressende Tiere wie Marder und Fuchs für den Rückgang verantwortlich.

Lebensraumverbessernde Maßnahmen wurden im Naturpark Trudner Horn druchgeführt und die Auerhahnpopulationen hat sich nicht wesentlich erhöht. Ploner, Schroffenegger und Eccli vom Forstinspektorat Bozen I stellten klar (Tageszeitung 16. August 2016):“ „ In einem begradigten Bach mit wenig Wasser, wird auch der Abschuss des Kormorans wenig helfen. Ähnlich verhält es sich auch bei Fuchs und Wildhühner.“ Oft führen Gewässer in Südtirol gar kein Wasser (z.B. Hirschbrunnbach 2018) Mit diesem Beispiel haben die Forstbeamten die Situation treffend auf den Punkt gebracht. Auch wenn es keine Füchse gäbe und auch das Wetter immer auerhuhnfreundlich wäre, könnte man sicher nicht damit rechnen, dass die Auerhuhnbestände wieder auf Zahlen anwachsen, wie sie einst waren.

Hirschbrunnbach 2018
Renaturierter Hirschbrunnbach in St. Georgen- ohne Wasser

Bereits 2003 wurde auf die Notwendigkeit, einer umfassende Raumplanung, auerwildfreundlichen Bewirtschaftung der Wälder und die Gefahr der Isolation der letzten Populationen verwiesen:

„Die auf einem großen Teil der Waldfläche „geeignete“ bis „optimal geeignete“ Habitatqualität für Auerwild im Untersuchungsgebiet (66% der Waldfläche) ist eine wichtige Voraussetzung zur Erhaltung dieser Tierart. Allerdings bietet sie keine Garantie für ein langfristiges Verbleiben der Art im Gebiet. Denn ebenso wichtig wie eine auerwildfreundliche waldbauliche Bewirtschaftung auf Bestandesstrukturebene, ist die großräumige Einbindung der Gebiete in geeignete benachbarte Auerwildgebiete. Nur wenn es zum Austausch zwischen Populationen in großräumig geeigneten Lebensräumen kommt, ist auf Dauer eine reelle Überlebenschance der Art gegeben. Ist ein Untersuchungsgebiet als Auerwildlebensraum isoliert, ist ein langfristiges Überleben des Vorkommens auch bei optimaler Habitatstruktur unwahrscheinlich. Auerwildschutz erfordert deshalb eine großräumige Raumplanung und die enge und gute Zusammenarbeit benachbarter Waldbesitzer.“ Univ.Prof. DI Dr. Friedrich Reimoser, vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, Veterinärmedizinische Universität Wien.

Bei vielen Vogelarten fehlt es an einer umfassenden Strategie oder Umsetzung von Maßnahmen, welche den Erhalt der Art garantieren. Vielfach fehlt es schlichtweg an Nahrung: große Insekten für Wiedehopfe oder Aas für Bartgeier und andere Geierarten sind Mangelware.

Renaturierung und dann…

Titelbild- revitalisiertes orographisch rechtes Ufer im Natura 2000 Gebiet Falschauer

 

Revitalisierung als Entvitalisierung:

Im Natura 2000 Gebiet Falschauermündung wurde eine Fläche im Jahr 2013 revitalisiert bzw. renaturiert. Auwald wurde gerodet. Auf der gerodeten Fläche wurden Erlen gepflanzt, daneben stellten sich gestörte Ruderalvegetation und invasive Neophyten ein.

Die Robinien wurden intensiv mechanisch bekämpft, jedoch wachsen die Bäume weiter. Die aufgeworfenen und aufgefüllten ehemaligen Auwaldflächen werden heute bei normalen Hochwässern nicht mehr überschwemmt. Die Falschauer fließt an den Flächen vorbei.

Das Baumwachstum setzte nach der Störung des Standortes schnell ein, einige Robinien und einige Pappeln trieben aus.

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Zwei Jahre nach der Rodung des naturnahen Silberweidenauwaldes sticht eine Robinie und eine Pappel zwischen dem Unkraut (dominierend Weißer Gänsefuß) hervor.

 

Durch Renaturierungen bzw. Revitalisierungen werden Ruderalflächen geschaffen, auf denen invasive Neophyten vordringen können. An der Falschauer sind Robinien auf den Böschungen und Dämmen dominierend.

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Boden der renaturierten Fläche mit kleinen Pappeln, Robinien und Unkräutern.

 

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Ausschnitt mit einem Blasenstrauch und mehreren Robinien am Ufer

Arten der ruderal- gestörten Flächen sind vorherrschend. Es handelt sich um eine von Chenopodium album (Weißer Gänsefuß), eine Charakterart der Ruderalgesellschaften und der Acker- und Garten-Beikraut-Gesellschaften (Chenopodietea). Allgemein zu Ruderalvegetation auf Wikipedia: „Ruderalvegetation (von lateinisch rudus ‚Schutt‘) wird die Pflanzenwelt von menschlich tiefgreifend überprägten Standorten genannt, deren Zusammensetzung nicht vom Menschen beabsichtigt wurde, sondern die sich entweder auf ungenutzten bzw. brach gefallenen Flächen von ihm unbeachtet, oder auf devastierten, übernutzten oder vegetationsfrei gehaltenen Böden gegen seinen Willen einstellt.“

Störungen durch Renaturierungen bedingen häufig, dass Ruderalgesellschaften auftreten, auch am Vorzeigeprojekt Mareiter Bach wurden sie festgestellt.

Entvitalisierung:

Die revitalisierte Fläche liegt höher als der ursprüngliche Auwald. Die Mittelwassermarke ist am Ufer als Linie erkennbar. Hochwässer sind an der Falschauer sehr selten und die Fläche wurde seit der Renaturierung noch nie von einem Hochwasser überflutet. Der ursprüngliche Auwald (links vorne) war tiefer gelegen als die aufgeworfene neue Schotterfläche. Bei den im Bild sichtbaren holzigen Gewächsen auf der Schotterfläche handelt es sich um gepflanzte Erlen.

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Linie am Ufer markiert den Wasserstand bei mittleren Hochwässern, die revitalisierte Fläche wird nicht überschwemmt. Ursprünglicher Auwald rechts im Bild, der tiefer liegt.

 

Durch den Einbau großer Steine wird die natürliche Seitenerosion unterbunden, -neue Verbauungen entstehen auf revitalisierten Flächen
Durch den Einbau großer Steine wird die natürliche Seitenerosion unterbunden, -neue Verbauungen entstehen auf revitalisierten Flächen

 

Im Jahr 2017: Inzwischen ist die Fläche wieder bewaldet, vor allem mit Pappeln. Die Bekämpfung der Robinien war wenig erfolgreich, die Pflanzung von Erlen hat nichts gebracht, sie sind nicht gewachsen. Der junge Pappelwald ist von einem naturnah-strukturierten Auwald, mit alten Bäumen und einer Strauch- und Krautschicht weit entfernt. Das Gelände wurde zu hoch aufgeschüttet, wodurch kein lebendiger Auwald entseht. Zudem wurden sogar noch Steine im Bachbett eingebaut, welche Eine natürliche Seitenerosion verhindern.

Robinien wachsen auf der revitalisierten Fläche sehr gut, wie man im Bild unten sehen kann. Der entvitalisierte Robinienwald auf dem orographisch rechtem Ufer ersetzt den ehemaligen Auwald. Trotz Bekämfung (Triebe wurden abgeschnitten) setzt sich die Robinie durch.

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Biodiversitätsverlust durch Gesaltungen und Revitalisierungen

Verbautes Bachbett- die Natürlichkeit der Bachstruktur ist nicht mehr gegeben

Revitalisierte Fläche im Natura 2000 Gebiet Falschauer nach Revitalisierung: keine Röhrichte, keine Sand- und Schotterbänke mehr- gerodeter Auwald mit gepflanzten Bäumen rechts im Bild.

 

 Falschauer wie sie nicht mehr ist- mit Röhricht (linkes Ufer hinten) und Kiesbänken (rechts)

Falschauer vor Revitalisierung: Schotterbänke, Schilfröhricht (links am Ufer), junge Lavendelweiden (rechts am Ufer)

(Aus dem Vergleich der Karte der Lebensraumkartierung im Unterlauf der Falschauer und Artenlisten (von 1998) hat Martin Hilpold einen Bericht erstellt, welcher an viele Naturschutzvereine und an Ämter und Politiker geschickt wurde- in leicht veränderter Form und mit Bildern ist er hier online)

Kartierung der Lebensräume
Karte der Lebensräume

 

Dynmamik und Sedimentation der Falschauer: Schwallbetrieb und tatsächliches Einzugsgebiet

Die Dynamik der Falschauer im Etschtalboden wird nicht durch die Größe des Einzugsgebietes, theoretisch 280km², bestimmt, sondern durch den Schwallbetrieb des Wasserkraftwerkes.

Je nach Tages- und Jahreszeit verändert sich der Wasserspiegel der Falschauer in Abhängigkeit vom Schwallbetrieb.

Wenn es zu keiner Stromproduktion im Elektrizitätswerk in Lana kommt, summiert sich die Wassermenge in der Falschauer aus der Restwassermenge des Pankranzer Stausees und den kleinern und größeren Nebenbächen, welche die Falschauer ab dem Pankratzer Stausee bis hin zur Mündung speisen.

Die Sedimentation im unteren Bereich der Falschauer wird vom tatsächlichen Einzugsgebiet ab dem Pankratzer Stausse bestimmt.

Es muss aber festgehalten werden, dass der Schwallbetrieb auf die Vegetation und die Nicht-Fisch Fauna keinen großen Einfluss hatte (siehe Bilder Falschauer von 1997). Die Vegetation an der Falschauer hat sich über Jahrzehnte in einem naturnahen Zustand erhalten. Die Dynamik und Sedimentation im verkleinerten Einzugsgebiet fand statt und findet weiterhin statt.

Veränderung des Fließverhaltens und der Sedimentation

Der Bau der Fischtreppe und das Hinstellen von großen Steinen, welche niemals auf natürliche Weise dort abgelagert worden wären, hat das Fließverhalten der Falschauer verändert. Die Veränderung der Bachmorphologie hat eine unnatürlichere Sedimentablagerung zur Folge. Das Fließverhalten der Falschauer wird heute durch diese Steine bestimmt, nicht durch die schwache Neigung des Geländes, wie es ähnlich auch im Naturzustand der Fall gewesen wäre.

Falschauer mit Fischsteinen zugepflastert
Falschauer mit Fischsteinen zugepflastert

 

Falschauer März 1997- auf Höhe des Schotterwerkes
Falschauer März 1997, nicht mit Steinen zugepflastert- mit Schilfröhricht, Sand- und Schotterbank (heute gibt es keine grösseren Sanbänke und Röhrichte mehr).

 

Die alten Kiesbänke vor den Revitalisierungsarbeiten bestanden aus Sand, Kies und Steinen, welche die Falschauer in den letzten Jahrzehnten dort abgelagert hat. Diese sind nun in Bewegung und lagern sich flussabwärts im Bachbett ab. Im Natura 2000 Gebiet hat sich dadurch die Bodenstruktur im Bachbett wesentlich verändert und nicht mehr feiner Sand und Schluff bestimmen den Boden sondern grober Sand, Kies und Steine. Die Flächen mit feinem Sand und Schluff, wie sie an langsam fließenden Flüssen zu finden sind, haben abgenommen. Seit 1999 wurde durch mehrere Eingriffe die Bachmorphologie verändert. Das gesamte Bachbett wurde umgestaltet, sogar der obere Bereich des Natura-2000-Gebietes. Arten der Röhrichte, wie Schilf, Rohrkolben und der Große Wasserschwaden (Glyeria maxima), sind heute an den Ufern nicht mehr zu finden.

 

Röhricht mit Rohrkolben auf Sandbank an der Falschauer im Biotop (März 1997)
Röhricht mit Rohrkolben auf Sandbank an der Falschauer im Biotop im März 1997

 

Lebensräume 

Im Bereich des geschützen Biotopes ist die Falschauer durch einen ausgedehnten Auwald, Teiche und den Bach gekennzeichnet. Unnatürliche Geländeerhöhungen finden sich im Schutzgebiet, eine Erhöhung ist ein unsanierter Müllberg, das andere sind Dämme usw. Die Lebensräume Auwald, Teiche und der Bach können Lebensraumypen gemäß Typenschlüssel der FFH- Richtlinie zugeordnet werden.

Nach der FFH-Richtlinie Anhang I geschütze Lebensräume, welche im Biotop in Mitleidenschaft gezogen oder zerstört wurden:

1.) Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior

3.) Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit Vegetation des Ranunulion fluitantis und des Callitricho-Batrachion

4.) Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamnions oder Hydrocharitions (wissend, dass es sich nicht um natürliche Seen sondern um künstliche Baggergruben handelt, wird hier der Einfachheit halber dieser Einstufung der Abt. 28 gefolgt)

Anhang I Lebensraum: Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior.

91E0 * Foreste alluvionali di Alnus glutinosa Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae)

Il segno ‘*’ indica i tipi di habitat prioritari.

Ein großer Teil des geschützen Biotopes wird von Auwald eingenommen. Der Silberweidenwald Salicetum albae ist der dominierende Waldtyp (im Landschaftsplan der Gemeinde Lana ist es ein Silberweidenauwald).

Beim Wald handelt es sich um ein Salicetum albae Issler 1926. Dieser kann in Subassoziationen unterschieden werden, hohe Weidenau und tiefe Weidenau. Die Standorte der tiefen Weidenau sind straucharm, sie entwickeln sich auf Anlandungen von Sand und Schluff an langam fließenden Flüssen und Altarmen. Die Cornus sanguinea bestockten Silberweidenwälder entwickeln sich auf Schotter- und Sandaufschüttungen. Bezeichnend ist der Strauchreichtum, wie er in Teilen des Waldes der Falschauer auftritt. Die Degradierung durch Solidago sp. oder Impatiens sp. ist an der Falschauer an einigen Stellen feststellbar. Der Pappelreichtum der Baumschicht ist auf trockenen Kiesaufschüttungen festzustellen.

Die Rodung und Zerstörung eines Teiles dieses Auwaldes, der dem Verband Salicion angehört, widerspricht dem Schutzstatus dieses Waldtypes gemäß der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen.

Ein großer Teil des Biotops wird von Wald eingenommen, einer der wenigen flächig ausgebildeten Auwälder im Etschtal. Dieser Wald ist von nationaler und internationaler Bedeutung, da es nur sehr wenige Wälder dieser Art gibt (z.B. in Nationalpark Donauauen). Die Erhebung der Vegetation durch Peer Thomas ergab ein Salici- Populetum, wobei Pappeln weite Teile des Auwaldes dominieren.

Rodung und Umformung des Auwaldes zu einem Sumpfgebiet

Der Auwald in der Mitte des Biotops wurde gerodet und musste einem artenarmen Sumpf weichen (dom. Juncus effusus, Juncus inflexus) weichen. 

gerodeter Silberweidenauwald

Rodung eines Teils des Auwaldes:

Unterhalb der Brücke mit der Pegelmessstelle befand sich ebenfalls ein Auwald. Dieser war Teil des für das Biotop Falschauermündung typischen Auwaldes. Dem Wald vorgelagert war ein Weidengebüsch mit Purpurweiden und kleinflächige Krautfluren und Röhricht. Auwald wurde gerodet und Erhäufen aufgeworfen. (http://biodiversitaet.bz.it/2017/12/16/renaturierung-und-dann/)

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Trockenrasen“ am großen Fischerteich

Es kam zur totalen Zerstörung und zum irreversiblen Verlust der letzten Kiesbettflur mit charakteristischen Arten. Diese Fläche wurde zu einem Weg umfunktioniert, planiert und ein kleiner Teich daneben errichtet. Eine Tafel, welche das Leben im Teich erläutert, steht heute dort, wo einst die letzte trockene Kiesbettflur die Zeit überdauert hatte. Durch den Bau der Stauseen im Ultental und die fehlenden Überschwemmungen entwickelte sich das einst baumfreie Gebiet zu einem Auwald.

Bei der Kiesbettflur handelte es sich um ein Epilobio-Myricarietum, mit zahrleichen Arten der Trockenrasen.

Die Kiesanschwemmungen der wärmeren Gebiete können trockenfallen und vollkommen austrocknen. Alpenschwemmlinge können sich dort nicht mehr halten sondern vor allem wärmeliebende Arten waren vorhanden. Die Anwesenheit von Farnen deutet auf eine sehr alte trockengefallene Kiesbettflur hin. Besonders bemerkenswert war Ceterach officinarium. Mit dem Umbau der Fläche sind die Arten dort verschwunden:

Artenliste:

  • Epilobium dodonei (im Biotop ausgerottet)
  • Turritis glabra (im Biotop ausgerottet)
  • Festuca rupicula (im Biotop ausgerottet?- vielleicht ist noch eine am Damm oben)
  • Trifolium dubium
  • Melica ciliata
  • Petrorhagia saxifraga (im Biotop ausgerottet)
  • Potentilla argentea (im Biotop ausgerottet)
  • Potentilla verna (im Biotop ausgerottet)
  • Euphorbia cyparissias (im Biotop ausgerottet)
  • Asplenium trichomanes (im Biotop ausgerottet)
  • Asplenium septentrionale (im Biotop ausgerottet)
  • Asplenium adiantum-nigrum (im Biotop ausgerottet)
  • Sempervivum tectorum (im Biotop ausgerottet)
  • Sempervivum arachnoides (im Biotop ausgerottet)
  • Sedum acris (im Biotop ausgerottet)
  • Sedum album (im Biotop ausgerottet)
  • Sedum telephium (im Biotop ausgerottet)
  • Convolvulus arvensis
  • Helianthemum nummularium (im Biotop ausgerottet)
  • Tragopogon dubium (im Biotop ausgerottet)
  • Papaver rhoeas
  • Trifolium arvense (im Biotop ausgerottet)
  • Dianthus sylvestris (im Biotop ausgerottet)
  • Thlaspi arvense
  • Carex muricata
  • Centaurea stoebe
  • Bothriochloa ischaemum
  • Lotus corniculatus
  • Saponaria oxymoides (im Biotop ausgerottet)
  • Ceterach officinarium (im Biotop ausgerottet)
  • Betula pendula
  • Pinus sylvestris (im Biotop ausgerottet)
  • Arabis turrita (im Biotop ausgerottet)

Innerhalb des geschützen Biotopes findet sich keine trockengefallene Kiesbettflur mehr und auch im oberen Bereich der Falschauer wurde die letzte Kiesbettflur mit Epilobium dodonei zerstört. Da Epilobium dodonei wahrscheinlich ganz verschunden ist kann man davon ausgehen, dass es in Zukunft keine trockene Kiesbettflur mit der charakteristischen Art Epilobium dodonei mehr geben wird.

3.) Anhang I Lebensraum: Flüsse der planaren und montanen Stufe mit Gesellschaften des Ranunculion fluitantis und des Callitricho-Batrachion

Bitteres Schaumkraut bedeckt einen kleinen Wasserlauf im Auwald (Bild März 1997)
Bitteres Schaumkraut in einer Quellflur im Auwald (Bild März 1997)

 

Materialaufschüttung auf ehemaliger Quellflur im Auwald
Materialaufschüttung auf ehemaliger Quellflur im Auwald

 

In Bachbett der Falschauer innerhalb des Biotopes Falschauermündung fanden sich Ranunculus aquatilis agg. und Callitriche palustris agg. Die Arten siedelten in der Falschauer ca 100 m flussabwärts von der Biotopgrenze und reichten bis zum Marlinger Teich. Im untersten Bereich an der Mündung in die Etsch fehlen die Arten, bzw wurden aufgrund der Tiefe des Wassers nicht erfasst. Kleinere Wasserläufe im Auwald und an Ufern fanden sich zahlreiche Wasserpflanzenarten wie Bachehrenpreis, Bitteres Schaumkraut und Froschlöffel.

Die Bestände von Ranunculus aquatilis agg. und Callitriche palustris agg sind dem Verband des Ranunculion fluitantis zuzuordnen.

Laut F. Zemmer 2015 stammen Angaben zu den echten rheokrinen Wasserhahnenfüßen Ranunculus fuitans in Südtirol z. B. aus Montiggl (nicht am See)dem Schutzgebiet Tschaufer Weiher (Mölten), dem bereits bestehenden Natura 2000 Gebiet Falschauermündung, dem N Rand des Haider Sees, dem Schutzgebiet Reasler Au bei Plaus, Freienfeld (westlich des Schutzgebietes Blieger Teich).

Im Mündungsbereich der Falschauer sind untergetauhte Makrophyten nur an wenigen Stellen zu finden. Ranunculus fluitans monodominierte Bestände können als verarmtes Ranunculetum fluitantis Allorge 22 gesehen werden. Diese Gesellschaft besiedelt mehr oder weniger stark fließende, nährstoffreiche Bäche und Flüsse in einer Wassertiefe von 1 bis 3m. Der Untergrund ist sandig-schlammig und von einer geringen Sedimentation gekennzeichnet.

Ausgewählte Pflanzenarten der Roten Liste, welche durch die Revitalisierungs-und Umgestaltungsmaßnahmen an ihrem Wuchsort verschwanden und der FFH Lebensraum, der beeinträchtigt oder zerstört wurde.

Wuchsort ehemaliger Tschermser Teich: Die Wasserfläche des Tschermser Fischerteiches wurde vergrößert. Dabei wurden die Ufer abgetragen und weggebaggert und die Lebensräume der Pflanze und Tiere zerstört.

3150 Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des

Magnopotamnions oder Hydrocharitions

Am ehemaligem Tschermser Teich, wuchsen Rote Liste Arten:

  • Iris pseudacoris (Rote Liste NT, drohende Gefährdung)
  • Rumex conglomeratus (Rote Liste EN, stark gefährdet)
  • Alisma plantago-aquatica (Rote Liste NT, drohende Gefährdung)

Auf der Hinterseigte des Dammes befand sich ein Wuchsort von Glyceria maxima (Rote Liste EN, stark gefährdet).

Am Ufer des Teiches waren auch immer adulte und juvenile Smargdeidechsen zu finden, ein optimaler Smargdeidechsenlebensraum. Der Lebensraum der Smaragdeidechse ging verloren. Die Smaragdeidechse (Rote Liste EN, stark gefährdet) ist in der FFH- Richlinie Anhang IV zu schützende Art. Auch ihr Lebensraum müsste geschützt werden.  

Da der Teich umgestaltet wurde (Ufer durch Wegbaggern verbreitert und Wasserfläche vergrössert), sind die Arten am Ufer nicht mehr vorhanden. Smaragdeidechsen gibt es heute im Biotop keine mehr.

Anlage eines Teiches am orographisch linken Ufer

Gut gemeint war die Anlage eines Teiches am orographisch linken Ufer neben den beiden großen Teichen, welche ein wichtiger Brutplatz für Vögel waren. Der Hügel hinter dem Teich, wie er im Bild unten zu sehen ist, ist ein unsanierter Müllberg, welcher im Biotop nicht saniert wurde. Der Müllberg in der Industriezone daneben wurde dagegen saniert.

ehemals reich strukturiert

Durch die Anlage dieses Teiches ist der Wasserspiegel der beiden für Brutvögel bedeutenden Gewässer angestiegen. Die Weiden und Pappeln an den Ufern  starben ab. Das Wasser des Teiches ist nicht sauber sondern trüb und übel riechend. Der Marlinger Mühlgraben, welcher die Gewässer speist, hat eine schlechte Wasserqualität (Biologische Gewässergüte IV, unbefriedigend) und dieses schmutzige Wasser strömt nach der „Aufwertung“ und „Revitalisierung“ in die beiden Teiche.

Weitere stark beeinträchtigte und zerstörte Lebensräume

aus den beiden Teichen am orografisch linken Ufer wurde eine große Wasserfläche
aus den beiden ehemaligen Teichen wurde eine große Wasserfläche

 

Da der Wasserspiegel der Teiche am orographisch linken Ufer erhöht wurde, sind die Teichröhrichte mit Schilf und Rohrkolben, sowie die ehemals großen Seerosenbestände dezimiert worden (ebenfalls 3150 Natürliche eutrophe Seen mit einer Vegetation des Magnopotamnions oder Hydrocharitions). Typha latifolia (Rohrkolben) ist selten geworden, Nymphaea alba (Seerose) verschwunden. Eine kleine Insel mit Schilf, in der einst die Zwergrohrdommel brütete, ist untergegangen.

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Vorher: ehemaliger Teich mit Röhricht und Seerosen
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Nachher: Durch Revitalisierungsarbeiten hat sich der Grundwasserspiegel erhöht und die Seerosen und das Schilfröhricht sind verschwunden.

 

Noch ein Bild vom ehemaligen kleinen Teich am orographisch linken Ufer neben dem großen Teich. Dieser Teich besaß sehr klares Wasser und ist heute trüb und schmutzig. Auch das Röricht und die Ufergehölze an diesem Teich sind heute abgestorben und der Teich bildet mit dem Teich daneben heute eine große Wasserfläche ohne Seerosen und ohne brütende Zwergtaucher usw.

ehemaliger Teich vorher:

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nachher

Bild kleiner Teich nachher

Während viele Gestaltungen und Revitalisierungen im Biotop dem Biotop sehr geschadet haben, gab es auch positive Eingriffe und eine echte Renaturierung in dem Sinn, dass eine degradierte Fläche in eine ökologisch wertvolle Fläche umgewandelt wurde. Einst befand sich ein Entschlammungsbecken einer Schotterfirma im Biotop und diese Fläche wurde aufgelassen.

Einstiges Absatzbecken für Feinsedimente des Schotterwerkes neben dem Biotop: heute wächst dort Auwald und die Fläche wurde erfolgreich renaturiert
Einstiges Entschlammungsbecken des Schotterwerkes im Falschaeurbiotop

 

Mehr über das Schotterwerk https://www.tageszeitung.it/2016/08/14/schuld-an-dem-schlamassel/

Natura 2000 Gebiet: ein großer Fischerteich
Natura 2000 Gebiet: ein großer Fischerteich mit überdachten Bänken, welche für das Herumsitzen von Fischern im Biotop aufgestellt wurden.

 

Ein Fischerteich nimmt eine sehr große Fläche ein. Weniger Platz für die heimische Tier- und Pflanzenwelt sondern irgendwelche Hütten, Rasen und Platz für Fischer bietet dieser Teil des Biotops. Zu diesem Fischerteich wurde eine Landtagsanfrage gestellt. In der Landtagsanfrage steht, dass der Grundeigentümer darüber entscheiden kann, ob das Gewässer fischereilich genutzt wird. Der Grundeigentümer des Biotops ist die Provinz Bozen.

http://www2.landtag-bz.org/documenti_pdf/idap_366656.pdf