Biber in unseren Bächen: Ökosystem auf dem Weg der Besserung

Biber (Castor fiber)

Der Biber ist die grösste Nagetierart Europas und wird 25 bis 30 kg schwer. Biber ernähren sich rein vegetarisch und sie ernähen sich im Sommer vor allem von Gräsen, krautigen Pflanzen, Knospen, jungen Trieben und Früchten. Im Winter ernährt sich der Biber hauptsächlich von der Rinde und den Knospen von Bäumen. Dazu fällt er Bäume und legt auch Vorräte von Ästen unter Wasser an. Seine Schneidezähne wachsen ein Leben lang nach und er vermag als einzige Tierart Europas auch große Bäume zu fällen, deren Äste als Winternahrung dienen und er gestaltet Gewässer natürlicher und strukturreicher.

Ausrottung und Rückkehr

Der Biber war um 1850 in Euorpa nach jahrhundertelanger Verlolgung fast vollkommen ausgestorben. Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Europa nur noch 1200 Tiere in 8 isolierten Populationen. Grund für das Aussterben war hauptsächlich die direkte Verfolgung und Tötung der Tiere, als Nahrung und wegen ihres Fells wurden sie getötet. Das Bibergeil, das Drüsensekret der Biber, war ebenfalls begehrt. Ein weiterer Grund für die Verfolgung war die Bau- und Grabtätigkeit des Bibers, welche auch heute zu Konflikten führen kann, wenn Menschen Bibern Lebensraum nicht zugestehen wollen.

In Österreich ist die Art seit 1863 ausgestorben, in Nordtirol wurde der letzte Biber 1813 bei Vils im Bezirk Reute getötet. In Italien gilt er seit 1541 als ausgerottet. Der letzte Biber Südtirols soll 1594 bei Obervierschach getötet worden sein.

In der Schweiz wurde der letzte Biber 1820 getötet. Diesen Ereignissen voraus ging die systemtische Tötung von lebenden Bibern über die Jahrhunderte hinweg. Derartige Ausrottungsexzesse wie von Menschen betrieben sind von keiner Tierart bekannt. Der Biber starb so in vielen Staaten aus und das Verbreitungsgebiet wurde immer kleiner. Die Art hat in ihrer Anzahl abgenommen und in ihrem Verbreitungsareal.

In einigen Gebieten konnte die Art jedoch überleben, etwa an der Mittleren Elbe in Deutschland oder an Rhone Frankreichs, Flüssen Weissrusslands und Norwegens. Durch Wiederansiedlungen und den strikten Schutz seit 1920 gab es im Jahr 2000 wieder 592.000 Tiere in Europa.

Es gab in Mitteleuropa Wiederansiedlungen in den 1970er und 1980er Jahren in Österreich bei Wien in den Donauauen oder in Deutschland in Bayern (https://www.bund-naturschutz.de/tiere-in-bayern/biber). Angesiedelt wurden auch Biber aus Kanada, in Finnland und Karelien (Russland) gibt es 12.000 Kanadische Biber. Auch in Polen, Österreich und Frankreich wurden Tiere aus Kanada angesiedelt, wobei diese jedoch nicht überlebten bzw, wieder eingefangen wurden. Der Kanadische Biber (Castor canadensis) ist nämlich keine heimische Tierart und durch Kreuzung mit heimischen Bibern wird der heimische Biber gefährdet.

Die Biber breiteten ihr Verbreitungsgebiet aus und wandern den Bächen nach, indem sie meist bachaufwärts neue Reviere bilden. So wanderten sie etwa in Österreich dem Inn  von Bayern hinauf nach Nordtirol oder von Kärnten nach Osttirol der Drau hinauf. In Nordtirol hat sich dadurch eine Biberpopulation wieder gebildet. Stand 2016: 130 Biberreviere in Nordtirol und 1 oder 2 Biber in Osttirol.

In Italien wurde nach fast 500 Jahren der Abwesenheit 2018 ein Biber wieder am Tarvisio in der Provinz Udine gesichtet und in Südtirol 2020, welcher über die Drau zuwanderte. Heute ist der Biber in wieder vielen Staaten Europas wieder verbreitet, fehlt aber noch in England, Portugal, dem südlichen Balkan und Italien weitgehend bzw. gänzlich. Die Ankunft eines Bibers 2020 in Südtirol am Sextner Bach ist für die Art in Italien ein historisches Ereignis.

Der Biber ist global als Tierart nicht gefährdet (IUCN), in Nordamerika gibt es viele Biber und in Europa nimmt die Zahl der Biber zu und das Verbreitunggebiet dehnt sich immer weiter aus.

Global selten und in Gefahr ist die Population Chinas und der Mongolei. Die Unterart Chinas  und der Mongolai (Castor fiber birulai) ist eine der seltensten Säugetiere der Mongolai und Chinas. Auf einer Länge von 50 km und 500 Breite leben am Fluss Ulungur (chinesisch) bzw. Bulgan (mongolisch) im Grenzgebiet China- Mongolai ca. 500 Biber, der Großteil der Population Chinas und der Mongolai. Der Biber ist in China offiziell nach der Roten Liste vom Aussterben bedroht.

Der Biber ist eine Bereicherung für die Natur und das Ökosystem. Treffend beschreibt sich der Biber in der Biberbroschüre Tirols wie folgt:

“Denn wir Biber sind eine wichtige Tierart für die heimischen Gewässer. Wir sind Wasserbauer und Holz fäller und können ein Stück Feuchtgebiet in eine wahre Wildnislandschaft verwandeln. Und noch mehr: Wir tragen zur ökologischen Verbesserung der Gewässer bei, stärken die Selbstreinigungskräfte und leisten einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz an den Oberläufen der Bäche.”

 

Biber im Ökosystem:

Biber können schneller schwimmen als laufen

Biber sind semiaquatisch lebende Säugetiere und an das Wasser gut angepasst. Sie können besser schwimmen als an Land laufen und lange Tauchgänge sind für die Lungenatmer kein Problem. Der Biber vermag wie kaum eine andere Wildtierart Gewässer und Landschaft zu gestalten. Er ist ein Landschaftsingenieur und Landschaftsbauer. Er fällt Bäume und errichtet Dämme, wodurch aus fließenden Gewässern auch stehende Gewässer werden können. Biberdämme in Kanada erreichen auch einige hundert Meter, in Europa sind es meist nur einige Meter breite Dämme.

Der Biber hat die Fähigkeit ein ganz neues Gewässer zu schaffen und wirkt sich funktional im Gewässerökosystem aus.

Beton in der Talfer: Beton oder Zyklopensteine prägen die Struktur der Fließgewässer Südtirols: sie wurden und werden massiv verbaut- der Biber baut natürliche Rückhalteteiche.

Auswirkungen des Bibers auf das Gewässerökosystem und den Hochwasserschutz:

  • Neuschaffung von stehenden Gewässern
  • Abminderung der Strömungsgeschwindigkeit eines Fließgewässers und damit Verringerung von Schäden durch Erosion.
  • Bessere Wasserversorgung der Landschaft, da der Grundwasserspiegel und damit der Wasserrückstau in der Umgebung des Fließgewässers erhöht werden. Wo Biber stauen und Wasser langsam fließt, dringt es besser ins Erdreich ein und füllt die Grundwasservorräte auf. Damit werden Trinkwasserreserven gesichert und so auch die Wasserversorgung der landwirtschaftlichen Flächen verbessert.
  • Der Wasserstau ermöglicht eine verbesserte Sedimentablagerung, wodurch neue Lebensräume entstehen.
  • Verbesserung der Wasserqualität und der Strukturvielfalt des Gewässers; es bilden sich z. B. Flachwasserzonen, die eine höhere Wassertemperatur aufweisen als das restliche Gewässer.
  • Verbesserte Regulierung der Wasserdynamik z. B. bei Starkregen, da der Damm Hochwasserspitzen abpuffert und Trockenphasen ausgleicht. Nicht zuletzt bietet dies einen wichtigen Schutz gegen Hochwasser, da Wasserspitzen nach Starkregenereignissen oder nach der Schneeschmelze abgepuffert werden (er baut quasi Rückhaltebecken).
Biberburg: „Wohnhaus“ des Bibers mit Eingang unter der Wasseroberfläche als Schutz vor Raubtieren.

Biber schafft Lebensräume für Arten

Mit der Bautätigkeit des Bibers einher geht die Schaffung von Lebensräumen. So können etwa trockengefallene Auwälder durch Biberdämme wieder vernässt werden und so können sich Biberbauten auch auf die Qualität von Auwäldern auswirken. Durch die Vernässung des Umlandes können auch neue Auwaldstandorte entstehen und der Biber verändert so nicht nur das Gewässerökosystem, sondern auch Landökosysteme. Er vermag lebendige Auen zu schaffen und dadurch profitieren die Arten der Auwälder. Der Biber ist ein Teil der Arten der Auen und er gehört zu lebendigen Auen wie Weiden oder Erlen eines Auwaldes.

Der Biber schafft neue Strukturen im Gewässer und erhöht die Strukturvielfalt eines Fließgewässers maßgeblich. Im Gewässer gelagerte Äste und Bäume dienen als Unterstand für Fischarten oder als Kinderstube für Fische. Die Anlage von stehenden Gewässern lässt neue Laichgebiete für Amphibien entstehen oder neue Brutgebiete für Wasservögel. Auf die Artenvielfalt eines Gewässers hat der Biber so einen einen sehr großen Einfluss. Wasserpflanzen der stehenden Gewässer, seien es Röhrichtarten oder untergetauchte Wasserpflanzen können sich in den aufgestauten Teichen ansiedeln.

Die Anhebung des Grundwasserspiegels und die Vernässung des Umlandes können neue Auwälder entstehen lassen oder auch Feuchtwiesen. Feuchtwiesen gibt es in Südtirol fast keine mehr und die Arten der Feuchtgebiete sind generell jene Arten, welche am meisten in Südtirol abgenommen haben.

Durch die Erhöhung der Artenvielfalt werden die natürlichen Kreisläufe stabiler. Wir Menschen hängen von diesen Kreisläufen ab und eine höhere Stabilität der Kreisläufe des Ökosystems hilft uns, Katastrophen wie Dürre oder Hochwasser besser abpuffern zu können.

Biber beleben Gewässer, machen sie vielfältiger und natürlicher. Auf diese Weise steigert sich der ökologische Zustand und auch der Erlebniswert der Gewässer. Wo Natur entsteht und Biber bauen, dort entsteht ein Stück Natur an und in Gewässern. Gerade um Gewässerökosysteme ist es in Südtirol sehr schlecht bestellt, die Artenvielfalt nahm ab und die Gewässerökosysteme wurden grundlegend und fast flächendeckend verändert wie kaum ein anderes Ökosystem (bis auf einige unverbaute Bäche im Hochgebirge gibt es in Südtirol keine natürlichen Fließgewässer mit sehr gutem ökologischen Zustand) .

Biber statt Bagger: Renaturierung von Flüssen

Biber können durch ihre Bautätigkeit Gewässer renaturierungen. Während bei Südtirols Renaturierungen Ufervegetation und Auwälder verschwinden und weggebaggert werden, ohne Zustandserfassung auf Art- und Ökosystemebene, gibt es gute Beispiele von Renaturierungen etwa durch Biber in der Schweiz. Im Kanton Bern wurde die Tätigkeit des Bibers genutzt, um einen Maisacker in ein Feuchtgebiet zu verwandeln.

Fernsehbeitrag dazu: https://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktuell/video/biber-statt-bagger?urn=urn:srf:video:38a16d38-ac57-4604-b81e-d5425347c5f6&id=38a16d38-ac57-4604-b81e-d5425347c5f6

Biber können Gewässer strukurieren, Lebensräume schaffen, Gewässerökosysteme verbessern und mit ihrer Bautätigkeit so auch Gewässer revitalisieren und lebendiger gestalten.

Bagger bei der „Revitalisierung“ bzw. systematischen Waldzerstörung an der Ahr http://biodiversitaet.bz.it/2020/08/11/renaturierung-ahrauen/.

Biber als Gewässerrevitalisierer: „Seine Mitarbeit hilft, Geld zu sparen: Anstatt den Gewässerlauf aufwendig mit Baggern zu formen, kann man sich oft mit initialen baulichen Eingriffen begnügen. Die weitere dynamische Gestaltung des Gewässerlebensraums wird dann der Biber gratis und auf natürliche Weise besorgen – falls man ihm den Raum dafür überlässt. Zuweilen kann die Aktivität des Bibers auch dem Hochwasserschutz dienen: Biberdämme im Oberlauf kleiner Gewässer können Hochwasserspitzen dämpfen (Nyssen et al.
2011). Dazu braucht es allerdings Platz für ausreichend grosse Überflutungszonen.“ Bundesamt für Naturschutz Schweiz, Biber als Partner bei Gewässerrevitalisierungen, 2014.

Weitere Infors in der Biberboschüre des Landes Tirol: https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/umwelt/naturschutz/downloads/Biberbroschuere_2018_WEB.pdf.

Biber als Revitalisierer von Gewässern: https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/biodiversitaet/publikationen-studien/publikationen/biber-als-partner-bei-gewaesserrevitalisierungen.html

mehr zu Baggerarbeiten in Bächen auf: http://biodiversitaet.bz.it/revitalisierung-wasserrahmenrichtlinie/

mehr zu Bächen auf: http://biodiversitaet.bz.it/baeche-und-seen/

Gefährdete Schafrassen Südtirols

(Titelbild: kunterbunte Herde von Schafen auf Alm: Juraschafe und Farbenmix von Bergschafen in den Sarntaler Alpen)

Biodiversität beinhaltet auch die genetische Vielfalt der Nutztierrassen und die Vielfalt der Nutztierrassen ging verloren.  Dabei werden in Südtirols Öffentlichkeit Meldungen verbreitet, wonach durch Wölfe seltene Schafrassen wie das Schwarze Brillenschaf oder gar die Tierzucht bedroht sei ( z.B. ttps://www.stol.it/artikel/chronik/woelfe-bedrohen-almwirtschaft-und-seltene-schafrasse, https://www.stol.it/artikel/chronik/wolf-bringt-tierzucht-ins-wanken). Doch sowohl die Gefährdung von Nutzttierrassen als auch die Abnahme- oder Zunahme von tierhaltenden Betrieben hat in Südtirol ganz andere Ursachen

Tierhaltende Betriebe haben etwa durch die Ausdehnung des Obstbaus in vielen Gemeinden stark abgenommen. Die heutigen Apelbaubetriebe Südtirols waren bis 1960 meist noch Mischbetriebe, Viehhaltung und Obst/Weinwirtschaft wurde betrieben. Der Getreideanbau verschwand schon führer in Südtirol weitgehend. Die Bewirtschaftungsart der Bauernhöfe änderte sich im 20. Jahrhundert grundlegend, aus Selbstversorgerhöfen und Mischbetrieben wurden spezielisierte Betriebe. Sofern nicht zu Wohngebäuden umgebaut, zeugen Ställe und Heustädel in Obstbaugemeinden Südtirols noch von dieser einstigen traditionellen Landwirtschaft Südtirols. Ein Blick zurück in die Geschichte hilft, um die Gegenwart und die heutige Situation zu verstehen. Es waren nicht Wölfe und Bären, die zum Verlust der Rassenvielfalt oder Abnamhe tierhaltender Betriebe führten.

Apfelmonokulturen im Etschtal: früher weideten hier auch Nutztiere und es wurde Heu und Einstreu (Streuwiesennutzung) gemäht.

Das Schaf war in vielen Regionen der Ostalpen bis zum ausgehenden Mittelalter das wichtigste Nutztier. In manchen Gebieten, wie etwa auf Sardinien sind Schafe heute auch noch die häufigsten und wichtigsten Nutztier. In den Alpen ist dies nicht (mehr) der Fall.

  • 1929 gab es in Südtirol 61.857 Schafe,
  • 1961 gab es 46.781 Schafe
  • 1970 gab es nur noch 25.271 Schafe.

Die Anzahl der Schafe nahm ab und ebenso die Anzahl der schafhaltenden Betriebe. Nach der starken Abnahme bis 1970/ 1980 nahm die Anzahl der Schafe wieder zu. Die Schafhaltung hat in Südtirol jedoch wesentlich weniger abgenommen als etwa die Schweinehaltung:

  • Im Jahr 2000 gab es in Südtirol 47.100 Schafe, 2010 gab es 49.300 und 2018 gab es 40.114
  • Im Jahr 2000 gab es in Südtirol 26.380 Schweine, 2010 gab es 11.100 und 2018 nur noch 8.557.

Es gibt in Südtirol einige ländliche Gemeinden mit fast keinen Schweinen und nur wenige  Alpenschweine konnten vor dem Aussterben gerettet werden. Engagierte Rasseerhalter vermehren und erhalten etwa das extrem seltene Schwarze Alpenschwein, die autochthone Rasse Südtirols. Wölfe und Bären sind für derartige Entwicklungen nicht veranwortlich. Wie das Südtiroler Markenprodukt Speck zustande kommt, obwohl es so wenig Schweine in Südtirol gibt, spricht Bände über die heutige Lebensmittel- und Agrarproduktion. 

Die Tierzucht und die Haltung von Tierarten wird weniger von Wölfen und Bären beeinflusst als vielmehr auch von den Vorlieben der Tierhalter. Die Sympathie und Liebhaberei für bestimmte Arten oder Rassen hat einen großen Einfluss auf den Tierbestand. Arten wie Yaks oder Lamas oder Rassen wie Schottische Hochlandrinder oder Zwergschafe werden von einigen Tierhaltern auch in Südtirol gezüchtet und vermehrt. Sogar Kamele werden in Südirol gehalten. Aus Liebhaberei entstanden auch manchmal gewinnbringende wirtschafliche Tätigkeiten.

Historisch war das Schaf ein sehr wichtiges oder wohl auch das wichtigste Nutztier, denn es konnte mehrfach genutzt werden: 

  1. Wolle/Leder: für Kleidung, Decken, Filzwaren, Schuhe usw.
  2. Milch: für die Verarbeitung zu Käse 
  3. Fleisch: Lämmer und ausgewachsene Tiere werden getötet und gegessen

Grundbedürfnisse wie Kleidung und Nahrung deckt das Schaf wie kein anderes Nutztier ab und dadurch kam dem Schaf eine zentrale Bedeutung in der Tierhaltung zu.

Abgaben mussten Bauern über Jahrhunderte in Form von Naturalien leisten und bis ins Mittelalter waren Käselaibe die „Hauptzahlungsform“. Danach wurde auf Butterschmalz, welches nur aus Kuhmilch hergestellt werden kann, umgestellt und dadurch geriet das Schaf zur Milchproduktion ins Hintertreffen, die Rinderhaltung gewann an Bedeutung. Die Abnahme von Schafen und Zunahme von Rindern ist auch mit derartigen historischen Entscheidungen verbunden. Einige Rassen wie etwa das Brillenschaf wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrrhunderts durch vorgeschriebende Rassebereinigungen in ihrem Bestand gefährdet (siehe unten Brillenschaf). 

 Schafrassen Südtirols und ihre Gefährdung

Auch für Nutztierrassen gibt es Rote Listen, in denen der Gefährdungsgrad angegeben wird. Die FAO hat eine umfassende Liste erstellt. In Südtirol gehaltene Schafrassen und ihre Gefährdung nach Einstufung der FAO gefährdet: 

  • Tiroler Bergschaf (LC- nicht gefährdet)
  • Alpines Steinschaf (EN- stark gefährdet)
  • Schwarz-braunes Bergschaf DD (Daten unzureichend)
  • Villnösser Brillenschaf (VU- gefährdet)
  • Schnalser Schaf (VU- gefährdet) 

Diese Rassen sind die autochthonen Rassen Südtirols, wobei alle bis auf das Alpine Steinschaf in Südtirol heute züchterisch mit Herdbüchern betreut werden. Das Tiroler Steinschaf, eine aus Nordtirol stammende Schafrasse wird in Südtirol ebenfalls züchterisch betreut, sie ist gefährdet (VU).

Das Alpine Steinschaf geht auf neolithische Torfschaf zurück und wurde vor allem auch zur Milchproduktion genutzt. Es hat eine relativ hohe Milchleistung. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das klein- bis mittelrahmige, sehr ursprüngliche Steinschaf, wie es heute das Alpine Steinschaf noch darstellt, im gesamten Ostaltenraum und auch in Südtirol anzutreffen. In Südtirol war es damals noch im Obervinschgau, Eisack- und Passeiertal und oberen Pustertal beschrieben worden. Heute gibt es dieses Steinschaf in Südtirol praktisch nicht mehr und sein Verschwinden wird in der Öffentlichkeit und in Schafhalterkreisen nicht wahrgenommen. Das Alpine Steinschaf ist entsprechend Einstufung der FAO stark gefährdet, es gibt nur wenige Hundert Tiere.

Neben dem Alpinen Steinschaf gibt es in den Ostalpen heute noch weitere Steinschafrassen. Genetische Untersuchungen (Baumung 2003) der verschiedenen noch existierenden Steinschafrassen erbrachten eine erhebliche genetische Distanz zwischen den drei Rassen Montafoner-, Krainer– und Tiroler Steinschaf. Alle diese regionalen Steinschafrassen konnten eindeutig genetisch als eigenständige Rassen eingestuft werden.

Vom Villnösser Brillenschaf wird oft behauptet, dass es die älteste Schafrasse Südtirols sei. Doch ist das Brillenschaf im Laufe des 19. Jahrhunderts aus Kreuzungen von autochthonen Landschafen mit Bergamaskerschafen und vor allem auch Paduanerschafen entstanden. Die genetische Diversität der Kärntner Brillenschafe, Villnösser Brillenschafe, Bergschafe und Texelschafe wurde untersucht (Schwend 2001) und es zeigte sich, dass die genetische Differenzierung mäßig ist. Das Villnösser Brillenschaf und das Kärnter Brillenschaf sind erwartungsgemäß genetisch sehr ähnlich.

In Südtirol wird neben echten Brillenschafen, nämlich den Villnösser Brillenschafen auch ein schwarzes Brillenschaf als Rasse gezüchtet. Dieser Rasse fehlen jedoch die typsichen Brillen eines Brillenschafes. Beim Schwarzen „Brillenschaf“ handelt es sich weniger um Brillenschafe als um schwarze Bergschafe. Wölfe sollen diese Schwarzen Brillenschafe gefährden, wobei für echte Brillenschafe kein Schaden durch deren Verschwinden entstünde, da sie nicht die Merkmale eines echten Brillenschafes aufweisen. 

Zackelschaf: charakteristisches Schaf der Pusta Ungarns- lebt heute auch in Südtirol

Im Gegensatz zu neu entstandenen Rassen wie das Schwarze Brillenschaf gibt es sehr alte und eindeutig als Rasse zu erkennende Schafrassen wie das Zackelschaf. Das Zackelschaf ist eine typische Rasse Ungarns, welche heute in Nationalparks Ungarns in großen Herden gehalten wird. Fleisch liefert das robuste und genügsame Schaf wenig, doch kann es gemolken werden. Das Zackelschaf wäre beinahe ausgestorben. Seit 1950 setzte die kommunistische Regierung Ungarns auf den Erhalt der Rasse. Heute wird das Zackelschaf zur Rasseerhaltungszucht und wegen seines attraktiven Aussehens  mit den gedrehten V- förmigen Hörnern häufiger gehalten. Auch Schwarzhalsziegen sind unverkennbar als Rasse, eine autochthone typische Rasse des Wallis in der Schweiz.

Alte Rasse: Walliser Schwarzhalsziege- ihr langes Oberhaar schützt sie vor Regen, Nässe und Kälte und es gibt in Italien und der Schweiz etliche Rassen dieses Ziegentyps (z.B. Vallesana Rossa).

Nutztierrassen entstanden in bestimmten Gebieten und sind an die dortigen Umweltbedinungen und den Erfordernissen angepasst. Über Jahrhunderte wurden die Nutztiere von den Bauern selektioniert und es entstanden dadurch lokal angepasste Rassen, wie die Schwarzhalsziege oder das Ouessentschaf.

Das Oussentschaf ist eine sehr kleine, robuste Rasse, die auf der windigen Insel Oussent ganzjährig im Freien leben kann. Das sehr kleine Schaf liefert im Verhältnis zu seiner Größe extrem viel Wolle und als die Schafhalter auf der Insel Oussent die Fleischproduktion steigern wollten, drohte die kleine Schafrasse mit ihrem kargen Schlachtkörper vollkommen auszusterben. Der Schafrasse wäre es fast ergangen wie vielen anderen vom Austerben bedrohten Rassen. Die Rasse konnte jedoch gerettet werden und erfreut sich heute großer Beliebtheit, zur Landschaftpflege oder wegen ihreres attraktiven Äußerem.

Ouessent: Kleinschafrasse der Kanalinseln lebt heute auch in Südtirol und wird zur Landschaftspflege in Kastanienhainen eingesetzt

Der extreme Preisverfall von Schafwolle nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Schafwollproduktion für viele Schafhalter unrentabel gemacht. Das Schaf als wichtiges Nutztier zur Produktion von Kleidung an Bedeutung stark verloren, obwohl Wolle ein nachwachsender, natürlicher und daher zeitgemäßes Produkt ist. Baumwollkleidung, synthetische Stoffe und billige Wollimporte aus Australien und Neuseeland machten Wolle wertlos und die Wolle Südtiroler Schafe landete auch auf Misthäufen. Den Schafen zur Wollproduktion erging es ähnlich wie den Pferden und Pferderassen als Zugtiere und Lasttiere, welche durch Maschinen ersetzt wurden und schlicht und einfach nicht mehr gebraucht wurden. Es sind nicht Wölfe und Bären daran schuld, dass Nutztierrassen in ihrem Bestand bedroht sind. 

Rassezucht in Richtung große und schwere Schafe

Durch den Preisverfall der Wolle wurden viele Schafrassen daher mehr in Richtung Fleisch und Gewicht gezüchtet. Einige Schafrassen, wie das Bergamaskerschaf aus den Alpen der Lombardei, wurde als großes, fruchtbares Fleischschaf in lokale Schafbestände und Rassen eingekreuzt und in den Ostalpen ist diese Schafrasse in Deutschland, Österreich, Italien und Südtirol in den lokalen Schafbeständen und Rassen unübersehbar. 

Bergamasker Schaf- die Rasse wurde nach dem ersten Weltkrieg in fast alle lokale Rassen und Bestände der Ostalpen eingekreuzt (Bildquelle: Wikicommons)

 Für Nutztierrassen gab es früher meist keine vorgeschriebenen Rassestandards oder klar definierte Zuchtziele, wie sie heute in der Rassezucht üblich sind. Erst in der Neuzeit wurde mit der systematischen Zucht mit Zuchtbüchern und Rassebeschreibungen begonnen und eine Rasse obliegt nicht mehr den einzelnen Bauern in einem Gebiet, welche Tiere halten, vermehren und selektionieren. Historisch sind die autochtonen Rassen in bestimmten Regionen, wie etwa das Alpine Steinschaf der Ostalpen, das Zackelschaf Ungarns oder das Oussentschaf auf der französischen Insel nicht durch die heutige Rassezucht entstanden. Es sind regional bzw. lokal in einem bestimmten Gebiet entstandene Nutztierrassen. Ähnlich wie natürliche Endemiten, auf ein bestimmtes Gebiet beschränkte Arten, sind autochthone Rassen in einem bestimmten Gebiet entstanden und kamen nur dort vor. Solche autochthonen, historisch entstandenen Rassen sind die Biodiversität, welche es im Sinne des Schutzes der Biodiversität zu erhalten gilt. 

Systematisch wurden die historischen autochthonen Schafbestände und Rassen züchterisch durch die Rassezucht verändert und der große Körper, die Ramsnase und die Hängeohren des Bergamasker Schafes kennzeichnen nicht mehr nur eine Schafrasse der Provinz Bergamo sondern viele Schafrassen der Ostalpen, vom Villnösser Brillenschaf bis zum Bergschaf.

Ramsnase, lange Hängeohren und großer Körper: Merkmale des Bergamasker Schafes bestimmen das Erscheinungsbild vieler Schafrassen in Südtirol, Österreich und Deutschland, vom Brillenschaf bis zum Bergschaf.

Die Bergschafe Südtirols, Österreichs und Deutschlands weisen die Merkmale des Bergamasker Schafes auf, welche systematisch im 20. Jahrhundert eingekreuzt wurden. Es ist ein Siegeszeug des Bergamaskerschafes, welche den Verlust der historischen und ursprünglichen Schafrassen bzw. von Merkmalen in den Alpen zur Folge hat. Das Bergschaf als Rasse ist nicht alt, keine hundert Jahre und vom einstigen autochthonen Steinschaf kann man in einem Bergschaf wenig erkennen. 

Nutztierrassen verschwanden oder werden züchterisch verändert. Südtirols häufigste Schafrasse, das Bergschaf, wurde immer größer gezüchtet und erreicht heute ein Widdergewicht von bis zu 130 kg. Schafe sind heute wesentlich schwerer als es Schafe früher waren. Das Alpine Steinschaf, das charakteristische Schaf des Ostalpenraums, gab es als leichte kleinwüchsige Schafrasse im Raum des historischen Tirols mit ca. 30 bis 40 kg Gewicht noch bis vor 100 Jahren. Heute gibt es diese Steinschafe so gut wie nicht mehr und auch die Tiroler Steinschafe wurden zu einer großrahmigen Rasse mit einem Gewicht bis 100 kg. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das klein- bis mittelrahmige Steinschaf die häufigste Schafrasse der Ostalpen und Südtirols (vor allem Vinschgau). Das heutige typische Südtiroler Schaf, das mittel bis großrahmige Bergschaf, ist als Rasse keine hundert Jahre alt und im Vergleich zum leichten historischen Steinschaf ein Schwergewicht. Der Verlust der genetischen Vielfalt von Nutztierrassen zeigt sich in Südtriol vor allem im Verlust des über Jahrhunderte zur Südtiroler Landwirtschaft gehörenden Alpinen Steinschafs.

Wer nun glaubt, das Bergschaf wäre durch die Zucht ein perfektes Fleischschaf, der irrt. Der Rücken ist vergleichsweise schmal und die in der Küche begehrten Lammrücken fallen beim Bergschaf recht bescheiden aus. Dass zunehmend Juraschafe auf den Bergen Südtirols weiden, verwundert nicht weiter, denn an den Rippen dieser Schafe ist viel Fleisch dran

Braune Juraschafe und bunte Gruppe von Bergschafen: Juraschafe aus der Schweiz nahmen in Süditrol als Fleischschafe stark zu.

Auch das Kärntner Brillenschaf wurde immer schwerer: Seit etwa 1980 wurden auch schwere slowenische Jezersko-solcaska Schafe (Seeländer Schafe) eingekreuzt und die Rasse weiter selektioniert. Hatten die Mutterschafe zu Beginn der Erhaltungszucht in Österreich noch durchschnittlich 45 kg, so erreichten sie über 10 Jahre später bereits 80 kg. Das Gewicht der Widder erhöhte sich von 60 bis 70 kg auf 100 kg. Aus der durchschnittlichen Alpenschafrasse wurde ein großes und schweres Schaf.

Das Montafoner Steinschaf (Vorarlberg) und das Ciuta Schaf (Lombardei) gehören zu den letzten  Rassen, welche es heute noch gibt und den ursprünglichen rauwolligen, kleinrahmigen Typ der autochthonen und historischen Schafbestände der Alpen repräsentieren und nicht größer und schwerer gezüchtet wurden. Beide Rassen sind extrem selten und drohten vollkommen auszusterben. Wertvollste Erhaltungszucht des Ciuta Schafes und Informationen zum Ciuta Schaf auf den Seiten: https://patrimont.org/de/

Das Alpine Steinschaf ist klein und von zarter Figur. Die Wollfarbe von Steinschafen war oft grau oder eine Mischung von weißlich bis schwarz. Alle Farben sind zugelassen. Typische Kleidungsstücke, wie etwa Sarner Jacken in Südtirol, sind grau. Im 20. Jahrhundert wurden vor allem weiße Schafrassen gehalten. Mit Chemie lässt sich weiße Wolle leicht färben und braune oder schwarze Farbschläge waren nicht mehr gefragt. Heute erfahren dunkle Farben eine Renaissance, da in der Direktvermarktung und Verarbeitung von Wolle unbehandelte und nicht gefärbte Naturwolle ein nachgefragtes Naturprodukt ist.

Brillenschaf/ Pecora Fiemmese- Fleimstaler Schaf/Villnösser Brillenschaf

Brillenschaf: schwarze Zeichung um Auge, Hängeohren und Ramsnase

Kärnter Brillenschafe entstanden aus den Bergamasker, Krainer und Paduaner Schafen. Es kommt in mehreren Gebieten der Ostalpen vor, etwa in Kärnten, Bayern und Slowenien. Bis zum Ersten Weltkrieg war die Rasse in Friaul- Julisch Venetien, Slowenien und Kärnten eine der häufigsten Rassen, auch Rassen wie das Uggowitzer Schaf sind Brillenschafe oder in Südtirol das bekannte Villnösser Brillenschaf. Die Brillenschafe des Fleimstales im Trentino werden als pecora Fiemmese, also Fleimstaler Schaf bezeichnet (https://www.associazionerare.it/ovini-rischio-estinzione/).

Die doktrinierte Rassebereinigung von 1939 führte in Österreich zur Einstellung der Bockhörnungen und das Brillenschaf ging immer mehr im Bergschaf als Rasse auf. Seit den 1940ern setzte ein markanter Rückgang der Rasse ein und 1980 existierten nur noch ein paar wenige reinrassige Tiere. Der Verein zu Erhaltung gefährdeter Haustierrassen und engagierte Züchter ergriffen seit 1980 Initiativen zur Rettung der Rasse und 2013 gab es wieder über 5100 Tiere. Die Rasse ist daher nur noch in der Kategorie NT, drohende Gefährdung, gelistet. 2013 gab es ca. 5000 Brillenschafe allein in Kärnten und in Südtirol 4973 Villnösser Brillenschafe. Das Villnösser Brillenschaf ist gefährdet (VU) nach FAO .

Das Tiroler Steinschaf, wie es heute vor allem in Nordtirol gezüchtet wird und auch in Südtirol herdbuchmäßig betreut wird, hat mit dem historischen Alpinen Steinschaf, wie es bis um 1900 in den Ostalpen und Südtirol verbreitet war, nur mehr wenig gemeinsam. Eine Gemeinsamkeit ist die Wollfarbe, es wurde nicht einheitlich auf eine reine weiße Farbe selektiert sondern zeigt sich in verschiedenen Farben von grau, über schwarz bis weiß.

Die Zucht des Tiroler Steinschafs wurde 1969 im Zillertal begonnen und fünf Jahre später auch die Herdbuchzucht aufgenommen. Das Zuchtziel war eine Verbesserung der Rasse unter Beibehaltung des ursprünglichen Typus (Wollfärbung, Behornung, Alptüchtigkeit und Robustheit). Der heutige Typus des Tiroler Steinschafs ist jedoch deutlich schwerer und großrahmiger als jener um 1970 und durch Einkreuzung von Bergamasker Schafen und Württenberger Schafen wurde das Gewicht der Tiere verdoppelt. 

Das Tiroler Steinschaf ist laut FAO gefährdet (VU) und in der Roten Liste Österreichs ist es NT (drohende Gefährdung) gelistet. 2013 gab es 2915 Tiroler Steinschafe. Vom Alpinen Steinschaf, das etwa auch im Vinschgau verbreitet war, gab es in Österreich 2013 nur noch 496 Tiere, die Rasse ist stark gefährdet (EN) und in Südtirol wahrscheinlich vollkommen verschwunden.

Das Krainer Steinschaf hat heute wesentlch mehr Merkmale von diesem ursprünglichen autochthonen Steinschafen Südtirols und Tirols behalten und es wird auch noch gemolken und als Milchschaf gehalten. Klein und leicht wie das Krainer Steinschaf konnte in Österreich das Montafoner Steinschaf  vor dem vollkommenen Verschwinden in allerletzter Minute bewahrt werden.

Die Bergschafe sind eine junge Gruppe von Rassen, sie entstanden erst im 20. Jahrhundert nach dem Ersten Welkrieg und die autochthonen Steinschafe verschwanden immer weiter. Die Zucht der Tiroler Bergschafe nahm 1938 in Nordtirol seinen Anfang, lokale Steinschafe waren daran  als Ausgangsrasse  beteiligtund es wurde vor allem das Bergamasker Schaf eingekreuzt.

Schwarzbraunes Bergschaf

Rassen werden von Zuchtvereinen auf bestimmte Merkmale und Eigenschaften selektioniert und Rassen dabei verändert, wie eben das Gewicht. Rassemerkmale stimmen dabei nicht mehr mit den historischen Beständen überein, so etwa auch die Hornlosigkeit des Schnalser Schafes. Früher gab es Widder des Schnalser Schafes mit großen gedrehten Hörnern und heute sind behornte Widder von der Zucht ausgeschlossen. In der Rassezucht wurden und werden markante Merkmale der historischen autochthonen Rassen bzw. Bestände nicht immer so erhalten, wie es für die Erhaltungszucht und Erhalt der genetischen Vielfalt der Nutztierrassen notwendig wäre. Das schwarze „Brillenschaf“ ist ebenfalls ein Ausdruck dieser Fehlentwicklung, ein Brillenschaf ohne charkteristische Brillen. 

Schnalser Schaf: Den Unterschied zwischen einem Bergschaf und einem Schnalser Schaf zu erkennnen, ist eine Kunst für sich.

Für gefährdete und daher vom Aussterben bedrohte Rassen werden Förderungen erteilt. Die Schafrasse Südtirols, welche in ihrem Bestand jedoch am gefährdetsten ist, nämlich das Alpine Steinschaf wird nicht gefördert. Dafür werden zahlenmäßig häufig vorkommenden Rassen wie etwa Grauvieh Rinder gefördert. Die einzige Schafrasse, deren Förderung finaziell und züchterisch in Südtirol tatsächlich notwendig wäre, ist das Alpine Steinschaf.

Heute werden in Südtirol sehr viele Schafrassen gehalten, die Anzahl der Rassen nimmt zu und die historischen autochthonen Schafrassen bzw. Merkmale und Eigenschafen der Schafe Südtirols, wie sie über Jahrhunderte entstanden, verschwanden in den letzten hundert Jahren. Damit nahm die über die Jahrhunderte entstandene Vielfalt der Nutztierrassen ab und ein Stück Kulturgeschichte ging verloren.

Rasse- und Herdbuchzucht

In der Rassezucht von Tierzuchtvereinen werden Herdbücher geführt, in denen Tiere eingetragen  sind. In diesen Herdbüchern und in der Rassezucht wird aber nur ein kleiner Teil der tatsächlich vorhandenen Tiere geführt. Herdbuchmäßig wird in Südtirol neben dem Villnösser Brillenschaf auch das Schwarze „Brillenschaf“ betreut. 2019 waren 1312 Villnösser Brillenschafe im Herdbuch vorhanden und 95 Schwarze „Brillenschafe“.

Demgegenüber werden Alpine Steinschafe in Südtirol nicht herdbuchmäßig betreut, die einzige autochthone Rasse Südtirols, über deren Bestand man sich sorgen muss.

Bestand an Schafen in Herdbüchern der Rassezucht Südtirols (Agrar- und Forstbericht 2019):

Bergschaf: 3.436
Schwarzbraunes Bergschaf: 1.746
Villnösser Brillenschaf: 1.312
Villnösser Brillenschaf schwarz: 95
Jura Schaf: 1.402 (Nicht heimische/ autochthone Rasse Südtirols)
Schnalser Schaf: 1.337
Schwarznasenschaf: 228 (Nicht heimische/ autochthone Rasse Südtirols)
Suffolk: 52 (Nicht heimische- autochthone Rasse Südtirols)
Tiroler Steinschaf: 145 (Nicht heimische/ autochthone Rasse Südtirols)

Das Schwarze Bergschaf ist in Deutschland als Rasse schon länger anerkannt (http://www.g-e-h.de/index.php/rassebeschreibungen/72-rassebeschreibungen-schafe/334-schwarzesbergschaf). In Südtirols Herdbuchzucht gibt es die Rasse nicht. Schwarze Bergschafe sind in Südtirol nicht selten zu sehen. Auch rein braune Schafe (Fell und Haut braun) gibt es wie schwarze Bergschafe (Fell und Haut schwarz). 

Schwarze Schafe mit Ramsnase, Hängeohren und groß: Schwarzes Bergschaf. Es könnte auch ein Schwarzes Brillenschaf sein.

Weitere in Südtirol gehaltene nicht heimische/autochthone Rassen:

aus der Schweiz:

  • Juraschaf 
  • Schwarznasen-Schaf
Schwarznasenschaf, typische Rasse des Wallis in der Schweiz. Gibt es heute auch in Südtirol.

aus England:

  • Sufflok Schaf

aus Frankreich:

  • Ouessentschaf
  • Lacaune Milchschaf

aus Deutschland:

  • Skudden

aus Ungarn:

  • Zackelschaf

Autochthone Schafrassen der Alpen Italiens: 

Die in den Alpen Italiens vorherrschende Realteilung der Bauernhöfe und die dadurch entstandene kleinteilige und zersplittere Betriebsstruktur ist einer der Gründe, warum in der Vergangenheit mehr Kleinwiederkäuer (Schafe und Ziegen) und weniger Kühe auf den Höfen gehalten wurden. Die Isolation von Bergtälern und Gebieten in der Vergangenheit haben zur Bildung von gebietstypischen und spezifischen Rassen und Schlägen beigetragen. 

Rassen der Alpen des Piemont, Gefährdung nach FAO in Klammern:

  • Biellese (LC)
  • Brigasca (VU)
  • Delle Langhe (VU)
  • Finarda (VU)
  • Frabosana (VU)
  • Garessina (CR)
  • Saltasassi (CR)
  • Sambucana (VU)
  • Savoiarda (EN)
  • Tasola (DD)

Schafrassen der Alpen der Lombardei:

  • Bergamasca (LC)
  • Ciavenasca (CR)
  • Ciuta (CR)
  • Corteno (EN)
  • Livo (CR)

Schafrassen de Alpen des Veneto:

  • Alpanota (VU)
  • Brenegana (wahrscheinlich ausgesorben)
  • Brogne (VU)
  • Foza/Vicentina (CR)
  • Lamon (EN)

Schafrassen der Alpen Friaul- Julisch Venetiens

  • Istriana (EN)
  • Plezzana (EN)

Schafrassen Aosta 

  • Rosset (EN)

Brigasca: mittelgroße, autochthone Schafrasse in den Grenzregionen Liguriens, Piemonts Italiens und der Provance Frankreichs (Provinz Imperia und Savona). Es existierten 2004 ca. 2000 Tiere und Prämien wurden für deren Haltung bezahlt. Die Rasse wurde in den Entwicklungsplan für den ländlichen Raum der Region Ligurien aufgenommen und jährlich mit 23 Euro jedes Schaf für die Dauer von 5 Jahren bezuschusst. 2013 gab es 3008 Schafe dieser Rasse und sie ist in gefährdet (VU).

Corteno Schaf (Pecora di Corteno): In der Provinz Breschia vorkommende Schafrasse, die vor allem als Fleischschaf gehalten wird. Das Fleisch hat einen sehr hohem Fettanteil und ist daher geeignet in Terrakottatöpfen konserviert zu werden. 2013 gab es nur noch 295 Schafe und die Rasse ist stark gefährdet (EN). Die Rasse und ihre Zucht  wurde finanziell mit EU Geldern (Reg. Cee 2078/92- Misura D2) gefördert.

Saltasassi: klein- bis mittelgroße Rasse in der Provinz Verbano-Cusio-Ossola (Piemont), welche vor allem für Almbeweidung genutzt wurde. Saltasassi bedeutet Steinspringer und der Name drückt die Trittsicherheit der Rasse im Gebirge aus. 2013 gab es nur 40 Tiere der Rasse und die Rasse ist vom Aussterben bedroht (CR).

 Garesina: kleine Rasse in der Grenzregion Piemont Liguren beheimatet und eine Rasse des Appenin. Die Rasse wurde dreifach genutzt: Fleisch, Milch und Wolle. Ein Teil der Milch war für die Lämmeraufzucht und ein Teil wurde gemolken und zu Käse verarbeitet. Heute reine Fleischnutzung. Die Rasse ist vom Aussterben bedroht (CR) und 2013 gab es nur 110 Tiere.

Laticauda: bis 100 kg schwere Doppelnutzungsrasse, mit Milchleistung von 1,5 bis 2 Liter pro Tag (Fettanteil 7 bis 13% Proteine 5,5, bis 8,5% und Trockengewicht von 20 bis 25%). Vor allem in den Provinzen Benevento, Avellino und Caserta gehalten. Die Population nahm über Jahrzehnte stark ab.

Rosset Schaf
Wird ausschließlich im Aostata gehalten und wird dort für ihre Wolle und das Fleisch geschätzt. Die Rasse ist stark gefährdet (EN) und nur 919 Tiere wurden 2013 gezählt.

Informationen zu gefährdeten Schafrassen Italiens auf : https://www.associazionerare.it/ovini-rischio-estinzione/

Informationen und Daten zu einzelnen Schafrassen der Alpen in diesem Beitrag stammen u.a. aus dem Buch von Günther Jaritz, „Seltene Nutztierrassen der Alpen, 7000 Jahre geprägte Kulturlandschaft“, erschienen im Verlag Anton Pustet.

Weidetiere und ihr Einfluss auf das Ökosystem

Wölfe und Bären gehören zur Natur Südtirols, sie sind untrenbar mit Südtirol verbunden und heimisch, im Gegensatz zu vielen Rassen oder Arten wie Lamas, Kamelen oder Yaks. Yakauftriebe auf Almen sind in Südtirol zu einem touristischen Event geworden.

Weidetiere haben einen großen Einfluss auf die Vegetation und Biodiveristät der Weiden.

Trittgänge von Weidetieren rechts im Bild und Erosion und Abbruch der gesamten Vegetationsdecke rechts: die Weide ist verloren gegangen

Auf das Ökosystem haben Rassen und die Anzahl von Nutztieren pro Flächeneinheit einen großen Einfluss: die Vegetation wird durch selektives Fressen der Weidetiere (Stichwort Weideunkraut) und vor allem Viehtritt maßgeblich mitbestimmt. Trittschäden bis hin zur Erosion sind die Folge von Überweidung und schwere Rassen verursachen mehr derartige Probleme als leichte Rassen. Die Überweidung und nicht standortangepasste Beweidung stellt in Südtirol sowohl in Trockenrasen als auch in Feuchtgebieten und sogar in Naturschutzgebieten ein Problem dar. Mehr zur Überweidung Hochgebirge auf Almen auf http://biodiversitaet.bz.it/alpine-landschaft/

 

Eichelhäher und Tannenhäher

Die Waldmacher: Eichelhäher und Tannenhäher 

Ein Wald ist ein komplexes Ökosystem und einige Tierarten spielen im Waldökosystem eine ganz zentrale und wichtige Rolle, nämlich die Rolle der Samenverbreitung. Einige Baumarten, wie Weiden und Pappeln haben sehr leichte Samen, welche vom Wind in alle Richtungen und sehr weit getragen werden (Windverbreitung= Anemochorie).

Baumarten mit sehr großen und schweren Samen, etwa Kastanien oder Eichen, werden vom Wind überhautpt nicht weit getragen. Solche Samen sind wie die Beeren auf Sträuchern jedoch Nahrung für Vögel und Vögel transportieren die Samen über weite Strecken. Ornithochorie wird die Verbreitung der Samen durch Vögel genannt. Beerensamen (Hagebutten, Holunder usw.) werden von Vögeln gefressen, verdaut und ausgeschieden. Ihr Keimen wird dadurch vorbereitet und Gehölzarten werden verbreitet. Nussfrüchte von Bäumen werden von Vögeln weiter transportiert und auch vergraben. Sie werden regelrecht eingesät. Hähersaaten werden Ansaaten genannt, die von  Eichelhäher und der Tannenhäher anleget werden und für die Bildung ganzer Baumbestände in Wäldern verantwortlich sind.

Tannenhäher auf Gipfel einer Fichte im Herbst: ähnlich wie die Elster und andere Rabenvögel klingt sein schwer überhörbarer Ruf.

 

Hauptsächlich die Nadelwälder der subalpinen Stufe sind Lebensraum des Tannenhähers in den Alpen. Die Arealgrenze von Nadelgehölzen und Hasel hängt eng mit der Verbreitung des Tannenhähers und seiner ausgereiften Technik der Vorratswirtschaft zusammen. Der Tannenhäher verfügt über einen Unterzungensack, in dem er Zirbelsamen transportiert. Die Schnabelgröße und –form variiert sehr stark bei den verschiedenen Populationen des Tannenhähers im Verbreitungsareal.

Der Tannenhäher ist spezialisiert auf subalpine zirbenreiche Wälder, Zirbensamen frisst er am liebsten, füttert seine Jungen damit und gräbt sie als Wintervorrat ein. Der Tannenhäher kann aber auch in Latschengebüschen, Fichtenwäldern oder Fichten- Buchen- Tannenwäldern beobachtet werden, wobei das Vorkommen der Hasel eine Rolle spielt. Er ernährt sich auch von den Samen anderer Nadelgehölze und dort, wo es keine Zirben gibt, auch von Haselnüssen. In subalpinen Lärchen- Zirbenwäldern wurden Dichten von 2 Reviere pro 10 Hektar ermittelt, in den subalpinen Fichtenwäldern ist die Dichte wesentlich geringer.

In den Kehlsack des Tannenhähers passen bis zu 25 Haselnüsse und bis zu 136 Zirbelnüsse, welche dort versteckt werden, wo es wenig Bodenvegetation gibt. Der Tannenhäher vergräbt 6 bis 8 Nüsse je Versteck und trägt Samen hinauf bis auf 2800m, also weit über die Waldgrenze. Die Waldgrenze liegt heute in den Alpen durch die Almbeweidung wesentlich tiefer und der Tannenhäher trägt die Samen weit auf Berge hinauf, wo es keine Samenbäume gibt. Von den versteckten Zirbensamen werden ca 85% im Winter, wo das Nahrungsangebot knapp ist, wieder gefunden und die restlichen 15% der Samen dienen der Verjüngung der Zirbe. Der Tannenhäher ist wie der Eichelhäher aktiv an der Verbreitung der Baumarten und Verjüngung des Waldes beteiligt.

 

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toter Eichelhäher mit Schusswunde, abgeschossen und liegengelassen

 

Während der Tannenhäher zur Naturverjüngung und Ausbreitung von Samen in Nadelwäldern beiträgt, leistet der Eichelhäher in Mischwäldern und Laubwäldern von der planaren bis in die montane Stufe (z.B. Eichen- Föhrenwäldern, Fichten- Buchen- Tannenwäldern) einen unersetzbaren Dienst zur natürlichen Waldverjünung. Er verbreitet die Samen der Eichen und Buchen. Im Herbst sammelt er Bucheckern, Haselnüsse und besonders Eicheln und vergräbt die Baumfrüchte in Hunderten von Verstecken. Bis zu zehn Eicheln transportiert der Eichelhäher in Kehlsack und Schnabel vom Fundort bis zum Versteck. Im Winter liegt die wesentliche Überlebensstrategie des Eichelhähers in der Nutzung seiner bevorrateten Nahrungsreserven, wobei auch er nicht alle findet. Die nicht gefundenden Samen von Haselnüssen, Eichen und Buchen keimen im folgenden Jahr unter der Erde.

Fallen z.B. Eicheln vom Baum hinunter, so keinem unter den Eichen so gut wie keine Eicheln. Eicheln keimen nämlich unter der Erde und der Eichelhäher gräbt die Eicheln einzeln oder in kleinen Gruppen ein, wodurch die Samen optimale Keimbedingungen vorfinden.

Montiggler Wald: von Natur aus ein Eichenwald, doch fehlen im Montiggler Wald die Eichen weitgehend ebenso wie der Eichelhäher.

In Südtirols potentiellen Eichenwäldern fehlen die Eichen teilweise vollkommen. Kein übergeordnete Waldtyp wie Eichenwälder ist in Südtirol derart arm an der Hauptbaumart, wie die Eichenwälder. Ob im Pustertal, Eisacktal, Wipptal, Passeiertal oder im Vinschgau, in den Eichenwäldern fehlen die Eichen und Eichelhäher sind in Südtirols Wäldern selten zu sehen. Sie sind leicht zu beobachten und leicht zu hören, da sie auch recht laut sind und oft auch Wanderer regelrecht krächzend im Wald begleiten. Doch nur sehr selten kann man Eichelhäher sehen, sie wurden und werden durch die Jagd dezimiert und alljährlich abgeschossen.

Bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts stieg die Jagdstrecke an und erreichte zwischen 1975 und 1984 mit knapp 50.000 erlegten Individuen (über 30 erlegte Eichelhäher pro Revier) ihr Maximum. Die legalen Abschüsse nahmen im Folgejahrzehnt um fast 50 Prozent ab (insgesamt 26.000 erlegte Eichelhäher). Im Jahr 2019 wurden noch 1758 Eichelhäher in Südtirol abgeschossen und der Eichelhäher ist in vielen Laubwäldern der kollinen Stufe nicht mehr anzutreffen.

 

Abschusstatistik 2019:

Jagdbezirk Bozen Brixen Bruneck Meran Oberpustertal Sterzing Unterland Vinschgau Provinz
Eichelhäher 497 178 167 529 41 40 92 214 1758

 

Die verordnete Abschussplanung und der Abschuss von Vogelarten, welche für das Ökosystem Wald eine besondere Rolle spielen, ist mit dem Erhalt und der Verbesserung des ökologischen Zustands von Waldtypen mit Eichen und Buchen nicht vereinbar. Dem Ökosystem Wald und der Natur wird dadurch geschadet.

Inbesondere in Zeiten des Klimawandels, wo die weitere Ausdehung und Verbreitung der Eiche als an wärmere und trockenere Klimabedingungen angepasste Baumart notwendig ist, muss ein Waldmacher wie der Eichelhäher gefördert und nicht abgeschossen werden.

Dem Eichelhäher wird auch unterstellt, er würde Singvögel gefährden. „Der Eichelhäher ist traditionell bei uns als schädlich gebrandmarkt…Und immer wieder wird versucht, den Bestand zu dezimieren und einer angeblichen Übervermehrung zum Schaden der Singvögel des Waldes Einhalt zu gebieten…Vom Standpunkt des Artenschutzes sind also Vernichtungskampagnen gegen den Eichelhäher nicht erforderlich.“ Einhard Bezzel, Spektrum der Natur, Band 1. Singvögel.

Die AVK hat einen Brutvogelatlas veröffentlicht, wonach Schäden durch Eichelhäher besonders dort spürbar seien, wo Obstanlagen direkt an Laubwälder angrenzten. Der Eichelhäher sei ein häufig brütender Jahresvogel und er fehle in keinem Laub- und Mischwald Südtirols, wurde dort geschrieben. In der Verbreitungskarte des Brutvogelatlas ist jedoch klar ersichtlich, dass es nur (!) 14 sichere Brutnachweise für den Eichelhäher in den Jahren 2000 bis 2015 in einem Rasterfeld gab. Der Tannenhäher hingegen bringt es auf 29 und es liegen wesentlich mehr Beobachtungen vor. Der Eichelhäher ist sicher nicht häufig und fehlt in vielen Laub- und Mischwäldern Südtirols als sicherer Brutvogel.

 

 

Niederwaldbewirtschaftung

Traditionell wurden Südtirols Laubwälder der niederen Lagen (v.a. collin bis submontan) durch Niederwaldwirtschaft bewirtschaftet. Nach ca. 25 Jahren wurden die Bäume auf den Stock gesetzt, und die Bäume treiben wieder aus. Durch derartig kurze Umtriebszeiten sind Eichen aus den Niederwäldern verschwunden.

Niederwald: die Bäume bestehen nicht aus einem dicken Stamm, sondern aus mehreren dünnen Stämmen. Nicht alle Baumarten ertragen die Niederwaldbewirtschaftung.

In Niederwäldern wachsen die Bäume nicht einstämmig, wie von der Natur vorgesehen, sondern mehrstämmig. Heute ist diese traditionelle Bewirtschaftungsform nicht mehr mit dem Erhalt der Biodiversität vereinbar, da dadurch auch die Einwanderung von Robinien und Götterbäumen gefördert wird. Im Gemeindewald von Gargazon wurden dazu Untersuchungen gemacht und auf frischen Schlagflächen wuchern viele junge Götterbäume, welche in den alten Waldbeständen nicht vorkommen. Die Robinie dominiert bereits große Teile des Gargazoner Gemeindewaldes, eine Folge der Niederwaldwirtschaft. 

 

Niederwald ohne invasive Neophyten

 

Nach der Niederwaldnutzung dringen Götterbäume in den Wald ein (ein Götterbaum war vorher in der Nähe vorhanden)

„Beide Arten besiedeln typischerweise neu entstandene Hiebflächen, wo sie sich durch ihr rasches Wachstum dauerhaft etablieren können. Weil beide Neophyten stark von der klassischen Niederwaldbewirtschaftung profitieren, ist eine Anpassung der Bewirtschaftungspraxis notwendig, um ein Fortschreiten der Invasion zu vermeiden.“ Erkenntnisse aus einer Fallstudie von invasiven Baumarten in Südtirol, Stefan Ambraß et al. 2014 , Niederwaldbewirtschaftung und invasive Baumarten.

Götterbäume und Robinien treiben nach den Fällen sehr stark aus. Ihre Wurzeln bilden Schosse und breiten sich so weiter auf den Flächen des Waldes aus. Sie wachsen auch sehr schnell und die heimischen Arten werden verdrängt. Die Robinie verändert das gesamte Ökosystem Wald, da sie Stickstoff fixiert und den Boden düngt. Wälder, die von Robinien eingenommen werden (Robinietum), werden vegetationskundlich auch nicht zu den Wäldern gezählt.

Einige Robinien wurden am Wegesrand gefällt
Robinienschosse überwuchern die ganze Böschung nur ein Jahr später und breiten sich weiter aus.

In der Waldtypisierung wurden Niederwälder aufgezählt, die in Hochwälder überführt werden sollen, wie etwa der Silikat- Hopfenbuchen- Traubeneichenwald mit Kastanie oder der Mannaeschen- Hopfenbuchenwald mit Linde. Dass Robinien nicht auf den Stock gesetzt werden sollen, wurde dort ebenfalls geschrieben. Leider werden Wälder nach wie vor als Niederwälder bewirtschaftet und Robinien auf den Stock gesetzt. Südtiols Wäldern geht es schlecht und eine Besserung ist nicht in Sicht. 

In Südtirol werden auch geschützte Waldtypen, welche für den Naturschutz von großer Bedeutung sind, etwa die Schwarzerlenbruchwälder, nach Niederwaldrichtlinien bewirtschaftet werden. Schwarzerlenbruchwälder sind seltene und nach der FFH- Richtilinie prioritär zu schützende Wälder.

mehrstämmige Schwarzerle durch Niederwaldbewirtschaftung
Schwarzerlenbruchwald- als Niederwald genutzt.

Auch andere Waldtypen wurden wie etwa der Karbonat- (Hopfenbuchen) Buchen- Schuttwald mit Neinblatt- Zweizahn sieht oft wie ein Niederwald aus. Dieser Waldtyp gehört ebenfalls zu den geschützen Waldtypen nach der FFH- Richtlinie (Kode 91K0), die Eibe kommt in diesen Wäldern auch vor.

Junge Eibe zwischen Hopfenbuchen, welche als Niederwald genutzt wurden.

Nach den Niederwaldbewirtschaftungrichtlinien des Forstgesetzes der Provinz Bozen von 1996 erfolgt die Bewirtschaftung. Bäume mit dicken Stämmen fehlen dadurch in diesen Wäldern, mehrtriebig treiben sie aus dem Stock. Um den Bedarf an Brennholz zu decken betrieb man die Niederwaldwirtschaft seit dem Mittelalter. Als vor hundert Jahren fossile Brennstoffe zur Hauptenergiequelle wurden, wurde vielfach diese Bewirtschaftungsform aufgegeben.

Die Wälder lieferten und liefern vor allem Brennholz (siehe Bild). Die Laubwälder wurden dabei auch alle 8 bis 15 Jahre auf-den-Stock-gesetzt. Zustätzlich zu den kurzen Umtriebszeiten trieb man auch Vieh zum Weiden in den Wald, so auch in die Schwarzerlenauen des Vinschgaus und es wurde auch Laub als Einstreu für Ställe in den Laubwäldern gesammelt. Durch diese intensive Nutzung wurde der natürliche Nährstoffkreislauf gestört. Vielerorts verarmte der Boden und die Wüchsigkeit ließ nach. Um dem zu entgegnen, wurde die Waldnutzung reguliert. Auch die Hopfenbuchenwälder Südtirols wurden so genutzt und heute ist diese Bewirtschaftungsart absolut nicht mehr zeitgemäß- schon alleine wegen der invasiven Neophyten, die solche Flächen schnell einnehmen können. In Schwarzerlenauwäldern breitet sich dadurch etwa das Drüsige Springkraut aus und große Flächen der Hopfenbuchenwälder sind in Südtirol von Robinien überwuchert und keine artenreichen Wälder mehr, sondern artenarme degradierte „Wälder“. Die Problematik der Neophyteninvasion ist in der Broschüre über traditionelle Formen der Land- und Forstwirtschaft in Südtirol ebenfalls dargestellt worden.

Gelb blühende Strauchkronwicke: die Laubwälder der niederen Lagen sind sehr artenreich insbesondere was Gehölzarten betrifft.

Die Niederwaldwirtschaft hat auch dazu geführt, dass es in den Niederwäldern keine Bäume mit dicken Stämmen gibt, in denen etwa Vögel brüten können und Baumarten wie Eichen, Zürgelbaum, Linde, Echte Mehlbeere usw. wurden weniger- sie vertragen das häufige Abholzen nicht. Die Laubwälder der niederen Lagen Südtirols sind jedoch ungemein reich an Baum- und Straucharten. Insbesondere Bruthöhlen für Vögel oder Quartiere für Fledermäuse können in Niederwäldern nur schwer gefunden werden, da große dicke Bäume fehlen, in denen Spechte Höhlen angelegt haben. Die geringe Anzahl von Eichen in diesen Wäldern bedeutet auch für Arten wie Eichhörnchen, dass es keine Eicheln zu sammeln und wenig Futter gibt. Die Niederwaldbewirtschaftung hat zum Verlust von Lebensraum im Wald geführt.

Elsbeere (Sorbus tominalis)- in Südtirols Wäldern wachsen viele junge Bäume der Art heran

Die Elsbeere (siehe Bild) ist etwa ein Baum, der weit verbreitet ist, jedoch fehlen große Bäume in den Laubwäldern.  Ein Festmeter Elsbeerenholz kostet über 700 Euro und das Holz gehört zu den teuersten und härtesten Hölzern Europas. Für die Produktion von hochwertigen Möbeln wird der Baum verwendet. Jedoch fehlen diese Bäume in den Wäldern Südtirols, da die Laubwälder der niederen Lagen durch Niederwaldwirtschaft bewirtschaftet wurden. Dasselbe tirfft auch auf andere Bäume zu, wie Kastanien, Linden, Feldahorn, Vogelkirsche usw. Durch die Niederwaldwirtschaft wurden diese Baumarten, welche das auf den Stock setzten schlecht vertragen, immer weniger. Eichen, Elsbeeren usw. sind gefragtes Holz und bringen gute Erlöse, ein Festmeter Fichtenholz bringt hingegen wesentlich weniger Geld, nur etwa 70 Euro pro Festmeter oder auch nur 40 Euro und nicht 700 Euro wie das Holz der Elsbeere. Viele Laubbaumarten sind nicht nur für die Biodiversität wertvoll und kostbar, sondern auch für Geldtasche der Waldbesitzer.

Das auf den Stock setzten von Bäumen wie in der Niederwaldwirtschaft üblich, sollte vollkommen unterlassen werden. Die Wälder sollten nach hunderten Jahren der intensiven Nutzung einmal ein Jahrhundert nicht mehr genutzt werden, damit der Wald wieder zu einem echten Wald werden kann.  

 

Abgetrennte Auwälder an Flüsse anbinden

Die „Gesellschaft für Biodiversität“ hat in einer Presseaussendung auf die Notwendigkeit der Anbindung von abgetrennten Auen und der Ökosystemleistung des Auwaldes, nämlich des Hochwasserrückhaltes, hingewiesen und den Rückbau von Dämmen gefordert.

 

Dämme im Natura 2000 Gebiet Falschauermündung: vorne ein Baggersee, der durch einen großen Damm von der Falschauer dahinter getrennt ist. Dahinter ein kleiner Damm, der die Falschauer von einem anderen Teich (Fischerteich) trennt. Innerhalb eines Auwald- Naturschutzgebietes gibt es gleich zwei Dämme, welche zurückgebaut werden müssten, damit sich vitale Aulebensräume auf diesen Flächen bilden können.

Online nachzulesen:

https://www.voxnews.online/artikel/gesellschaft-fuer-biodiversitaet-auen-an-fluesse-anbinden

https://www.suedtirolnews.it/politik/auen-als-schutz-vor-hochwasser

In der Tageszeitung „Dolomiten“ erschien ebenfalls am Freitag 4. September 2020 dieser wichtige Appell: „Die Auen wieder anbinden“

Das Geschiebe und die Hochwässer sind für die Ausbildung lebendiger Aulebensräume bedeutetend. Der veränderte Wasserhaushalt und der veränderte Stofftransport durch Wasserkraftwerke und Verbauungen durch den Hochwasserschutz (z.B. Rückhaltebecken), wirken sich negativ auf die Bildung dynamischer Aulebensräume aus.

In einem Beschluss der Landesregierung (http://www.provinz.bz.it/natur-umwelt/natur-raum/downloads/Bollettino_Ufficiale_26I_II_28_06_2016.pdf) wird steht:

„Für den Datenbogen Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen für das Besondere Schutzgebiet (BSG) Biotop Falschauermündung wird im Abschnitt „Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen (Lebensräume 3150, 3220, 91E0)“ die Maßnahme „Angemessene Reduktion des Schwallbetriebes“ und im Abschnitt „Erhaltung der Tier- und Pflanzenarten und Aufwertung von deren Lebensräumen“ „Angemessene Reduktion des Schwallbetriebes, um den Lebensraum der Fisch-Arten zu verbessern“ ergänzt.“

„Für die Datenbögen Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen für das Besondere Schutzgebiet (BSG) Biotop Tschenglser Au und Biotop Eyrser Au wird die Maßnahme „Verpflichtung die hydrologischen Auswirkungen bei der Planung von Eingriffen innerhalb oder in der Umgebung des Natura 2000-Gebietes zu beurteilen“ gestrichen;“

Mit derartigen Beschlüssen wird einer weitere Verschlechterung des Erhaltungszustandes von Auwäldern (Lebensraum 91E0) nicht entgegengewirkt.

 

Hochwasser im Auwald

Starke Regenfälle führten am 30. August 2020 zu erhöhten Wasserpegeln in den Flüssen Südtirols. Muren und drohende Überschwemmungen an den Flüssen und Bächen waren die Folge. Für Aulebensräume sind Überschwemmungen und Hochwässer lebenswichtig.

(Nachrichten zum Hochwasser: https://www.suedtirolnews.it/chronik/unwetter-mehr-regen-als-sonst-im-ganzen-august

https://www.tageszeitung.it/2020/08/30/mure-bei-atzwang/)

Auwälder sind Wasserwälder der Auwald im Falschauerbiotop wurde teilweise überflütet. Lebendige Silberweidenauwälder sind auf solche Überflutungen angewiesen.

Mächtige Silberweide und im Vordergrund eine Bergulme.

Teile des Auwalds im insgesamt 35 ha umfassenden Biotop werden überflutet

Die hochwasserführende Falschauer auf dem „revitalisierten“ Abschnitt mit unnatürlichen großen Steinen:

Die Falschauer fließt an der „revitalisierten“  Fläche vorbei, sie wurde entvitalisiert. Wasser überflutet nicht den Auwald und Sedimente werden nicht abgelagert. Auwälder brauchen jedoch Überflutungen.

Nach über 5 Jahren wurde die „revitalisierte“ Fläche noch nie überflutet. Vor der Revitalisierung stand auch dieser Teil des Auwaldes bei Hochwässern unter Wasser und ein vitaler Auwald bedeckte die Fläche. Am Ufer gab es Sandbänke. Heute wachsen auf dieser Fläche vor allem Robinien und Schwarzpappeln.

nicht- überschwemmte revitaliserte Auwaldfläche mit Robinen

Trotz der Bekämpfung der invasiven Neophyten (Robinien) auf der Fläche, wuchern diese überall. Nach dem Wegbaggern des Auwaldes wurden vor allem Grauerlen und Schwarzerlen gepflanzt. Diese starben jedoch im trockenen aufgeworfenen Kiesboden schnell ab.

Wenig unterhalb der revitaliserten Fläche ist der Auwald vital und lebendig, die Falschauer überflutet den Wald.

Auwälder halten Material zurück und dienen dem Hochwasserrückhalt (Ökosystemleistung). Auch Treibholz wird im Auwald abgelagert, welches für zahlreiche Tierarten einen Lebensraum bildet. Der Hochwasserschutz fürchtet Verklausungen an Brücken, im Auwald sind derartige Verklausungen ein Segen und wirken ähnlich wie ein Biberdamm.

Umgefallener Baum, der Treibholz aufhält

Der Auwald der Falschaeur ist noch nicht sehr alt. Die Luftaufnahme aus dem Jahr 1954 zeigt, dass das Gebiet damals von Schotterbänken eingenommen wurde, heute ist es ein Auwald.

Durch die Verbauung der Bäche durch Hochwasserschutzbauten und den Stausseen im Ultental ist der Materialtransport in der Falschauer stark vermindert worden und dadurch hat sich Baumwachstum und Wald eingestellt.

Mehr zur misslungenen Revitalisierung des Biotops siehe:

http://biodiversitaet.bz.it/tag/revitalisierung-falschauer-biotop/

Renaturierung Ahrauen

Die Studie zur Fluss- und Auenrenaturierung hat Dezite aufgezeigt und Handlungsempfehlungen gegeben: Ein zentrales Defizit ist, dass keine Zustandserfassung auf Art- und Ökosystemebene erfolgt und die Handlungsempfehlung, entsprechenden Daten systematisch zu erfassen nicht umgesetzt wurde. Zu erfassen wäre etwa die Naturnähe, damit nicht natürliche Flächen renaturiert werden. Jedoch wird gerade an der Ahr die Natur „renaturiert“.

Die Ahr tieft sich ein, da durch den Hochwasserschutz Sand und Schotter zurückgehalten wird, welcher für die Ausbildung dynamischer Lebensräume wie Schotterbänke jedoch essentiell ist. Statt der Verbesserung des Stofftransportes wird alljährlich Wald an der Ahr gerodet und irgendetwas in die naturnahen Wälder hineingebaut.

Im Bereich der Stegener Ahrauen, einem Natura 2000 Gebiet, fließt die Ahr in einem kleinen Tal mit verschiedenen seltenen Waldtypen und die Ahr wird  von Auwald begleitet. 2009 wurden beim Tag der Artenvielfalt über 1330 Tier- und Pflanzenarten vor allem im Auwald der Stegener Ahrauen festgestellt (https://www.zobodat.at/pdf/Gredleriana_010_0327-0390.pdf). Artenvielfalt war dort vorhanden. Jedoch werden diese letzten Naturräume und Naturschutzgebiete umgebaut, Wälder werden weggebaggert und Natur unwiederbringlich zerstört. Ein Altarm wird seit 2019 angelegt, obwohl bereits in der Nähe ein ähnliches Loch als Grundwasserteich gegraben wurde.

Aktuelle Bilder der Baggerarbeiten vom Sommer 2020 in den wertvollen Wäldern des Naturschutzgesbietes:

Die naturnahen Wälder des Natura 2000 Gebietes Stegener Ahrauen werden weggebaggert. Die Zerstörung der Wälder der Ahrauen und wertvoller Uferlebensräume an der Ahr gehen alljährlich weiter.

Schneißen werden in den Wald geschlagen und die Natur unwiederbringlich durch die Umbauarbeiten zerstört.

Ein riesiges Loch, welches ein Altarm werden soll, wurde in den Auwald gebaggert:

 

Altarme sind eigentlich Reste von ehemaligen Flussläufen. An der Ahr werden diese natürlichen Relikte des ehemaligen Flusslaufes heute künstlich geschaffen.

Der Direktor der Landesagentur für Bevölkerungsschutz Rudolf Pollinger sagt in einer Pressemeldung: “Die Fortsetzung der Revitalisierung der Stegener Ahr-Auen ist für einen langfristig vitalen Auwald von großer Bedeutung. Zudem verbessern wir damit den Hochwasserrückhalt und erhöhen das Lebensraumangebot für mittlerweile seltene Tierarten und Pflanzenarten der Auen.”

((https://www.suedtirolnews.it/wirtschaft/stegener-ahr-auen-revitalisierung-im-auwald-biotop-wird-fortgesetzt) Wann sie endlich mit der Schaffung von Lebensräumen und dem Zerstören von Natur fertig sind, erklärte er aber nicht. Zusätzlich werden vom bestehenden Eisvogel-Spazierweg aus Zugangsmöglichkeiten für die Bevölkerung geschaffen, wodurch noch mehr Menschen durch das Biotop wandern werden und damit der Lebensraum störungsempfindlicher Arten, wie etwa Vögel, weiter beeinträchtigt wird.

Was diese seit 20 Jahren durchgeführte „Revitalisierung“ bzw. die Baggerarbeiten tatsächlich für die Arten und das Ökosystem der Ahr gebracht hat, wird ebenfalls nicht erklärt. Welche Käfer-, Fisch-, Amphibien- oder sonst irgendeine Art  tatsächlich nachweislich profitiert hat und welche Waldarten durch den Verlust von Wald abgenommen haben, wird nicht erklärt.

Klaus Graber vom Naturtreff Eisvogel blieb ebenfalls eine Antwort auf folgende Anfrage schuldig: 

Warum der Naturtreff nicht bei den Renaturierungen/ Revitalisierungen für eine Zustandserfassung eintritt, wie sie in der Studie zur Fluss- und Auenrenaturierung gefordert wurde?
„Die vorliegende Studie stellt deshalb auch eine Grundlage dar, bei zukünftigen Renaturierungsprojekten die entsprechenden Daten systematisch zu erfassen. Erfolgskontrolle und Monitoring können auf der Grundlage der von der Society for Ecological Restoration (SER 2004) empfohlenen Kriterien durchgeführt werden (vgl. auch Jähnig et al. 2011, Ruiz-Jaen & Aide 2005 und Schade & Jedicke 2011). Ein detaillierter Katalog zur Bewertung und Qualitätserfassung bei Fließgewässern ist von Lüderitz & Jüpner (2009) vorgelegt worden. Dieser umfasst Was­sergüte (z.B. mittels Sabrobien-Index), Hydromorphologie (Gewässerstruktur­kartierung), Naturnähe (mittels Indices z.B. nach Dussling et al. 2005, Mühlenberg 1993, Pauls et al. 2002) und Diversität (mittels Indices, vgl. Kaule 1991).“
Warum ihr nicht wie der WWF Bozen für die Revitalisierung von stark verbauten Bächen eintretet? ( https://wwfbolzano.files.wordpress.com/2015/11/revitalisierung-fliessgewaesser1.pdf
Was haltet ihr davon, einfach Fichten zu fällen, wenn diese in einem Auwald stehen und nicht den ganzen Wald wegzubaggern?
Eisvögel gibt es in der Gatzaue keine,trotz der vielen Revitalisierungen und der Schaffung von Lebensraum.
Was die Hydromorphologie (Gewässerstruktur­kartierung) betrifft, wie in der Studie vorgeschlagen, so kann dieser hier nachgelesen werden:

 

 

Importierte Gefahren

Die Marmorierte Baumwanze, Halyomorpha halys, war ursprünglich in Asien (China, Japan, Taiwan, Korea) beheimatet. Über Warentransporte wurde sie in andere Kontinente verschleppt und führte mit ihrer explosionsartigen Vermehrung auch zu Ernteausfälle bei diversen Kulturen. Hauptsächlich Apfel, Pfirsich und Tomaten waren betroffen. In Südirol ist sie seit 2016 präsent. Solche neue Arten sind invasive Neobiota. Besonders viele Baumwanzen konnten in den Jahren 2018 und 2019 auch in Südtirol beobachtet werden. Die Baumwanzen dringen im Herbst auch in Häuser ein, um zu überwintern.

Invasive Baumwanzen überwintern auch in Gebäuden- die natürlich vorkommenden Wanzenarten Südtirols nicht.

Es ist nicht die erste invasive Wanzenart, die sich massiv vermehrte. Die grüne Reiswanze oder die Grüne Stinkwanze vermehrten sich einige Jahre ebenfalls massenhaft, doch nahmen sie auch wieder von alleine ab. Viele Hobbygärtner hatten Ausfälle bei Tomaten im Herbst. Wanzen stechen nämlich und saugen auf den Früchten, was eigentlich kein großes Problem wäre, doch sie übertragen dabei auch Pilzkrankheiten und diese Krankheiten breiten sich in der Frucht aus. Bei Tomaten können dann etwa die Früchte schwarz werden.

Diese neuen invasiven Wanzenarten haben jedoch auch heimische Gegenspieler, etwa Schlupfwespen, welche die Wanzen parasitierien und zum Absterben der Wanzen führen. Vermehren sich die Wanzen stark, so vermehren sich mit der Zeit auch diese natürlichen Gegenspieler. Auch Spinnen können die Wanzen ins Netz gehen.

Spinne (Weberknecht) saugt Marmorierte Baumwanze aus

Neue Arten bringen häufig neue Probleme und in Südtirol wurden nicht heimische Gegenspieler, die Samurai-Wespe (Trissolcus japonicus), gezüchtet und ausgesetzt. Obwohl auch heimische Arten, etwa Anastatus bifasciatus Baumwanzen parasitieren. Diese Gegenspieler legen ihre eigenen Eier in die Eigelege der Wanzen und die heranwachsenden Wespenlarven ernähren sich von den Wanzeneieren, sie fressen diese von innen aus.

Streifenwanze (Graphosoma lineatum)

Eine neue Wanzenart ist auch die Streifenwanze, welche ürsprünglich nur im Mittelmeerraum vorkam, sich jedoch bis zur Nordsee ausbreitete. Diese Art bereitet dem Biogärtner oder anderen Menschen sicher keine Probleme und ist ein wahres Schmuckstück.

Die Einfuhr von Arten, auch von Nützlingen hat sich schon negativ auf die Biodversität ausgewirkt. Es gibt zahlreiche natürlich vorkommende Arten von Marienkäfern in Europa und zur Schädlingsbekämpfung wurde der Asiatische Marienkäfer in den 1980eer Jahren nach Europa und schon früher in die USA eingeführt. Inzwischen tritt die Art gebietsweise massenhaft auf und wenn sich Hausbesitzer über Schwärme von Marienkäfern an Häusern beklagen, so handelt es sich um Massenvorkommen des Asiatischen Marienkäfers. Seit 2002 tritt die Art gehäuft in Europa auf und Massenvermehrungen des Asiatischen Marienkäferns gibt es seit 2004 in Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

Dem Siegeszug des Asiatischen Marienkäfers stehen einheimische Marienkäferarten gegenüber, die in ihrem Bestand gefährdet sind und in Roten Listen stehen. Vom Asiatischen Marienkäfer wird berichtet, dass er heimische Arten verdrängt. Eingeführte Arten können heimische Arten verdrängen und invasive Neobiota sind eine der Hauptgefährdung der Biodiversität weltweit.

Wachsen Pflanzen etwa zu schnell, weil sie zu viele Nährstoffe und Wasser bekamen, so können Blattläuse leicht zum Problem werden. Marienkäferlarven, Ohrwürmer und andere Nützlinge vertilgen Blattläuse und helfen beim Pflanzenschutz.

Der Asiatische Marienkäfer wurde zuerst in die USA eingeführt, wo er heute in Weinbergen als Schädling auftritt. Der eingeführte Nützling wurde zum genauen Gegenteil: zum Schädling in landwirtschafltichen Kulturen. Der Asiatische Marienkäfer ist in der Datenbank der global invasiven Arten der IUCN aufgelistet und ist inzwischen ein Schädling im Weinbau der USA.

Die Ausbreitung des Asiatischen Marienkäfers hat in Deutschland dazu geführt, dass der einst häufigste Marienkäfer, der Zweitpunkt Marienkäfer stark abgenommen hat. Parasiten des Asiatischen Marienkäfers wurden mit der Art eingeführt und die heimischen Zweitpunkt-Marienkäfer werden von diesem Parasiten infiziert und sterben, wie eine Studie der Universität Gießen herausfand. Der Asiatische Marienkäfer trägt Pilze in sich, auf welche die Art restitent ist, der heimische Zweipunkt Marienkäfer jedoch ist nicht restistent dagegen und stirbt durch diesen Pilz. Neobiota sind häufig eine Gefährdungsursache für heimische Arten, gerade auch als Überträger von Krankheiten. Klassisches Beispiel für das hohe Schadenspotential durch die Übertragung von Krankheiten eingeführter Arten ist die sogenannte Krebspest, welche schon vor 100 Jahren die europäischen heimischen Flusskrebsarten durch die Einfuhr und Ausbreitung einer amerikanischen Art dahinraffte.

Oft werden Arten eingeführt, obwohl es heimische Arten gibt, welche eigentlich die Funktion als natürlicher Gegenspieler erfüllt. Sogar in Kastanienhainen Südtirols geht es recht chinesisch zu: Die Japanische Esskastaniengallwespe, welche 2008 erstmals in Südtirol nachweislich auftrat, wurde mit einem eingeführten asiatischen Gegenspieler (Torymus sinensis) bekämpft. Wissenschaftliche Untersuchungen haben zwar ergeben, dass auch heimische Schlupfwespenarten durchaus in der Lage sind, die Larven der Esskastaniengallwespe zu parasitieren, jedoch wurde eine asiatische Schlupfwespenart (Torymus sinensis) eingeführt. Importiertware aus Asien ist auch in der Landwirtschaft gefragt.

Leider wird in der Schädlingsbekämpfung im konventionellen und integrierten Anbau auf den Schutz der heimischen Arten wenig Rücksicht genommen und Arten wurden absichtlich eingeführt. Erst im Nachhinein zeigten sich die weitreichenden und gravierenden negativen Effekte, die mit ihrer Einfuhr verknüpft sind. Schäden sind dann nicht mehr gut zu machen. Dem Siegeszug des Asiatischen Marienkäfers steht die Bedrohung der heimischen Marienkäfer gegenüber.

In den agrarischen Ökosystemen, wie etwa den Apfelplantagen Südtirols, gibt es vor allem das Problem, dass große Mengen an Pestiziden eingesetzt werden, welche auch für Nützlinge eine Gefahr sind. Marienkäfer überleben Insektizide ebensowenig wie Blattläuse.

mehr zum Thema Pestizide auf http://biodiversitaet.bz.it/pestizide/

Biodiversitätsmonitoring

(Titelbild: Vegetation Südtirols in einer Karte festgehalten: die Vegetation und die Biodversität hat sich seitdem verändert, Obstplantagen dehnten sich etwa im Vinschgau aus, Schluchtwälder wurden weniger und invasive Neophyten breiteten sich aus)

Das Forschungsinstitut Eurac hat ein Projekt zur Erhebung der Artenvielfalt ausgearbeitet, welches von der Politik in Auftrag gegeben wurde und vom Land jährlich mit 500.000 Euro bezuschusst wird. Ausgehend von der Beschreibung des Projektes auf den Internetseiten, weist das Monitoring viele Schwachstellen in Bezug auf die Biodiversität auf. Die Artenvielfalt einzelner Flächen wird beobachtet und die Entwicklung der gesamten Natur- und Kulturlandschaft Südtirols wird nur ungenügend beobachet. Über die Funktionalität oder die Quantität der Ökosysteme wie Wälder oder Fließgewässer in ihrer Gesamtheit wird keine Auskunft gegeben. 

Das Biodiversitätsmonitoring wird auf den Internetseiten so beschrieben: “Das Monitoring soll die Entwicklung der gesamten Südtiroler Biodiversität aufzeigen, wobei der Schwerpunkt auf Artengruppen liegt, die unmittelbar auf Umwelt- und Landnutzungsänderungen reagieren. Die 320 terrestrischen Untersuchungsgebiete sind gleichmäßig über das Land verteilt und umfassen eine repräsentative Auswahl verschiedener Lebensräume. Zusätzlich wird auch eine große Anzahl von Fließgewässern untersucht. Alle Erhebungen werden in regelmäßigen Abständen wiederholt.
Das Monitoring dient auch dazu, wichtige administrative Anforderungen zu erfüllen, wie z.B. Auswirkungen von getroffenen Umweltmaßnahmen zu überprüfen oder als Grundlage für die regelmäßige Berichterstattung über den Zustand der Arten und Lebensräume im Rahmen der Habitat-Richtlinie. Um repräsentative Aussagen über Veränderungen der Biodiversität in Südtirol zu erhalten, wurden die meisten der im Monitoring untersuchten Flächen zufällig ausgewählt.”

Was die regelmäßige Berichterstattung über den Zustand der Arten und Lebensräume im Rahmen der Habitat-Richtlinie (=FFH-Richtlinie) angeht, so werden diese entsprechend der FFH-Richtlinie Artikel 6 bereits erfasst. Im Zeitabstand von 6 Jahren werden diese aktualisiert. Die FFH-Richtlinie stammt aus dem Jahr 1992. In Südtirol wurden Natura 2000 Gebiete ausgewiesen und für diese Gebiete gibt es auch Managementpläne. Für derartige Schutzgebiete wird also doppelt geforscht.

Zusätzlich wird auch eine große Anzahl von Fließgewässern untersucht. Alle Erhebungen werden in regelmäßigen Abständen wiederholt.” Fische, Kieselalgen, Makrozoobenthos usw. werden von Landesämtern bereits erfasst. Zudem wurden alleine 41 Millionen Euro in den Umbau der Gewässer bis 2020 als Revitalisierung bzw. Renaturierung investiert. Bei diesen getätigtten Arbeiten fehlt jedoch eine systematische Zustandserfassung auf Art- und Ökosystemebene und auch ein umfassendes Monitoring. Die Fließgwässer und ein wichtiger Teil der Biodversität der Fließgewässer werden wie die Natura 2000 Gebiete bereits überwacht und ein Monitoring der Artenvielfalt vieler Organismengruppen ist daher schlichtweg überflüssig. Ökosysteme wie Fließgewässer sind Belastungen ausgesetzt (siehe http://biodiversitaet.bz.it/baeche-und-seen/) und durch neue Verbauungen von Fließgewässern oder neuen Wasserkraftwerken wird die Funktionalität des Ökosystems beeinträchtigt. Das Monitoring überwacht nicht alle Fließgewässer dahingehend, ob sie weiter verändert werden und in ihrer Funktionalität beeinträchtigt werden.. 

Schwachstellen: Seltene und gefährdete Arten nicht genügend erfasst

Im Jahr 1994 wurde eine Rote Liste der Tierarten Südtirols erstellt und Jahre später folgte auch eine der Pflanzen. Seltene, nur an wenigen Orten vorkommende Arten, wie etwa seltene Amphibien (z.B. Gelbbauchunke) oder Säugetiere (z.B. Bären), welche auch durch die FFH-Richtlinie besonders geschützt sind, werden beim Biodiversitäts-Monitoring in Südtirol unzureichend erfasst. 

Durch die Übernahme sämtlicher Daten des Naturmuseums (z.B. Gelbbauchunken) und der Landesämter (z.B. Bären) könnte die Entwicklung der Biodiversität als Artenvielfalt viel genauer abgebildet werden. Seltene Arten, wie Bären und Gelbbauchunken kommen nicht überall vor. Doch gerade diese seltenen und gefährdeten Arten sind von zentraler Bedeutung für den Erhalt der Biodviersität. Die Biodiversität als Artenvielfalt zu erhalten, bedeutet zuallererst, auf gefährdete und seltene Arten zu achten. Beispiel Weinberg: Weinberge können eine ganz spezielle typische Weinbergflora aufweisen, ähnlich wie etwa Getreideäcker mit charakteristischem Klatschmohn und Kornblume. Typisch für Weinberge sind etwa Zwiebelpflanzen und der Nickende Milchstern ist eine solche typsiche Art, die aber sehr selten wurde und in ihrem Bestand gefährdet ist. Über die Entwicklung dieser Art wird das Monitoring nur dann eine Aussage treffen können, wenn sie in einem der 20 aufgenommen Weinberge auch vorkommt (Nickender Milchstern und Flora Gefährung der Flora siehe http://biodiversitaet.bz.it/flora/). Kommt sie in einer Aufnähmefläche vor, so kann nur über die Bestandsentwicklung in der einen Fläche eine Aussage getroffen werden, nicht aber über die Entwicklung des Bestandes in ganz Südtirol.

Schwachstelle: punktuelle Aufnahmen- Landschaft als Ganzes nicht überwacht

Eine große Schwachstelle des Biodiversitätsmonitorings ist, dass lediglich punktuelle Untersuchungsgebiete über das Land verteilt dem Monitoring unterzogen werden. Damit werden etwa wichtige Landschaftselemente nicht flächendeckend überwacht, wie lineare Landschaftselemente (z.B. Hecken, Ufergehölze), welche wichtige Lebensräume für Arten darstellen und erheblich zur Artenvielfalt in der Landschaft beitragen. In der FFH- Richtlinie sind sie erwähnt:“ Die Mitgliedstaaten werden sich dort, wo sie dies im Rahmen ihrer Landnutzungs- und Entwicklungspolitik, insbesondere zur Verbesserung der ökologischen Kohärenz von Natura 2000, für erforderlich halten, bemühen, die Pflege von Landschaftselementen, die von ausschlaggebender Bedeutung für wildlebende Tiere und Pflanzen sind, zu fördern.“ Wie sich die Landschaftselemente auch nur quantitativ entwickeln, darüber wird das Monitoring keine fundierten Ergebnisse liefern. 

An Fließgewässern finden sich z.B. wichtige Lebensräume wie etwa Auwälder und im Etschtal existiert ein lang gezogener Auwald entlang der Etsch (siehe Karte oben). Die quantitative Ausdehung von Lebensräumen wie Auwäldern bzw. linearen Landschftselementen in den Talsohlen wird mit dem punktuellen Monitoring nicht überwacht.

Über Fernerkungdsmethoden (Vergleich Luftbilder) über die Jahre hingweg könnte sehr einfach die Entwicklung wertvoller Landschaftselemente beobachtet werden.

Auch darüber, ob etwa Feuchtgebiete in Südtirol zunehmen oder abnehmen, wird das Monitoring keine Ergenisse liefern, da nur puntkuell Aufnahmen gemacht werden. Dasselbe gilt für Wälder, Almen oder Gletschern. Wachsen Almen zu oder werden Almen aufgelassen und gewinnt dabei der natürliche Wald Südtirols Flächen zurück, darüber kann durch die punktuelle Aufnahme der Artenvielfalt keine fundierte Aussage getroffen werden. Für die Biodiversität sind derartige großflächige Landnutzungsänderungen jedoch bedeutend.

Es wird viel gebaggert in Südtirol: Hecken können dabei verschwinden

Defizit: Fehlen der genetischen Vielfalt von Nutzpflanzen und Nutztieren:

Das Monitoring soll die Entwicklung der gesamten Südtiroler Biodiversität aufzeigen”, jedoch wird die genetische Vielfalt der in Südtirol vorkommenden Nutzpflanzen und Nutztiere nicht erfasst. Der Biodiversitätsverlust zeigt sich auch im Verlust der Nutztierrassen- und der Sortenvielfalt. Dies betrifft alte Obstsorten, wie dem Kalterer Apfel oder Getreidesorten bis hin zu Hühnern, etwa dem Proveis- Ultentaler Huhn oder dem Tirolerhuhn. Zahlreiche Vereine oder Einrichtungen wie die Laimburg (z.B. Getreide) beschäftigen sich mit dem Thema und Initiativen zum Erhalt wurden gestartet. Beim Biodiversitätsmonitoring fehlt diese Entwicklung. Der Wert der genetischen Vielfalt der Nutztierrassen und Sorten wird beim Biodiversitätsmonitoring der EURAC sträflich vernachlässigt. Wichige Akteure und Kenner dieser Vielfalt wurden nicht involviert. Tradititionelle, an die Beweidung von Almen und kargen Bergwiesen angepasste lokale Nutzrassen, wie etwa das Buischa Rind (Fotos siehe https://patrimont.org/de/), finden keine Beachtung. 

Schwachstelle: zu später Beginn

Das Monitoring beginnt erst im Jahr 2019 und wird alle 5 Jahre Ergebnisse liefern, also werden erst 2024 die ersten Ergebnisse vorliegen, welche die Entwicklung in diesen fünf Jahren auzeigen. Nicht berücksichtigt wird das Wissen um den Biodiversitäsverlust, wie er in den vergangen Jahrzehnten dokumentiert wurde, etwa der Verlust von artenreichen Lärchenwiesen oder das Insektensterben. Es fließt nicht die bisherige Entwicklung der Biodiversität ein und dem Biodiversitätsmonitoring fehlt damit der wichtige Blick in die Entwicklung der letzten Jahrzehnte.

Das Insektensterben ist bereits eingetreten, die meisten Magerwiesen gingen schon verloren, viele Feuchtgebiete wurden bereits zerstört und der Artenverlust geht weiter. In den nächsten fünf Jahren, wird es sicher kein zweites großes Insektensterben geben, wie es sich in den letzten Jahrzehnten abspielte. Es ist durchaus möglich, dass in Südtirol ein Monitoring durchgeführt wird und die Öffentlichkeit niemals wissen wird, dass es ein Insektensterben gibt.

Schwachstelle: keine Informationen über Bedeutung der Lebensräume für die Arten

Es gibt Lebensräume, die von großem Wert für den Erhalt der Arten sind, etwa Feuchtgebiete oder Trockenrasen. Die Autonomoe Provinz Bozen bietet nützliche Informationen etwa über den Wert der Trockenrasen für die Biodiversität (http://www.provinz.bz.it/natur-umwelt/natur-raum/naturschutz/rasen-und-wiesen-trocken-frisch-beschreibung-lebensraum.asp?news_action=4&news_article_id=595379), über vorkommende dominante und charakteristische Arten, gefährdete Arten, über die biologische Werigkeit, der Funktion des Lebensraums, Entwicklungstendenzen und Gefährdung des Lebensraums und über den Naturschutz.

Das Bioversitätsmonitoring bietet keine derartigen Informationen zu den untersuchten Lebensräumem, doch nur was man kennt, kann man auch schützen. Die Information der Öffentlichkeit ist ein sehr wichtiger Punkt, damit die Gesellschaft und die vielen Akteure ihrer Verantwortung zum Erhalt der Biodiversität nachkommen können. Auskunft über Artenzahlen und damit wie artenreich die Lebensräume sind, finden sich auf den Seiten des Biodiversitätsmonitorings nicht. Ebensowenig werden Informationen über das Vorkommen gefährdeter Arten und  über den Wert eines Lebensraums bereitgestellt. Welcher Lebensraum ist am artenreichsten, wo gibt es am meisten seltene Arten,- viele Fragen werden nicht beantwortet. Nach dem Durchlesen der ganzen Infors zum Biodiversitätsmonitoring auf https://biodiversity.eurac.edu/de/ wird niemand sagen können, ob es für die Biodiversität besser ist Weinberge anzulegen oder Teiche zu bauen. Doch wer bis hier gelesen hat, der weiß das sicher.

Wer in diesem Blog hier liest, der wird vielleicht auch über die Presseaussendung des Biodiversitätsmonitorings schmunzeln oder auch den Kopf schütteln. Die Nachricht, mehr als die Hälfte der Südtiroler Fauna sei schon erfasst (z.B. https://www.stol.it/artikel/chronik/mehr-als-die-haelfte-der-suedtiroler-fauna-schon-erfasst) wurde verbreitet (über 1100 Tier- und Pflanzenarten): „86 Vogelarten – das sind gut die Hälfte der im Südtiroler Brutvogelatlas aufgelisteten Arten – sind anhand ihres Gesangs schon identifiziert; dazu kommen 49 erfasste Heuschreckenarten, 104 Schmetterlingsarten und 15 Fledermausarten – jeweils mehr als die Hälfte der für Südtirol bekannten Arten – sowie 850 verschiedene Gefäßpflanzen, wurde der Presse mitgeteilt und Andreas Hilpold von Eurac Research sagte: „Es überrascht uns im positiven Sinn, dass es uns gelungen ist, nach einem Jahr und einem Fünftel der gesamten Standorte schon einen so hohen Prozentsatz der Arten zu finden. Das zeigt, dass unsere Arbeit gut vorangeht und wir mit unserem Ansatz die Biodiversität in Südtirol gut abbilden können“. Dabei fehlen im Südtiroler Brutvogelatlas jedoch einige Arten, etwa Neozoen wie Brautenten oder der allseits bekannte Brutvogel die Stadttaube (http://biodiversitaet.bz.it/2018/07/14/voegel/). 104 Schmetterlingarten sollen die Hälfte der in Südtirol bekannten Arten sein, jedoch gibt es doch etwas mehr Schmetterlingarten (http://biodiversitaet.bz.it/2017/12/01/schmetterlinge/). 1100 Arten sollen die Hälfte sein? Bei Untersuchungen im Schlerngebiet (Habitat Schlern) waren 5000 Tierarten 20% der vorkommenden Tierarten Südtirols. Die Biodiversität als Artenvielfalt wird beim Monitoring nicht gut abgebildet und es ist wirklich bemerkenswert, wie artenarm Südtirol mit dem Biodiversitätsmonitoring plötzlich geworden ist. 

Was soll herauskommen? Wozu das Ganze?

Bezweckt das Monitoring die Artenvielfalt Südtirols abzubilden, dann müsste die Artenvielfalt, von Nutztierrassen bis hin zu seltenen Arten wie Bären, einbezogen werden. Über Landnutzungsänderungen und den Klimawandel sollen vor allem Aussagen getroffen werden. Bezweckt das Biodiversitätsmonitoring über den Landnutzungwandel Aussagen treffen zu wollen, dann hätte man Fernerkungdsmethoden oder vorhandenes flächendeckendes Kartenmaterial von Südtirol verwenden müssen. Punktaufnahmen geben keinen Einblick in die tatsächlichen Veränderungen durch Landnutzungsänderungen. Der Verbrauch von Flächen durch Bebauung und der damit einhergehende vollkommene Biodiversitäsverlust auf versiegelten Flächen oder der Bau von Infrasturen wie Straßen, welche Lebensräume zerschneiden, wird beim Biodiversitäts-Monitoring nicht weiter in das Monitoring einfließen. Ebensowenig die Umwandlung von natürlichen Ökosystemen wie Wäldern in anthropogene Ökosysteme, wie intensiv genutzte agrarische Lebensräumen findet in den punktuell durchgeführeten Monitoring keine weitere Beachtung. Gerade Wälder, die einen Großteil der terrestrischen Biodiversität beherbergen, werden ebenfalls durch den Bau von Forststrassen und die Intensivierung der Nutzung verändert. Derartige Entwicklungen werden nicht flächendeckend verfolgt. Wälder sind für die Biodiversität von zentraler Bedeutung, so ist etwa das Natura 2000 Gebiet Trudner Horn, das vor allem aus Wald besteht, der artenreichste Naturpark Südtirols. Auch über die quantitative Entwicklung von Auwäldern in den Talsohlen, wird damit keine Aussage getroffen werden können. 

Die Gefährdungsursachen für die Biodiversität sind hinlänglich bekannt. Bezweckt das Biodiversitäsmonitoring über den Klimawandel Aussagen treffen zu wollen, so gibt es bereits Projekte wie etwa Gloria und die Eurac beschäftigt sich bereits länger mit dem Klimwandel und publizierte den Klima-Report. Dort wurden bereits Ergenbisse präsentiert. 

Schwäche: es wird geforscht und nicht gehandelt

Viele landwirtschafltich genutzte Flächen werden vom Biodiversitätsmonitoring Südtirol untersucht wie Weinberge, Apfelplantagen oder Äcker. Es wird geforscht. Im Gegensatz dazu wird beim Biodiversitäsmonitoring Österreichs mit den Landwirten gemeinsam daran gearbeitet, die Biodversität auf ihren Flächen kennenzulernen und diese dann auch zu schützen. “Wir schauen auf unser Almen, Wiesen und Wälder”, ist in Österreich ein zentrales Element des Biodiverisätsmonitorings, in dem es darum geht, dass die Akteure in der Landschaft, praktisch die Bauern, darin eingebunden werden, die Biodiversität in ihrer Heimat kennenzulernen und darauf zu schauen.

Es gibt noch andere lobenswerte Initiativen in Österreich: das Land Salzburg mit regionalem Wiesensaatgutproduktion und Rekultivierung von Grünflächen in Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Betrieben und Experten eine  Initiative zur Erhaltung der regionalen genetischen Vielfalt der Wiesen gestartet. In Südtirol wird man 2024 erfahren, dass vielleicht Arten in Wiesen zugenommen oder abgenommen haben.

In einigen Jahren wird man erfahren, wie es um die Biodiversität laut Biodiversitäsmonitoring bestellt ist. Wie viele Arten heuer, im nächsten Jahr und den Jahren danach ausgestorben sind, darüber wird man in Südtirol nichts erfahren. Die EU hat eine Strategie zum Erhalt der Biodviersität, mehr dazu auf http://biodiversitaet.bz.it/biodiversitaetsstrategie/

Der Koordinator des Biodversitätsmonitorings, Andreas Hilpold, ist nicht immer für die Erfassung und ein Monitoring der Biodiversität eingetreten. Als Vorsitzender der Umweltgruppe Eisacktal trat er nicht dafür ein, Monitoring und eine Zustandserfassung bei sogenannten Fluss- und Auenrenaturierungen durchzuführen (siehe http://biodiversitaet.bz.it/revitalisierung-wasserrahmenrichtlinie/).